Rechtsprobleme an der Schule und im Unterricht
Schulpflicht, Handyverbot, Erziehungsmaßnahmen und Lehrerhaftung – Eltern und Kinder sollten Ihre Rechte und Pflichten kennen, bevor sie sich mit der Schulleitung anlegen. Verstöße gegen die Schulpflicht können drastisch sanktioniert werden. So darf ein Schwänzer unter Polizeieinsatz in die Schule gebracht werden.
I. Schule ist kein rechtsfreier Raum
Rechtsfragen im Schulalltag sind vielfältig
Eltern und Schüler sind gut beraten, sich ausführlich über ihre Rechte und Pflichten – sowie die der Lehrer und Schulleitung – zu informieren, bevor sie sich mit einzelnen Lehrern oder der Schulleitung anlegen. Andernfalls laufen sie Gefahr, das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern, aber auch den Schulfrieden insgesamt nachhaltig zu stören.
Wir geben deshalb Antworten auf alltägliche Schulrechtsprobleme. Diese beziehen sich auf die Rechtslage an staatlichen Schulen, nicht auf kirchliche oder private Schulen (z.B. Waldorf- oder Montessori-Schulen). Auf staatlich anerkannte Privatschulen können die schulrechtlichen Lösungen in der Regel allerdings entsprechend übertragen werden.
Schulrecht ist Landesrecht
Tritt ein rechtlicher Konflikt an einer Schule auf, müssen Sie stets bedenken, dass es keine einheitliche und abschließende Regelung des Schulrechts auf Bundesebene gibt. Schulgesetze, Erlasse und Verordnungen sind Sache der einzelnen Bundesländer. So finden sich teilweise zu den gleichen Themen recht unterschiedliche Regelungen (z.B. zur Schulwahl oder zur Dauer eines Schulverweises). Mitunter dürfen in den einzelnen Bundesländern auch die Schulen selbst eine Regelung treffen. Wenden Sie sich in diesem Fall an die Schulleitung.
Um eine schulrechtliche Frage, insbesondere im Bereich von Prüfungs- und Sanktionsrecht, abschließend prüfen zu können, müssen Sie deshalb stets das entsprechende Schulgesetz und gegebenenfalls die einschlägigen Rechtsverordnungen zur Hand nehmen (z.B. Abiturprüfungsverordnung).
Auf der Internetseite der Kultusministerkonferenz (KMK) finden Sie eine Übersicht über die jeweiligen Schulgesetze der Länder (www.kmk.org; Suchbegriff: Schulgesetze der Länder).
II. Was umfasst die Schulpflicht?
Wann beginnt und endet die Schulpflicht?
Die Schulpflicht beginnt grundsätzlich für alle Kinder, die bis zum 30.6. (in einigen Bundesländern ist Stichtag der 31.7., 31.8. oder 30.9.) das sechste Lebensjahr vollenden, am 1.8. desselben Jahres bzw. mit Beginn des neuen Schuljahres. Eine frühere Einschulung von Kindern, die in der Zeit bis zum 31.12. des Jahres sechs Jahre alt werden, ist möglich, wenn die Eltern dies beantragen und Schulreife vorliegt (sogenannte Kann-Kinder
).
Die Schulpflicht dauert grundsätzlich insgesamt zwölf Jahre. An die sogenannte Vollzeitschulpflicht
von neun bzw. zehn Jahren schließt sich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres die Berufsschulpflicht an. Diese kann durch die Teilnahme an einer Berufsausbildung, den Besuch einer berufsbildenden Schule oder den Besuch einer Oberstufe (Sekundarstufe II) an einer allgemeinbildenden Schule erfüllt werden.
Die Schulpflicht endet vor Ablauf von zwölf Jahren, wenn ein mindestens 1-jähriger beruflicher Bildungsgang erfolgreich abgeschlossen wurde. Auszubildende, die in einem Ausbildungsverhältnis in einem anerkannten Ausbildungsberuf stehen, sind für die Dauer der Ausbildung schulpflichtig. Das gilt grundsätzlich auch für volljährige Azubis.
Was heißt Schulpflicht aus Sicht der Eltern und der Kinder?
Eltern müssen ihre schulpflichtigen Kinder an einer staatlichen Grundschule oder einer anerkannten privaten Ersatzschule anmelden. Der Besuch einer staatlich nicht anerkannten Privatschule stellt eine Verletzung der Schulpflicht dar (VG Karlsruhe, Urteil vom 15.7.2008, 11 K 922/08 ). Sie haben zudem dafür zu sorgen, dass das Kind pünktlich zum Unterricht erscheint und die erforderlichen Arbeitsmaterialien mitbringt.
Die Kinder ihrerseits müssen die Schule regelmäßig besuchen und auch an verbindlichen schulischen Veranstaltungen teilnehmen, wie beispielsweise einer Klassenfahrt oder einem Ausflug ins Theater.
Dürfen Sie Ihr Kind allein unterrichten?
Nein. In Deutschland ist die Schulpflicht als Schulbesuchspflicht
ausgestaltet. Ein privater Unterricht zu Hause (sogenanntes Homeschooling
) stellt einen Verstoß gegen die Schulpflicht dar (OVG Bremen, Urteil vom 2.9.2009, 1 A 21/07 ). Dabei ist es unerheblich, welche Qualifikation Sie haben oder nach welchem Modell Ihr Kind unterrichtet werden soll.
Ein US-amerikanischer Staatsangehöriger und baptistischer Pastor meldete seine schulpflichtigen Kinder nicht zur Schule an, sondern ließ sie stattdessen am Fernunterricht der
Roanoke Baptist Church & Schoolteilnehmen. Er wurde zu einer erheblichen Geldbuße verurteilt (BayObLG, Beschluss vom 14.10.1999, 3 ObOWi 96/99 ).Aus religiösen, weltanschaulichen oder pädagogischen Gründen darf der Schulbesuch nicht verweigert und das Kind stattdessen zu Hause unterrichtet werden (VGH München, Beschluss vom 12.4.2010, 7 ZB 09.2369 ).
Was passiert bei Verstößen gegen die Schulpflicht?
Schüler, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen (z.B. weil sie dauerhaft schwänzen), können der Schule zwangsweise vorgeführt, das heißt von der Polizei abgeholt und zur Schule gebracht werden.
Daneben ist der Verstoß gegen die Schulpflicht eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße geahndet werden kann. Dies gilt nach einigen Landesgesetzen sowohl für den Schüler selbst (ab dem 14. Lebensjahr) als stets auch für die Erziehungsberechtigten, wenn sie verantwortlich dafür sind, dass ihr Kind die Schule nicht besucht (VG Aachen, Urteil vom 29.9.2006, 9 L 518/06 ). Auch Zwangsgeld oder Erzwingungshaft können in Betracht kommen.
Fehlen Schüler dauerhaft unentschuldigt im Unterricht, kann gegen die Eltern ein Zwangsgeld verhängt werden (z.B. in Baden-Württemberg pro Kind in Höhe von 1.000,00 €; VG Sigmaringen, Urteil vom 24.1.2012, 4 K 3901/09 und 4 K 33/12 ).
1-wöchige Erzwingungshaft gegen einen Vater, der seine Kinder aus religiösen Gründen nicht in die Schule schickte (VG Hamburg, Urteil vom 21.3.2006, 15 V 418/06 ).
Wer sein Kind der Schulpflicht gänzlich oder beharrlich entzieht, macht sich sogar strafbar. Hier drohen erhebliche Geldstrafen oder im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe.
Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung für eine Mutter, deren Sohn über 1000 Tage die Schule schwänzte (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 22.8.2013, 408 Ds 203/12 ).
Weigern sich Eltern aus religiösen Gründen beharrlich, ihre Kinder in die Grundschule zu schicken, um sie stattdessen zu Hause zu unterrichten, kann das zum (teilweisen) Entzug des Sorgerechts führen, das dann auf das zuständige Jugendamt übergeht (BGH, Urteil vom 11.9.2007, XII ZB 41/09, FamRZ 2008 S. 45).
Wer durch Schwänzen erhebliche Fehlzeiten verursacht, muss zudem damit rechnen, dass die Lehrer seine Leistungen nicht mehr ordnungsgemäß bewerten können. Die Klassenkonferenz kann in diesem Fall beschließen, in einzelnen Fächern Sechsen zu vergeben. Folge: Die Versetzung ist ausgeschlossen.
Können Sie die Schule und die Klasse frei wählen?
Entscheidend für die Schulwahl sind die jeweiligen Landesregelungen. So müssen Sie sich als Eltern mitunter einer Schulempfehlung beim Besuch weiterführender Schulen beugen, auch wenn Sie damit nicht einverstanden sind.
Ihr Kind erhält aufgrund seiner Leistungen in der 4. Klasse lediglich eine Empfehlung zum Besuch der Realschule statt zum angestrebten Besuch des Gymnasiums.
Eltern haben in vielen Bundesländern kein Letztentscheidungsrecht bei der Beurteilung der Eignung ihres Kindes. Der Gesetzgeber darf das elterliche Recht zur Auswahl der Schulform einschränken, wenn zu befürchten ist, dass das Kind dort leistungsmäßig überfordert sein wird.
Der Schulbesuch darf von einer Eignungsprüfung des Kindes abhängig gemacht werden. Eine Prognose, die auf dem Verhalten des Kindes in der Grundschule sowie einem zusätzlichen Überprüfungsverfahren durch unabhängige weitere Lehrkräfte beruht, ist dabei zulässig (OVG Münster, Urteil vom 2.8.2007, 19 B 1058/07 ).
Auch die Frage, ob Sie Ihr Kind auf die
Wunschschule
schicken können, richtet sich nach Landesregelungen. Ein Aufnahmeanspruch in die betreffende Schule besteht nur, wenn die Aufnahmekapazitäten ausreichen (OVG Hamburg, Beschluss vom 8.8.2011, 1 Bs 137/11 ). Gibt es beispielsweise für eine von der Schule angebotene Klasse mit besonderem Unterrichtsschwerpunkt (z.B. bilingualer Unterricht) einen Bewerberüberhang, muss die Schule ein Auswahlverfahren durchführen, das eine Ungleichbehandlung vermeidet (z.B. Auswahl in einem anonymen Losverfahren).
Sie haben auch keinen Anspruch auf die Wahl der
Wunschklasse
.
Kinder haben keinen Anspruch auf die Zuweisung in eine bestimmte Grundschulklasse, selbst wenn mit der Zuweisung in eine Außenstelle der Grundschule ein verlängerter Schulweg verbunden ist (VG Stuttgart, Urteil vom 25.9.2012, 12 K 3033/12 ).
Als Eltern können Sie auch nicht beanspruchen, dass Ihr Kind in eine Klasse kommt, die nur einen bestimmten Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunft aufweist (VG Berlin, Urteil vom 26.9.2013, 3 K 269.12, 3 K 270.12, 3 K 271.12 ).
Streit und Tätlichkeiten zwischen Schülern führen nicht zu einem Anspruch auf Zuweisung in eine bestimmte Klasse (VG Stuttgart, Urteil vom 16.11.2011, 12 K 2286/11 ).
In welchem Umfang müssen Sie Unterrichtsausfall hinnehmen?
Fällt Unterricht aus (z.B. wegen Krankheit des Lehrers), können Sie nicht verlangen, dass verlorene Unterrichtszeit nachgeholt wird. Die Schule muss sich aber bemühen, für Vertretungsregelungen zu sorgen. Das gilt insbesondere, wenn der Unterrichtsausfall vorhersehbar ist (z.B. geht der Mathelehrer Ihres Kindes mit seiner eigenen Klasse auf Klassenfahrt). Für jüngere Schüler muss gewährleistet sein, dass sie in der Schule betreut und nicht vorzeitig nach Hause geschickt werden.
Was gilt im Krankheitsfall?
Kann Ihr Kind wegen Krankheit nicht am Unterricht teilnehmen, müssen Sie die Schule sofort informieren (z.B. rufen Sie vor Unterrichtsbeginn den Klassenlehrer oder im Sekretariat an) und eine schriftliche Entschuldigung nachreichen. Volljährige Schüler dürfen ihre Entschuldigungen selbst schreiben.
Bei ansteckenden Erkrankungen, insbesondere solchen, die unter das Seuchengesetz fallen (z.B. Läusebefall), kann die Schule verlangen, dass das Kind die Schule erst wieder besucht, wenn der Arzt schriftlich attestiert, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.
Zweifelt die Schule den Entschuldigungsgrund an, ist auf Verlangen ein ärztliches, eventuell sogar ein amtsärztliches Attest vorzulegen.
Was gilt für die Freistellung vom Unterricht?
Grundsätzlich sind die Schüler zur Teilnahme am gesamten Unterricht verpflichtet. Unterrichtsbefreiungen kommen nur ausnahmsweise bei drohenden schwerwiegenden (z.B. psychischen) Beeinträchtigungen des Schülers in Betracht.
Auch wenn in der Deutschlektüre von
Krabatund dem dazugehörigen Film von schwarzer Magie die Rede ist, können religiöse Eltern (hier: Zeugen Jehovas) ihr Kind deshalb nicht vom Unterricht befreien lassen (BVerwG, Urteil vom 11.9.2013, 6 C 12.12).
Folgende Fächer sind für die Frage der Unterrichtsbefreiung in der Praxis besonders relevant.
Religions-/Ethikunterricht
Der Religionsunterricht ist in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden geregelt, sodass es auf die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ankommt:
-
Ist die Teilnahme am Religionsunterricht nach Landesrecht verpflichtend, fällt der Besuch des Unterrichts unter die Schulpflicht.
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Ist die Teilnahme am Religionsunterricht freiwillig, können Sie selbst entscheiden, ob Ihr Kind am Religionsunterricht teilnimmt. Allerdings haben Sie keinen Anspruch darauf, dass der Religionsunterricht in die Randstunden gelegt wird, damit den nicht teilnehmenden Kindern eine Freistunde erspart wird (BVerwG, Beschluss vom 8.4.1993, 6 B 82/92 ).
Der Schulleiter einer Bekenntnisschule darf die Schulaufnahme eines Schülers einer anderen Religion grundsätzlich davon abhängig machen, dass sich seine Eltern mit der Teilnahme des Schülers am Religionsunterricht und an Schulgottesdiensten einverstanden erklären (z.B. Aufnahme eines muslimischen Schülers in eine katholische Grundschule; OVG Münster, Beschluss vom 4.9.2013, 19 B 1042/13 ).
In einigen Bundesländern wurde ein gemeinsamer bekenntnisfreier, also weltanschaulich neutraler Ethikunterricht für alle Kinder – gleich welcher religiösen Herkunft – eingeführt. Er wird üblicherweise zusätzlich zum Religionsunterricht angeboten oder tritt an dessen Stelle. Ethikunterricht als Pflichtfach ohne Abmeldemöglichkeit ist zulässig (BVerfG, Beschluss vom 15.3.2007, BvR 2780/06 ).
Einen Anspruch darauf, dass Ethikunterricht als Schulfach eingeführt wird, haben Eltern jedoch nicht. Der Staat darf selbst entscheiden, wie er seinen Erziehungsauftrag ausfüllt und ab welcher Klasse beispielsweise Ethik als Schulfach angeboten wird (VGH Mannheim, Urteil vom 23.1.2013, 9 S 2180/12 ).
Sexualkundeunterricht
Die individuelle Sexualerziehung gehört in erster Linie zum Erziehungsrecht der Eltern. Doch auch die Schule darf aufgrund ihres staatlichen Erziehungsauftrags Sexualkundeunterricht auf der Basis landesrechtlicher Gesetze durchführen (BVerfG, Beschluss vom 31.5.2006, 2 BvR 1693/04, FamRZ 2006 S. 1094).
Sexualkunde darf ohne vorherige Zustimmung der Eltern unterrichtet werden. Sie sollen aber rechtzeitig vorher über den Inhalt und den methodisch-didaktischen Weg der Sexualerziehung in der Schule informiert werden (z.B. auf einem Elternabend, auf dem das Sexualkundebuch vorgestellt wird).
Eine Befreiung vom Sexualkundeunterricht kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht, wenn diese Unterrichtseinheit für den Schüler aus besonderen persönlichen Gründen unzumutbar ist. Religiöse Gründe reichen dafür grundsätzlich nicht aus.
Ein Biologie-Schulbuch darf Bilder nackter Jungen und Mädchen zur Veranschaulichung der Veränderungen in der Pubertät sowie Erläuterungen zu verschiedenen Verhütungsmitteln enthalten. Ein in einem strenggläubigen katholischen Elternhaus aufgewachsener Schüler wird deshalb nicht vom Unterricht befreit, auch wenn Eltern die Passagen in dem Schulbuch für Kinderpornografie halten (VG Münster, Urteil vom 16.6.2006, 1 K 411/06 ).
Bleibt ein schulpflichtiges Kind dem Unterricht an mehreren Tagen fern, weil sein Vater den durchgeführten Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen missbilligt, stellt das eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. oben; OLG Hamm, Beschluss vom 8.4.2013, 3 RBs 360/12).
Sportunterricht
Grundsätzlich gehört auch der Sportunterricht zum Erziehungsauftrag der Schule, sodass die Teilnahme zur Erfüllung der Schulpflicht gehört. Die Voraussetzungen zur Befreiung vom Sportunterricht sind in den jeweiligen Landesgesetzen abschließend geregelt. Dies ist in der Regel möglich, wenn die Teilnahme dem Schüler aus besonderen Gründen unzumutbar ist (z.B. aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen).
Kommt es zum Streit über die Frage der Teilnahme am Sportunterricht, prüfen die Gerichte die Begründung im Einzelfall genau. So muss auch der im Rahmen des Schulsports angebotene Schwimmunterricht vom Schüler besucht werden, wenn keine Befreiung vom Schulsport vorliegt.
Muslimische Schülerinnen können regelmäßig keine Befreiung vom gemeinsamen (koedukativen) Schwimmunterricht von Mädchen und Jungen verlangen, wenn Ihnen die Möglichkeit offensteht, hierbei einen Ganzkörperbadeanzug (
Burkini) zu tragen (BVerwG, Urteil vom 11.9.2013, 6 C 25.12).
Haben Sie einen Anspruch auf Koedukation?
Grundsätzlich haben Eltern keinen Anspruch darauf, dass Mädchen und Jungen durchgehend gemeinsam unterrichtet werden. Getrennter Unterricht ist zulässig, wo er pädagogisch sinnvoll ist und Schüler zielgerichtet fördert (z.B. im Fach Sport; VG Berlin, Urteil vom 24.7.2013, VG 3 L 494.13).
Was gilt für Schulausflüge und Klassenfahrten?
Die Schulpflicht umfasst auch die Teilnahme an verbindlichen schulischen Veranstaltungen (z.B. Theater- oder Museumsbesuch). Das gilt allerdings grundsätzlich nur für Schulveranstaltungen während der Unterrichtszeit. Die Teilnahme an anderen Schulveranstaltungen ist freiwillig. Besonderheit: In Bremen und Hamburg erstreckt sich die Schulpflicht auch auf die Teilnahme an Klassenfahrten (z.B. VG Bremen, Urteil vom 6.10.2010, 1 K 256/08; VG Hamburg, Urteil vom 20.4.2012, 15 E 1056/12).
Nehmen Schüler nicht an einer Klassenfahrt teil, müssen sie den Schulunterricht weiter besuchen (z.B. in einer Parallelklasse). Das gilt auch für Schüler, die sich auf Klassenfahrten nicht an die Regeln halten und vom Lehrer nach Hause geschickt worden sind.
Können Eltern die Klassenfahrt nicht finanzieren, gibt es in den meisten Bundesländern Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung durch die Behörde. Erkundigen Sie sich bei Bedarf bei der zuständigen Schulbehörde.
Eigenmächtige Urlaubsverlängerung ist problematisch
Eltern müssen dafür sorgen, dass ihr Kind am Schulunterricht teilnimmt. Eigenmächtig genommene Urlaubstage oder Urlaubsverlängerungen außerhalb der Schulferien stellen einen Verstoß gegen die Schulpflicht dar und sind unzulässig. Die Fahrt in den Urlaub auch nur einen Tag vor Beginn der Ferien ist daher ebenso verboten wie die verspätete Rückkehr (z.B. um einen günstigeren Flug buchen zu können) und kann eine empfindliche Geldbuße nach sich ziehen.
Je nach Bundesland macht die mögliche Strafe mehrere Hundert Euro pro Kind aus (z.B. in Bayern bis zu 1.000,00 €; in Rheinland-Pfalz sogar bis zu 1.500,00 €).
Wer erstmalig erwischt wird, wird zunächst verwarnt, gegebenenfalls folgt ein Eintrag ins Zeugnis. Erst im Wiederholungsfall werden die Schul- und Ordnungsämter informiert und die Bußgelder verhängt.
Auch das Nachreichen eines ärztlichen Attests ändert an der verbotenen Urlaubsverlängerung nichts, wenn Ihr Kind statt die Schule zu besuchen bereits mit in den Urlaub gefahren ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.2.1996, 5 Ss (OWi) 380/95).
Ersuchen Sie in besonderen Fällen die Schulleitung rechtzeitig um eine Unterrichtsbefreiung (z.B. Fest anlässlich der goldenen Hochzeit der Großeltern). Einen Anspruch darauf haben Sie aber nicht.
III. Wie steht es mit der Leistungsbeurteilung?
Was gilt für die Hausaufgaben?
Hausaufgaben machen gehört zur Schulpflicht. Sie sind als Unterrichtsergänzung und Lernkontrolle ein Muss. Weigert sich ein Schüler nachhaltig, dem nachzukommen, kann er mit pädagogischen Maßnahmen und – wenn diese nicht fruchten – sogar mit Ordnungsmaßnahmen belegt werden.
Es gibt keine starren gesetzlichen Vorgaben, wie viel Hausaufgaben erlaubt sind. Doch sollten Hausaufgaben grundsätzlich so bemessen werden, dass sie wie folgt erledigt werden können.
1. und 2. Klasse: 30 Minuten/Tag; 3. und 4. Klasse: 60 Minuten/Tag; 5. und 6. Klasse: 90 Minuten/Tag; 7. bis 10. Klasse: 120 Minuten/Tag; Ab 11. Klasse: keine Zeitempfehlung.
Über das Wochenende (also von Freitag auf Montag) sollten Hausaufgaben nur dann aufgegeben werden, wenn der Freitagnachmittag und Samstag unterrichtsfrei ist.
In der Regel werden Hausaufgaben nicht benotet, da sie unter anderen Umständen erstellt werden als die übrigen Klassenarbeiten. Hausaufgaben sollten aber regelmäßig von den Lehrern überprüft und für die weitere Arbeit im Unterricht ausgewertet werden. Dadurch fließen sie auch in die pädagogische Gesamtbeurteilung eines Schülers mit ein.
Was gilt für Klassenarbeiten?
Wie viele Klassenarbeiten pro Fach und pro Woche geschrieben werden dürfen, regelt jedes Bundesland in Erlassen oder Richtlinien.
Leidet der Schüler unter dauerhaften schweren körperlichen Behinderungen oder vergleichbaren Dauerleiden, ist eine Schreibzeitverlängerung zulässig.
Dies gilt für Legastheniker, sofern die Lese- und Rechtschreibschwäche amtsärztlich attestiert ist (VGH Kassel, Beschluss vom 17.11.2010, 7 A 2970/09.Z).
Bei der Notenvergabe haben Lehrer einen weiten Ermessensspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt auf folgende Punkte überprüft werden kann:
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die richtige Anwendung von Rechtsvorschriften (z.B. ob ein bestehender Ermessensspielraum auch ausgeübt wurde);
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die Zugrundelegung des richtigen Sachverhalts;
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die Einhaltung der allgemeingültigen Bewertungsgrundsätze;
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Musterlösungen dürfen keine absolut verbindlichen Vorgaben sein, sondern lediglich Orientierungshilfen (z.B. die Abschlussarbeit in Mathe wird lediglich mit der Note Fünf bewertet. Die korrigierende Lehrerin lässt den Lösungsweg nicht gelten, weil er der Musterlösung nicht entspricht. Kann jedoch nachgewiesen werden, dass auch die vom Schüler verwendete Rechenmethode vertretbar ist, muss die Note aufgehoben und die Arbeit neu beurteilt werden).
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Eine unleserliche Schrift darf zu einer Abwertung der Arbeit führen.
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das Fehlen von sachfremden oder willkürlichen Erwägungen (z.B. darf sich Sympathie oder Antipathie gegenüber einem Schüler nicht in der Bewertung niederschlagen);
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die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes.
Ungleiche Prüfungsbedingungen wirken sich auf das Leistungsvermögen aus (z.B. schreibt ein Teil der Schüler eine Arbeit unter erheblichen Lärmbelästigungen wegen Bauarbeiten).
Der Ermessensspielraum der Lehrer ist im Fall der Leistungsverweigerung seitens des Schülers jedoch gleich null. Bleibt ein Schüler unentschuldigt der Klausur fern oder gibt er ein leeres Blatt ab, ist die Note Sechs gerechtfertigt.
Noten sind grundsätzlich anfechtbar. Entscheidend ist, ob die erstrebte Verbesserung der Note für die weitere Schullaufbahn Bedeutung hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie für den Schulabschluss relevant ist (BVerwG, Beschluss vom 25.4.1983, 7 B 179/82).
Eine Sechs hat Einfluss auf die weitere Schullaufbahn, wenn sie für eine Nichtversetzung verantwortlich ist.
Noten wurden auch dann als selbstständig gerichtlich anfechtbar angesehen, wenn sie die Chancen im Berufsleben verbessern oder verschlechtern (OVG Münster, Beschluss vom 22.1.2001, 19 A 1901/00).
Wollen Sie sich gegen eine Note zur Wehr setzen, müssen Sie dagegen Widerspruch einlegen.
Da Lehrern ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist, sollten Sie sehr gewichtige Argumente vortragen können, wenn Sie gegen eine Note vorgehen bzw. klagen wollen. Die pauschale Behauptung, der Lehrer sei pädagogisch unfähig, reicht nicht aus – selbst wenn dies inhaltlich zutrifft (VG München, Urteil vom 17.7.2000, 3 K 1251/00).
Was gilt, wenn geschummelt und gespickt wird?
Wer unerlaubterweise bei Klassenarbeiten und sonstigen Prüfungen abschreibt oder schummelt (z.B. einen Spickzettel oder ein Handy mit in die Prüfung nimmt), dem kann ein Täuschungsversuch vorgeworfen werden. Dies führt regelmäßig dazu, dass die Prüfungsleistung mit ungenügend
bewertet wird. Gleiches gilt auch für denjenigen, der anderen Schülern beim Schummeln hilft.
Aus der Tasche des Lehrers wird die Lösung der Prüfungsarbeit genommen, damit ein Mitschüler sie abfotografieren kann (VGH Kassel, Beschluss vom 13.10.2011, 7 D 1692/11).
In diesen Fällen darf eine Notensanktion ausgesprochen werden (z.B. wenn ein Schüler bei einer schriftlichen Arbeit eine Täuschung oder einen Täuschungsversuch via Handy begeht).
Allerdings ist zwischen mündlicher und schriftlicher Prüfung zu unterscheiden: Die Bewertung einer mündlichen Abschlussprüfung mit der Sanktionsnote ungenügend
ist auch beim Mitführen eines Handys nicht in jedem Fall gerechtfertigt (VG Karlsruhe, Urteil vom 29.6.2011, 7 K 3433/10).
Was gilt, wenn plagiiert wird?
Werden prüfungsrelevante Arbeiten oder Referate per copy & paste
vollständig und unverändert etwa aus dem Internet kopiert, stellt dies ebenfalls einen Täuschungsversuch dar, sofern die Quelle nicht zitiert wird. Werden nur einzelne Passagen ungekennzeichnet übernommen, hängen die sich daraus ergebenden Konsequenzen vom Umfang der Verwendung fremder Textpassagen und von der Klassenstufe ab.
Ein entsprechender Verstoß kann mit der Vergabe einer schlechteren Note sanktioniert werden. Das gilt insbesondere, wenn im Unterricht die Kennzeichnung zitierter Textpassagen bereits behandelt wurde.
Was Sie zum Zeugnis wissen sollten
Zeugnisnoten und Zeugnisbemerkungen müssen nachvollziehbar sein und auf Tatsachen beruhen. Zeugnisse – auch die von Grundschülern – dürfen dabei auch Nachteiliges enthalten (z.B. Hinweise auf Lerndefizite, Mängel im sozialen Verhalten oder auf sonstiges Fehlverhalten). Ausnahme: Bewerbungs-/Abschlusszeugnisse sollen keine nachteiligen Bemerkungen enthalten, um das berufliche Fortkommen des Schülers nicht zu behindern.
Sind Sie mit der Beurteilung Ihres Kindes im Zeugnis nicht einverstanden, können Sie es anfechten, also zunächst Widerspruch einlegen. Hier gelten folgende Grundsätze:
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Eine einzelne Note ist anfechtbar, wenn sie für das schulische oder berufliche Fortkommen relevant ist (Leistungsbeurteilung).
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Einzelne negative Bewertungen sind ebenfalls selbstständig anfechtbar (z.B. hinsichtlich des Sozialverhaltens). Das Gericht überprüft hier, ob die Beurteilung auf zutreffenden Tatsachen beruht und die allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätze eingehalten worden sind.
Das Sozialverhalten eines Schülers darf nicht deswegen negativ bewertet werden, weil er insgesamt ein zurückhaltender Mensch ist und an freiwilligen Freizeitaktivitäten seiner Klasse nicht teilgenommen hat (VG Braunschweig, Urteil vom 18.2.2004, 6 A 106/03).
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Ein Schulzeugnis insgesamt können Sie angreifen, wenn beispielsweise die Versetzung ausgeschlossen ist.
Bei der Vergabe von Zeugnisnoten sind die Lehrer allerdings nicht strikt an die sich aus den mündlichen und schriftlichen Leistungen ergebende rechnerische Gesamtnote gebunden. Sie haben bei der Notenvergabe in pädagogischer Verantwortung eine Gesamtbewertung vorzunehmen, die die Beobachtungen im Unterricht sowie die Lern- und Leistungsentwicklung berücksichtigt.
Ein Abweichen
nach untenist zulässig. Ein Durchschnitt von 4,41 kann zur Notemangelhaftim Zeugnis führen (VG Braunschweig, Urteil vom 10.8.2010, 6 B 149/10).
Wenn die Versetzung gefährdet ist
Ob und wann ein Schüler mit schlechten Noten (noch) versetzt wird, ist in einzelnen Landesschulverordnungen geregelt. In den meisten Bundesländern gelten folgende Grundsätze:
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Wer wegen krankheitsbedingten Fehlens Fünfen und Sechsen bekommen hat, kann trotzdem versetzt werden, wenn die Klassenkonferenz dies genehmigt.
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Mit einer Fünf im Zeugnis wird versetzt, wer in allen anderen Fächern mindestens eine Vier hat.
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Mit zwei Fünfen im Zeugnis wird versetzt, wer in zwei Ausgleichsfächern mindestens eine Drei hat (VG Mainz, Urteil vom 8.6.2008, 6 L 654/08.MZ). Aber: Auch hier muss die Klassenkonferenz der Versetzung zustimmen. Ausgleichsfächer müssen in etwa gleichwertig sein. Das richtet sich beispielsweise nach der Anzahl der Unterrichtsstunden oder nach Unterteilung in Haupt- und Nebenfach.
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Eine Sechs kann durch eine Zwei oder zwei Dreien in Ausgleichsfächern wettgemacht werden, wenn die Klassenkonferenz zustimmt.
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Drei Fünfen oder zwei Sechsen können nicht ausgeglichen werden, das heißt, eine Versetzung in die nächste Klasse ist ausgeschlossen.
Leidet ein Schüler an einer Lese- und Rechtschreibschwäche oder einer Rechenschwäche, schützt das nicht vor schlechten Noten in Deutsch bzw. Mathematik. Das gilt auch dann, wenn dadurch die Versetzung gefährdet ist (VG Braunschweig, Urteil vom 16.4.2013, 6 A 204/12).
IV. Was gilt für typische Alltagsprobleme in der Schule?
4.1. Handynutzung
Dürfen die Schulen die Handynutzung regeln?
Üblicherweise bestehen Regeln für den Umgang und die Nutzung von Handys an den Schulen. Das gilt auch für vergleichbare elektronische Geräte (z.B. Smartphones, Tablett-PC), aber auch für Spielkonsolen oder MP3-Player. Die Nutzung darf grundsätzlich kontrolliert, eingeschränkt und in bestimmten Fällen untersagt werden.
Sind die Geräte im Unterricht verboten, müssen sie ausgeschaltet bleiben. Einige Schulordnungen sehen darüber hinaus vor, dass Handys auch auf dem Pausenhof ausgeschaltet sein müssen (z.B. Schutz vor dem Austausch von Gewaltvideos). Da Pausen Bestandteil des Schulunterrichts sind, über den die Schulleitung bestimmen darf, ist auch eine solche Anweisung rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei Klassenarbeiten darf die Mitnahme des Handys verboten werden, wenn ein Schüler die Toilette aufsucht. Damit soll der Einsatz als
elektronischer Spickzettelunterbunden werden.
Wer gegen die Nutzungsregeln verstößt, trägt die Konsequenzen. Dies ist vergleichbar mit sonstigen Verstößen gegen die Schul- und Hausordnung. In der Regel wird der störende Gegenstand eingezogen und verwahrt. Er muss dem Schüler am Ende des Unterrichts aber zurückgegeben werden.
Darf die Schule ein generelles Handyverbot aussprechen?
Nein, das wäre unzulässig. Ein solches Verbot ist mit dem Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht zu begründen. Denn ein ausgeschaltetes Handy ist nicht schulordnungswidrig. Zudem haben Eltern unter Umständen ein berechtigtes Interesse, ihre Kinder vor Schulbeginn oder nach Schulende zu erreichen (z.B. in einem Notfall, bei Fragen der Sicherheit oder des Schulweges).
Ausnahme: Bei schulischen Abschlussprüfungen gilt bereits das Mitführen eines Handys in die Prüfung als Täuschungshandlung, insbesondere für Smartphones mit potenziell unterstützenden Apps. Diese Geräte sollten gar nicht erst zur Prüfung mitgenommen werden.
Dürfen Lehrer Handys einbehalten?
Ja. Denn der Lehrer ist für die Durchsetzung der Hausordnung zuständig. Typischer Fall: Ein Lehrer erwischt während des Unterrichts einen Schüler, der eine WhatsApp-Nachricht schreibt, ein Video ansieht, ein Spiel spielt oder Musik hört.
Dürfen Lehrer das eingezogene Handy anschauen oder durchsuchen?
Nein. Das ist absolut verboten! Ein Lehrer darf das Gerät lediglich in Gewahrsam nehmen. Er darf es weder durchsuchen noch verschickte oder erhaltene Nachrichten ansehen. Was der Schüler privat auf seinem Handy speichert, ist seinem Privatleben zuzuordnen, solange er die Inhalte für sich behält und in der Schule nicht verbreitet. Hier gehen der Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses und das Recht des Schülers auf informelle Selbstbestimmung vor.
Das Durchsuchungsverbot für Lehrer gilt selbst dann, wenn dieser den begründeten Verdacht hat, dass mit dem Handy eine Straftat gefilmt wurde (z.B. prügeln zwei Schüler auf einen dritten ein). Er muss in diesem Fall die Polizei verständigen. Nur sie bzw. die Staatsanwaltschaft sind berechtigt, das Gerät zu durchsuchen.
Muss die Schule das Handy zurückgeben?
Ja. Am Ende des Schultags kann sich der Schüler das Gerät üblicherweise im Sekretariat abholen. Je nach den Umständen des Einzelfalls darf es auch nur an die Eltern ausgehändigt werden.
Bei wiederholten Verstößen gegen das Nutzungsverbot oder wenn der Vorfall aus anderen Gründen besonders schwer wiegt, etwa Gewaltvideos oder pornografische Videos bzw. Fotos auf dem Mobilfunkgerät gezeigt werden.
Verlangt ein Elternteil die Herausgabe des Handys, sollte das friedlich geschehen. Kommt es dabei zu Handgreiflichkeiten gegen den Rektor, darf ein Hausverbot verhängt werden (VG Mainz, Urteil vom 5.7.2013, 6 L 744/13.MZ).
4.2. Rauchverbot
In vielen Bundesländern gilt ein absolutes Rauchverbot an Schulen. Damit ist das Rauchen grundsätzlich für Schüler und Lehrer auf dem gesamten Schulgelände verboten (OVG Brandenburg, Urteil vom 9.8.2012, 4 B 29.10), also auch in ehemaligen Raucherecken
auf dem Schulhof oder im Lehrerzimmer. Unter das Rauchverbot fallen auch elektronische Zigaretten (VG Gießen, Urteil vom 20.2.2013, 5 K 455/12.GI).
Die gesetzlichen Regelungen sind in den einzelnen Bundesländern verschieden, zum Teil sind Ausnahmen vorgesehen (z.B. für Lehrer auf Klassenfahrten). Einige Bundesländer verzichten auf gesetzliche Lösungen. Dann bleibt es der Schule überlassen, ob sie ein Rauchverbot bestimmt oder nicht.
Wer trotz Verbots auf dem Schulhof raucht, muss zumindest damit rechnen, den Schulhof fegen zu müssen und im Wiederholungsfalle eine Strafarbeit oder einen Verweis zu kassieren. In einigen Bundesländern gelten Verstöße gegen das Rauchverbot auch als Ordnungswidrigkeit. Dann droht eine Geldbuße, in Bremen sind das beispielsweise bis zu 500,00 €.
4.3. Gewalt und Kriminalität
Mobbing/Cyber-Mobbing
Wer seine Mitschüler in sozialen Netzwerken oder Foren gezielt beleidigt oder angreift oder einen Klassenkameraden (unerlaubt) auf der Toilette filmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Je nach Schwere des Verstoßes reichen diese von der Versetzung in eine Parallelklasse (VG Köln, Urteil vom 19.4.2011, 10 L 488/11, MMR 2012 S. 275) bis zum zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht (VG Stade, Urteil vom 9.1.2012, 4 B 55/12).
In Extremfällen ist sogar ein Schulverweis möglich (VGH Mannheim, Beschluss vom 12.5.2011, 9 S 1056/11).
Beim sogenannten
Handy-Slappingwird grundlos auf eine andere Person eingeschlagen. Die Prügelei wird in kurzen Filmsequenzen per Handy festgehalten und in entsprechenden Kreisen verbreitet. Dem Schläger, aber auch den Schülern, die bei der Schlägerei anfeuern oder den Film verbreiten helfen, droht ein Schulverweis.
Besucht der Täter
eine Privatschule, muss sogar mit der sofortigen Suspendierung vom Unterricht und Kündigung des Schulvertrages zum Schuljahresende ohne Rückerstattung der Schulgebühren gerechnet werden (LG Lüneburg, Urteil vom 15.12.2006, 4 S 59/06 ).
Gewalt unter Schülern
Bei schulbezogenen Verletzungen, die durch harmlose und altersentsprechende Spielereien, Neckereien, Rangeleien und Raufereien unter Schülern entstehen, wird es in der Regel zu einem Gespräch mit den Eltern des Täters
oder kleineren Sanktionen kommen (z.B. Strafarbeit, Klassenbucheintrag).
Anders aber bei vorsätzlicher Gewaltanwendung. Einem gewalttätigen Schüler droht der sofortige Schulausschluss.
Ein Schüler begeht fortgesetzt Handgreiflichkeiten gegen jüngere Mitschüler (VG München, Urteil vom 3.7.2012, M 3 K 10.5320).
Ein Schüler bedrängt eine Mitschülerin sexuell und schlägt sie anschließend (VG Berlin, Urteil vom 8.3.2006, 3 A 80.06).
Ein Schüler droht gegenüber seinen Mitschülern (VG München, Urteil vom 6.11.2012, M 3 K 12.2466) bzw. im Internet einen Amoklauf an (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.1.2010, 2 ME 444/09).
V. Welche Sanktionen sind möglich?
5.1. Ordnungsmaßnahme oder pädagogische Maßnahme?
Als Sanktionen kommen – je nach Art und Schwere des Verstoßes – pädagogische oder Ordnungsmaßnahmen in Betracht:
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Pädagogische Maßnahmen sind Erziehungsmittel, über deren Einsatz der Lehrer oder die Klassenkonferenz selbst entscheiden können (z.B. Eintrag ins Klassenbuch, Strafarbeit, Nachsitzen). Sie sind zulässig, wenn Schüler den Unterricht stören oder in anderer Weise ihre Pflichten verletzen (z.B. wiederholt keine Hausaufgaben machen).
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Über die gesetzlich geregelten Ordnungsmaßnahmen, wie beispielsweise das Zurückschicken von einer Klassenfahrt (VG Augsburg, Urteil vom 22.1.2013, Au 3 K 12.1164), die Überweisung in eine Parallelklasse oder eine andere Schule, den Verweis oder einen Schulausschluss, entscheidet die Schule und dort in der Regel die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung.
Nur in besonderen Eilfällen darf die Schulleitung anstelle der an sich zuständigen Klassenkonferenz die Ordnungsmaßnahme anordnen (z.B. beging ein Schüler nachweisbar gefährliche Straftaten). Liegt ein konkreter Tatnachweis (noch) nicht vor, muss zuvor die Klassenkonferenz eingeschaltet werden (VG Braunschweig, Urteil vom 6.7.2005, 6 B 398/05).
5.2. Das gilt im Einzelnen
Eintrag ins Klassenbuch
Nicht erledigte Hausaufgaben, unentschuldigtes Fehlen oder Stören des Unterrichts rechtfertigen grundsätzlich einen Eintrag ins Klassenbuch als pädagogische Maßnahme. Halten Sie den Vorwurf für unberechtigt, können Sie eine Gegenvorstellung erheben. Der Lehrer hat dann seine Entscheidung zu überprüfen.
Strafarbeit
Strafarbeiten sind pädagogische Maßnahmen. Sie sind unzulässig, wenn sie entwürdigenden Charakter haben und kein pädagogischer Nutzen mehr feststellbar ist (z.B. das 10-fache Abschreiben der Schulordnung).
Nachsitzen
Nachsitzen ist eine pädagogische Maßnahme, die bei Verstößen gegen die Schulordnung in Betracht kommt (z.B. bei erheblichen Störungen des Unterrichts).
Das Nachsitzen erfolgt außerhalb der regulären Schulzeit. Einfluss auf den Termin hat man nicht. Bei jüngeren Kindern kann aber vom Lehrer erwartet werden, dass die Eltern vorher verständigt werden, damit diese nicht in Sorge um den Verbleib ihres Kindes sind.
Verlässt der Schüler die Schule vor Ablauf der nachzusitzenden Zeit, verletzt er damit die Schulpflicht.
Verweis
Der schriftliche Verweis ist eine Ordnungsmaßnahme. Nicht zu verwechseln ist er mit dem Schulverweis, der einen Schulausschluss zur Folge hat.
Beim Verweis handelt es sich um eine
Gelbe Karte
im Schulrecht. Hierbei wird eine schriftliche Ermahnung des Schülers in die Schulakte aufgenommen. Der Verweis hat aber darüber hinaus zunächst keine weiteren tatsächlichen Auswirkungen. Rechtlich dient er allerdings als Nachweis, um strengere Ordnungsmaßnahmen folgen lassen zu können (z.B. setzt der Schüler das beanstandete Verhalten trotz des Verweises fort).
Überweisung in Parallelklasse
Die Überweisung in eine Parallelklasse stellt eine Ordnungsmaßnahme dar, der in den meisten Bundesländern die Schulleitung zustimmen muss. Die Versetzung in eine Parallelklasse kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Klassenfrieden nachhaltig gestört ist.
Die Eltern eines Schülers kritisierten das Verhalten der Klassenlehrerin mehrfach massiv, erhoben über ihren Anwalt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie und zeigten sie bei der Polizei an. Die Klassenlehrerin und andere Eltern der Klasse nahmen sich ebenfalls einen Rechtsanwalt. Offenbar wegen dieser Spannungen erkrankte die Lehrerin wiederholt. Alle Gesprächsversuche, auch im Rahmen von Klassenkonferenzen und Elternversammlungen, scheiterten. Hier kam nach Ansicht des Gerichts nur die Trennung der am Streit Beteiligten in Betracht: Der Schüler wurde in eine Parallelklasse versetzt (OVG Bremen, Beschluss vom 10.9.2002, 2 B 305/02, NJW 2003 S. 1962).
Ob eine Überweisung in eine andere Schule oder in eine Parallelklasse in Betracht kommt, steht im Ermessen der Schulleitung und richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Die Überweisung stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar, gegen den Sie mit Widerspruch und gegebenenfalls Anfechtungsklage vorgehen können (VGH München, Beschluss vom 23.5.1990, 7 Cs 90.838).
Überweisung in andere Schule
Die Überweisung in eine andere Schule derselben Schulform ist eine Ordnungsmaßnahme. Sie kommt bei einer groben Pflichtverletzung des Schülers in Betracht.
Der Schüler stört den Unterricht nachhaltig, verweigert die von ihm geforderten Leistungen oder bleibt dem Unterricht unentschuldigt fern.
Weiter muss durch das Fehlverhalten des Schülers der Schulfrieden erheblich gestört worden sein. Das ist der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern untereinander oder zwischen Schülern und Lehrern zerrüttet ist.
Ein Schüler loggte sich bei einem Single-Chat mit dem Vor- und Nachnamen eines Lehrers seiner Schule ein. Im Chat beleidigte er unter diesem Benutzernamen Lehrerkollegen. Dieses Verhalten rechtfertigt den Beschluss der Schulkonferenz, den Schüler an eine andere Schule zu überweisen (VG Hannover, Urteil vom 7.6.2006, 6 B 3325/06).
Auch aus pädagogischen Gründen kann eine Überweisung an eine Schule in einem anderen Wohngebiet möglich sein.
Eine Schülerin war ständig in Auseinandersetzungen mit Mitschülern verwickelt. Bei dem letzten Vorfall kam es zudem auch noch zu verbalen und körperlichen Aggressionen durch ihre Mutter. Da deshalb die gesetzlich vorgeschriebene Förderung der Schülerin an der eigentlich für sie vorgesehenen Schule nicht mehr möglich war, wurde sie einer Schule in einem anderen Einzugsbereich zugewiesen (VG Mainz, Urteil vom 27.8.2004, 6 L 725/04.MZ).
Die Überweisung in eine andere Schule muss durch die bisher zuständige Schulbehörde genehmigt werden. Sind Sie mit der Überweisung nicht einverstanden, können Sie sich dagegen mit Widerspruch und Anfechtungsklage wehren.
Schulausschluss
Wann droht ein Schulausschluss?
Der Schulausschluss bzw. Schulverweis ist eine Ordnungsmaßnahme. Sie ist zulässig, wenn der Schüler seine Pflichten grob verletzt, insbesondere den Unterricht nachhaltig stört oder durch seinen Schulbesuch die Sicherheit von Menschen, insbesondere seiner Mitschüler, ernstlich gefährdet.
Der Schulausschluss muss verhältnismäßig sein und grundsätzlich vorher angedroht werden (OLG Hamm, Urteil vom 29.1.1997, 11 U 37/96, NJW 1997 S. 1512). Ausnahme: Bei gewalttätigem Handeln, schweren kriminellen Delikten oder einer besonders schweren Gefährdungslage kann auf die vorherige Androhung verzichtet werden.
Ein Schüler betätigt sich als Rauschgiftdealer an der Schule oder konsumiert dort selbst. Ausreichend kann auch sein, dass der Schüler nur den Eindruck erweckt, mit illegalen Drogen zu handeln und sogenannte
Legal Highsverkauft (z.B. Kräutermischungen, Shisha-Tabak, Reiniger oder Klebstoffe, die als Drogen angeboten werden; OVG Koblenz, Beschluss vom 14.8.2013, 2 A 10251/13).Ein Schüler schlägt seine Lehrerin vor versammelter Klasse gegen den Oberarm und fordert sie auf, sich zu
verpissen(VGH Mannheim, Beschluss vom 22.10.2003, 9 S 2277/03, NJW 2004 S. 89).Antisemitische Gewalt rechtfertigt den sofortigen Schulausschluss (VGH Mannheim, Beschluss vom 28.7.2009, 9 S 1077/09 und 9 S 1078/09).
Der Schulausschluss ist ein Verwaltungsakt, der schriftlich mitgeteilt und förmlich zugestellt werden muss. Halten Sie einen Schulausschluss Ihres Kindes nicht für gerechtfertigt, können Sie dagegen Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Anfechtungsklage erheben.
Gleichzeitig sollten Sie beim Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragen sowie Anfechtungsklage erheben. Wird die aufschiebende Wirkung angeordnet, kann Ihr Kind die Schule noch so lange besuchen, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache vorliegt.
Lassen Sie sich in einem solchen Fall vorher durch einen auf das Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten, da zahlreiche Formvorschriften zu beachten sind.
Vorübergehender oder endgültiger Schulausschluss?
Darüber entscheidet die Schule. Die Entscheidung hängt von der Art und Schwere des Vorfalls ab. Beachten Sie: Ein Ausschluss nur von einzelnen Fächern ist unzulässig!
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Bei einem vorübergehenden Schulausschluss wird ein Schüler für eine bestimmte Dauer vom Unterricht ausgeschlossen. In dieser Zeit darf er das Schulgelände nicht betreten, während dort Unterricht oder eine andere schulische Veranstaltung stattfindet. Die maximale Dauer des Schulverbots ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich lang (bis zu vier Wochen).
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Ein 12-jähriger Gymnasiast, der mehrfach Mitschüler geschlagen und bedroht hatte, drohte einem Jungen auf dem Pausenhof:
Ich werde dich schlagen, bis Blut fließt
. Dieses Verhalten rechtfertigt einen 2-tägigen Unterrichtsausschluss (VGH Mannheim, Beschluss vom 23.1.2004, 9 S 5/04, NJW 2004 S. 1058). -
Wegen
Handy-Slappings
ist ein 10-tägiger Unterrichtsausschluss zulässig (VG Berlin, Urteil vom 2.12.2005, 3 A 930/05). -
Auch ein kollektiver vorübergehender Schulausschluss ist möglich (hier: 5-tägiger Ausschluss für eine gewaltbereite Gruppe von Schülern, bei der sich der Einzeltäter nicht feststellen ließ; VG Stuttgart, Urteil vom 13.1.2009, 10 K 4801/08).
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Der endgültige Schulausschluss ist in der Regel mit einer Überweisung in eine andere Schule verbunden. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Verweisung von allen Schulen in Betracht, beispielsweise wenn die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet ist. Die Verweisung von allen Schulen ist in den meisten Bundesländern nur in der Oberstufe (Sekundarbereich II), aber nicht bei berufsschulpflichtigen Schülern möglich. Sie bedarf der Genehmigung der Schulbehörde.
Kein Züchtigungsrecht
Ein Lehrer darf einen Schüler weder schlagen noch sonst körperlich züchtigen. Verstößt ein Lehrer gegen dieses Verbot, macht er sich schadensersatz- und schmerzensgeldpflichtig. Als Eltern haben Sie das Recht, disziplinarisch gegen ihn vorzugehen und Anzeige zu erstatten. Hier drohen neben der Suspendierung vom Dienst zudem strafrechtliche Folgen.
Eine Grundschullehrerin verklebte Schülern, die den Unterricht störten, den Mund mit Tesafilm. Ein derart grober Pflichtverstoß gegen ihren Erziehungsauftrag als Lehrerin rechtfertigt sogar eine Kündigung (BAG, Urteil vom 19.4.2012, 2 AZR 156/11, NJW 2012 S. 3674).
VI. Wenn Sie mit einer Maßnahme nicht einverstanden sind
6.1. Ihnen stehen formlose Rechtsbehelfe zur Verfügung
Sie sind vor Verhängung der Ordnungsmaßnahme anzuhören
Der Schüler und dessen Eltern sind vor Erteilung einer Ordnungsmaßnahme in der Sitzung, in der über die Maßnahme entschieden wird, anzuhören. Verlangen Sie, dass Inhalt und Ergebnis einer solchen Anhörung protokolliert werden. Nur so können Sie sicherstellen, dass die Entscheidung der Schule auf Gründen beruht, die bereits Gegenstand der Anhörung waren und im Streitfall den Inhalt der Anhörung nachweisen.
Bringen Sie Ihr Missfallen schriftlich zum Ausdruck
Sind Sie beispielsweise mit einer pädagogischen Maßnahme (z.B. Klassenbucheintrag) nicht einverstanden, können Sie sich als Eltern schriftlich beschweren (sogenannte
Gegenvorstellung
). Darin fordern Sie den Lehrer auf, seine Entscheidung zu überprüfen. Weisen Sie darauf hin, dass ein anderes Handeln zweckmäßiger gewesen wäre. Sie haben zwar keinen Anspruch auf eine neue Sachentscheidung, aber zu Ihrem Anliegen muss Stellung genommen werden.
Erheben Sie Fachaufsichtsbeschwerde beim Schulleiter
Mit dem nächsten Beschwerdeschritt wenden Sie sich mit Ihrer inhaltlichen Kritik an der Entscheidung eines Lehrers an den Schulleiter. In der Schule wird dann geprüft, ob man Ihrer Beschwerde abhelfen kann (z.B. in der Versetzungskonferenz).
Erheben Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Schulbehörde
Mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde wenden Sie sich gegen das persönliche Auftreten und Verhalten des Lehrers (z.B. verletzt er bei einer Klassenfahrt grob seine Aufsichtspflicht). Über eine Dienstaufsichtsbeschwerde entscheidet nicht die Schulleitung, sondern die übergeordnete Schulaufsichtsbehörde.
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann weitreichende dienst- und disziplinarrechtliche Folgen für den Lehrer haben. Suchen Sie deshalb zunächst das Gespräch mit dem Lehrer und der Schulleitung. Entschließen Sie sich dennoch, Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben, sollte diese eine hieb- und stichfeste Begründung enthalten, deren Argumente objektiv nachprüfbar sind.
6.2. Sie entscheiden sich für Widerspruch und Anfechtung
Wollen Sie sich gegen einen schulrechtlichen Verwaltungsakt zur Wehr setzen, müssen Sie Widerspruch einlegen (z.B. gegen eine Note, die Nichtversetzung oder einen Unterrichtsausschluss). Die Widerspruchsfrist beträgt grundsätzlich einen Monat – aber nur, wenn Sie über dieses Rechtsmittel ordnungsgemäß belehrt wurden. Ohne Rechtsmittelbelehrung haben Sie ein Jahr Zeit. Da eine schnelle Entscheidung in der Regel in Ihrem eigenen Interesse liegt, sollten Sie den Widerspruch rasch einlegen.
Über den Widerspruch entscheidet die Schulbehörde. Sind Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, können Sie dagegen vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erheben. Außerdem müssen Sie parallel ein Eilverfahren einleiten, damit bis zur Entscheidung in der Hauptsache Ihr Kind beispielsweise weiter am Unterricht teilnehmen kann. Lassen Sie sich hierbei gegebenenfalls anwaltlich beraten.
VII. Wer haftet, wenn etwas passiert?
7.1. Die Schule haftet nach Amtshaftungsgrundsätzen
Während der Unterrichtszeit, in den Pausen, bei Schulausflügen oder Klassenfahrten ist die Schule, vertreten durch ihre Lehrer, aufsichtspflichtig. Wird die Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt, haftet die Schule bzw. der entsprechende Schulträger nach den Grundsätzen der Amtshaftung.
Eine Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Lehrer seine Aufsichtspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat (z.B. durch unmissverständliche Anweisungen sowie angemessene Risikoeinschätzung).
Die Gemeinde als Schulträger haftet mitunter aber auch für Unfälle, die sich außerhalb der Schulzeit auf Schulgrundstücken ereignen.
Bei einem Schulfest stolpert ein Besucher im Dunkeln über ungesicherte Betonplatten, die den Fuß eines Sonnenschirms beschweren (OLG Köln, Urteil vom 25.2.1999, 7 U 148/98).
Auf einem Schulhof stehen Fußballtore, ein Ballfangzaun fehlt. Folge: Ein abirrender Ball beschädigt einen auf dem benachbarten Parkplatz abgestellten Pkw (OLG Brandenburg, Urteil vom 16.4.2002, 2 U 44/01).
7.2. Die Unfallversicherung springt ein
Kommt es zu einem schulbezogenen Unfall und wird dabei eine zum Schulbetrieb gehörende Person verletzt (z.B. Schüler, Lehrer, Hausmeister, Sekretärin), tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein.
Ein Schüler verletzt sich wegen ungenügender Anleitung und Überwachung durch den Lehrer beim Sportunterricht.
Bei Unfällen in der Schule und bei schulischen Veranstaltungen können Schüler und Lehrer untereinander und auch gegen den Schulträger wegen der bestehenden gesetzlichen Unfallversicherung keine Schadensersatzansprüche geltend machen. Denn die gesetzliche Unfallversicherung erstattet nur die Heilbehandlungskosten.
Im Ski-Landschulheim weist der Lehrer seine Schüler unmissverständlich darauf hin, dass sie nur auf markierten Pisten fahren dürfen. Zwei Schüler halten sich nicht daran. Sie fahren außerhalb der Pisten durch den Tiefschnee und stürzen über eine zugeschneite Felsenspitze. Dabei verletzen sie sich schwer. Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt hier nur die Heilbehandlung und den Rücktransport nach Hause.
Die Versicherung tritt nicht ein, wenn die Verletzung vorsätzlich erfolgte.
Ein Schüler verletzt sich, als er von einem Mitschüler verprügelt wird. Hier kann der Mitschüler direkt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden.
7.3. Das gilt im Einzelfall
Abistreich
Den sogenannten Abistreich
zum Abschluss der Schulzeit organisieren und führen Abiturienten in der Regel auf eigene Faust durch. Da in diesem Fall die Schule keinen Einfluss hat, der Abistreich mitunter sogar ausdrücklich untersagt ist, handelt es sich nicht um eine Schulveranstaltung. Folge: Bei einem Unfall besteht kein Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Unfall innerhalb oder außerhalb des Schulgeländes ereignet.
Im Rahmen des Abistreichs schuldhaft herbeigeführte Schäden am Schulgebäude müssen vom Verursacher ersetzt werden (z.B. Feuchtigkeitsschäden durch ein geflutetes Lehrerzimmer). Eine private Haftpflichtversicherung springt in solchen Fällen nur ein, wenn der Schaden nicht vorsätzlich angerichtet wurde.
Aus einem Planschbecken, das die Schüler im Eingangsbereich zum Lehrerzimmer aufgestellt haben, sickert Wasser heraus und durchnässt den Boden. Es stellt sich heraus, dass das Plastikbecken aufgrund eines Materialfehlers leckt.
Unfall auf dem Schulhof
Die Schule muss Schulkinder auf dem Schulgelände beaufsichtigen, wenn und solange sie am Schulbetrieb teilnehmen, also auch während der Pausen und Freistunden. Die Aufsichtspflichten werden durch die Lehrer wahrgenommen. Dazu zählt beispielsweise die Pausenaufsicht oder die Aufsicht beim Sportunterricht.
Die Aufsichtspflicht beginnt eine angemessene Zeit vor und endet nach dem Unterricht, wenn die Schüler das Schulgelände verlassen. Als angemessen gilt eine Zeit von 15 Minuten.
Unfall auf dem Schulweg
Die gesetzliche Unfallversicherung tritt auch ein bei Unfällen auf dem direkten Schulweg. Der Versicherungsschutz entfällt jedoch, wenn der Schulweg unterbrochen wird (z.B. passiert der Unfall, während der Schüler in einem Geschäft einkauft, das abseits vom Schulweg liegt). Ausnahme: Der Schüler weicht infolge Unachtsamkeit oder Zerstreutheit vorübergehend von dem direkten Schulweg ab (BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 29/06 R).
Vor Schulbeginn und nach Schulschluss besteht allerdings keine Aufsichtspflicht. Deshalb haftet die Schule grundsätzlich nicht für Rangeleien und Unfälle außerhalb des Schulgeländes.
Kommt es auf dem Heimweg im Schulbus zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Schülern, bei denen der eine verletzt wird, haftet nicht die Schule, sondern derjenige, der zugeschlagen hat (BGH, Urteil vom 28.4.1992, VI ZR 284/91, NJW 1992 S. 2032).
Ausnahmsweise haftet die Versicherung trotzdem, wenn sich ein schulbezogener Unfall außerhalb des Schulgeländes ereignet (z.B. Schneeballschlacht an der schulnahen Bushaltestelle; BGH, Urteil vom 17.8.2008, VI ZR 212/07).
Unfall auf einem Schulausflug bzw. einer Klassenfahrt
Bei Schulausflügen (z.B. Theater- oder Museumsbesuch) oder Klassenfahrten ist die Schule, vertreten durch ihre Lehrer, aufsichtspflichtig. Wird die Aufsichtspflicht verletzt, haftet nach den Grundsätzen der Amtshaftung die Schule bzw. der entsprechende Schulträger.
Ein Schüler verletzt sich bei einer Klassenfahrt bei einem Kopfsprung von einem Segelboot (LSG Bremen-Niedersachsen, Urteil vom 29.11.2006, L 9 K 77/05).