Die 13 größten Irrtümer im Arbeitsrecht
Irrtum Nr. 1: Nicht genommener Jahresurlaub kann ohne Weiteres auf das Folgejahr übertragen werden
Falsch. Der Arbeitnehmer muss den ihm zustehenden Jahresurlaub grundsätzlich bis zum Jahresende nehmen. Andernfalls verfällt er ersatzlos. Eine Übertragung des Urlaubs ins nächste Jahr ist nur möglich, wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht genommen werden kann. Dringende betriebliche Gründe liegen z. B. vor, wenn die Auftragslage zum Jahresende die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert, eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht (z. B. Messe, Weihnachtsgeschäft) oder bereits anderen Arbeitnehmern Urlaub gewährt worden ist. Im Falle der Übertragung wird der Urlaubsanspruch nur bis zum 31. März des Folgejahres verlängert.
Häufig sehen allerdings Arbeitsverträge, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen vom Gesetz abweichende und für den Arbeitnehmer günstigere Übertragungsregelungen vor.
Irrtum Nr. 2: Wer an Sonn- & Feiertagen arbeitet, kann einen Lohnzuschlag verlangen
Falsch. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf einen Zuschlag für Sonn- oder Feiertagsarbeit. Nach dem Arbeitszeitgesetz steht dem Arbeitnehmer als Ausgleich für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung lediglich ein Ersatzruhetag zu, der vom Arbeitgeber für Sonntagsarbeit innerhalb von zwei Wochen und für Feiertagsarbeit innerhalb von acht Wochen zu gewähren ist. Ein Anspruch auf Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit steht dem Arbeitnehmer nur zu, wenn der Arbeitsvertrag oder der einschlägige Tarifvertrag eine entsprechende Vereinbarung enthält oder wenn sich der Anspruch aus betrieblicher Übung ergibt.
Irrtum Nr. 3: Ärztliches Attest erst nach drei Tagen Krankheit
Das ist nicht in jedem Fall richtig. Kraft Gesetzes muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Allerdings kann im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat wirksam vereinbart werden, dass der Arbeitgeber die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon zu einem früheren Zeitpunkt verlangen darf.
Irrtum Nr. 4: Ein Arbeitsverhältnis kann nur bis zu dreimal hintereinander befristet werden
Das kann man so nicht sagen. Man muss vielmehr zwischen der Befristung des Arbeitsvertrags mit und ohne sachlichen Grund unterscheiden. Bei einer Befristung mit sachlichem Grund, zum Beispiel als Krankheitsvertretung, besteht gesetzlich keine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Befristungen.
Irrtum Nr. 5: Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaubs- & Weihnachtsgeld
Das ist so nicht richtig. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Eine solche Sonderzuwendung an den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber nur zahlen, wenn dies im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist. Auch durch betriebliche Übung kann für den Arbeitnehmer ein Anspruch auf die Sonderzuwendung bestehen. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation über einen längeren, mindestens drei Jahre dauernden Zeitraum ohne den Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt hat.
Irrtum Nr. 6: Arbeitsverträge können auch mündlich gekündigt werden
Falsch. Der Arbeitsvertrag kann nur schriftlich gekündigt werden, gleichgültig, ob vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer. Eine mündliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis ebenso wenig wie die Kündigung durch eine SMS, durch Fax oder E-Mail.
Irrtum Nr. 7: Hat der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis gekündigt, kann er die Kündigung wieder zurücknehmen
Falsch. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer wird wirksam, wenn sie dem Arbeitgeber zugegangen ist. Mit dem Zugang wird das Arbeitsverhältnis sofort oder unter Einhaltung einer bestimmten Frist beendet. Diese Wirkung kann nicht nachträglich durch Rücknahme der Kündigung beseitigt werden. Die Rücknahme einer Kündigung durch den Arbeitnehmer ist vielmehr rechtlich als Angebot an den Arbeitgeber zu werten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dieses Angebot kann der Arbeitgeber annehmen oder ablehnen.
Irrtum Nr. 8: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist unwirksam, wenn sie keine Begründung enthält
Auch das ist nicht richtig. Aus dem Schreiben des Arbeitgebers muss nur hervorgehen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden will. Die Angabe des Kündigungsgrunds ist nicht erforderlich. Bei fehlender Begründung ist also die Kündigung gleichwohl wirksam. Das gilt auch für die außerordentliche Kündigung. Zwar ist der Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung gesetzlich verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitnehmers den Kündigungsgrund schriftlich mitzuteilen. Tut er das nicht, so macht dies die Kündigung aber nicht unwirksam. Der Arbeitnehmer kann unter Umständen allenfalls Schadensersatz verlangen.
Irrtum Nr. 9: Bevor der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, muss abgemahnt werden
Falsch. Besonders schwere Verstöße gegen den Arbeitsvertrag wie beispielsweise Missbrauch von Zeiterfassungsgeräten, Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit oder ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot bedürfen grundsätzlich keiner vorherigen Abmahnung, weil der Arbeitnehmer von vornherein damit rechnen kann, dass sein Verhalten vom Arbeitgeber nicht hingenommen wird. Dem Arbeitnehmer muss in diesen Fällen bewusst sein, dass er mit seinem Fehlverhalten seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt und er mit seinem Verhalten auf keinen Fall mit der Billigung des Arbeitgebers rechnen kann. Bei solchen schwerwiegenden Verstößen gegen den Arbeitsvertrag kann der Arbeitgeber auch ohne vorherige Abmahnung fristlos kündigen.
Irrtum Nr. 10: Wenn der Arbeitnehmer krank ist, kann er nicht gekündigt werden
Das kann man so nicht sagen. Zwar ist eine Krankheit des Arbeitnehmers als solche noch kein Kündigungsgrund, die Kündigung ist allerdings dann sozial gerechtfertigt und zulässig, wenn es sich um eine erhebliche Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers handelt und diese zu einer unzumutbaren betrieblichen (z. B. organisatorischen) oder wirtschaftlichen Belastung (z. B. wegen der hohen Lohnfortzahlungskosten) des Arbeitgebers führt. Hinzukommen muss, dass durch die Erkrankung erwartet werden muss, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft während eines erheblichen Zeitraums arbeitsunfähig erkrankt sein wird (negative Gesundheitsprognose).
Irrtum Nr. 11: Nach einer betriebsbedingten Kündigung erhält der Arbeitnehmer immer eine Abfindung
Falsch. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung für den Arbeitgeber, an den Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen, und zwar auch dann nicht, wenn er das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen (z. B. Rationalisierungsmaßnahmen) kündigt. Das gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer einvernehmlich beendet wird. Eine Ausnahme besteht dann, wenn aus Anlass einer Betriebsänderung ein Sozialplan abgeschlossen wurde, nach dem der betroffene Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung hat. Unter Umständen kann sich auch aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Abfindung ergeben.
Irrtum Nr. 12: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist ohne Zustimmung des Betriebsrats unwirksam
Auch das ist nicht richtig. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor einer Kündigung „lediglich“ anhören. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Im Rahmen der Anhörung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitteilen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Auch wenn der Betriebsrat der Kündigung widerspricht, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam kündigen.
Irrtum Nr. 13: Betriebsräte können nicht gekündigt werden
Falsch. Zwar genießen Betriebsräte einen besonderen Kündigungsschutz während ihrer Amtszeit und ein Jahr danach, allerdings kann sowohl eine außerordentliche fristlose als auch eine ordentliche Kündigung zulässig sein. Im Falle einer schwerwiegenden Verletzung des Arbeitsvertrags (z. B. Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot oder Diebstahl) kann der Betriebsrat außerordentlich gekündigt werden. In diesen Fällen muss das Betriebsratsgremium der Kündigung zustimmen. Eine ordentliche Kündigung von Arbeitnehmervertretern ist nur zulässig, wenn der gesamte Betrieb stillgelegt wird.