Darf ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen?
Wie viele Urlaubstage stehen jedem Arbeitnehmer zu?
Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden den dem Arbeitnehmer zustehenden jährlichen Erholungsurlaub regelmäßig im Arbeitsvertrag vereinbaren. Unter Umständen ist die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs auch im einschlägigen Tarifvertrag festgelegt. Dabei müssen allerdings die gesetzlichen Mindesturlaubsbedingungen des Bundesurlaubsgesetzes beachtet werden, von denen zum Nachteil des Arbeitnehmers weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag abgewichen werden darf.
Gesetzlicher Mindesturlaub
Gesetzlich steht jedem Arbeitnehmer ein jährlicher Mindesturlaub von 24 Werktagen zu. Das Gesetz geht von einer Sechstagearbeitswoche aus. Der Samstag ist also im Rahmen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs als vollwertiger Urlaubstag anzurechnen. Insgesamt stehen also einem Arbeitnehmer mindestens 4 Wochen Erholungsurlaub zu.
Wer legt die zeitliche Lage des Urlaubs fest?
Die zeitliche Lage des Urlaubs des Arbeitnehmers wird vom Arbeitgeber festgelegt. Verlangt der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum Erholungsurlaub, ist dieser Wunsch vom Arbeitgeber zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange (z. B. arbeitsintensive Zeiten im Einzelhandel wie z. B. Vorweihnachtszeit, Betriebsferien, krankheitsbedingte Ausfälle anderer Arbeitnehmer) entgegenstehen.
Dem Urlaubswunsch eines Arbeitnehmers können berechtigte Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber eine Auswahlentscheidung treffen, die er nach sozialen Gesichtspunkten vornehmen muss. Zu den zu berücksichtigenden Umständen gehören u.a. Ferienzeiten schulpflichtiger Kinder, Urlaubsmöglichkeiten des Ehegatten, besondere Erholungsbedürftigkeit zu bestimmten Zeiten (z. B. nach längerer Krankheit), Alter des Arbeitnehmers, Urlaubsregelung in den vergangenen Jahren.
Lesen Sie auch: Urlaubsanspruch: Was Arbeitgeber & Arbeitnehmer wissen sollten
Was muss beachtet werden, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter vorzeitig aus dem Urlaub zurückholen will?
Es sind die gesetzlichen Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes zu beachten, die einen Mindeststandard für den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers festlegen. Das Gesetz enthält allerdings keine Regelungen über den vorzeitigen Abbruch des vom Arbeitgeber bewilligten Urlaubs.
Nicht zulässig ist, dass sich der Arbeitgeber den Anspruch auf vorzeitige Beendigung des Urlaubs im Arbeitsvertrag vorbehält. Schließlich ist bereits die Abmachung unzulässig, dass der Beschäftigte im Urlaub abrufbereit sein muss (Bundesarbeitsgericht, Az. AZR 405/90). Nach Ansicht des Gerichts ist es nämlich Sinn und Zweck des gesetzlich festgelegten Erholungsurlaubs, dem Arbeitnehmer eine uneingeschränkte Freizeiteinteilung zu ermöglichen. Und das sei nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz Freistellung ständig abrufbereit für den Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss.
Grundsätzlich kann also der Arbeitgeber nur in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer den bereits bewilligten Urlaub widerrufen bzw. den Abbruch und die vorzeitige Rückkehr des Arbeitnehmers vom Urlaub verlangen. Gleichwohl kann der Arbeitnehmer in Ausnahmefällen auch verpflichtet sein, seine Arbeit trotz Urlaubs wieder aufzunehmen. Diese Pflicht folgt aus seiner allgemeinen Treuepflicht, die Bestandteil jedes Arbeitsverhältnisses ist. Von Bedeutung ist dabei auch, ob der Arbeitnehmer den Urlaub bereits angetreten hat oder nicht.
Achtung: Besonderheiten gelten im öffentlichen Dienst. Nach den Urlaubsverordnungen des Bundes und der Länder kann die Genehmigung des Erholungsurlaubs widerrufen werden, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen.
Kann der Arbeitgeber den bewilligten Urlaub widerrufen, wenn der Arbeitnehmer diesen noch nicht angetreten hat?
Hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer beantragten Erholungsurlaub bewilligt, ist diese Zusage grundsätzlich rechtlich bindend und unwiderruflich (Bundesarbeitsgericht, Az. 9 AZR 11/05). Soll die Urlaubsbewilligung widerrufbar sein, muss der Arbeitgeber sich den Widerruf ausdrücklich vorbehalten.
Nur wenn dringende betriebliche Gründe es rechtfertigen, kann der Arbeitgeber den bereits bewilligten, aber vom Arbeitnehmer noch nicht angetretenen Urlaub widerrufen. Bloße finanzielle Einbußen des Unternehmens können allerdings den Widerruf nicht rechtfertigen.
Ein Widerruf der Urlaubsbewilligung ist unter Umständen zulässig, wenn der Produktionsverlauf gefährdet ist, weil ein Großteil der Belegschaft plötzlich erkrankt ist.
Kann der Arbeitgeber die vorzeitige Rückkehr aus dem bereits angetretenen Urlaub verlangen?
Hat der Arbeitnehmer den bewilligten Urlaub bereits angetreten, liegt die Messlatte, die den Arbeitgeber berechtigt, vom Arbeitnehmer den Abbruch des Urlaubs zu verlangen, wesentlich höher als beim Eintritt eines Notfalls bei einem bloß bewilligten, aber noch nicht angetretenen Urlaub. Nur in absoluten Ausnahmesituationen kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz verlangen.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber in seiner Existenz bedroht ist, wenn der Arbeitnehmer nicht seinen Urlaub abbricht und vernünftige Alternativen zum Urlaubsabbruch fehlen.
In einem kleinen Betrieb mit drei Arbeitnehmern erkranken zwei Mitarbeiter. In diesem Fall kann der Arbeitgeber von dem im Urlaub befindlichen Mitarbeiter die vorzeitige Rückkehr verlangen, wenn dadurch verhindert wird, dass ein Auftrag nicht rechtzeitig ausgeführt und so die unmittelbare Pleite des Betriebs verhindert werden kann.
Welche Folgen hat es, wenn der Arbeitnehmer vom Chef vom Urlaub zurückgeholt wird?
Selbstverständlich ist, dass dem Arbeitnehmer der nicht genommene Urlaub erhalten bleibt. Daneben hat der Arbeitgeber alle Aufwendungen zu ersetzen, die dem Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Nichtantritt oder dem vorzeitigen Abbruch des Urlaubs entstehen. Dazu gehören etwa die Kosten für die Stornierung, eine Umbuchung oder für den Rückflug.