Ehegattenunterhalt bei Trennung und Scheidung
Ehegattenunterhalt steht dem wirtschaftlich schwächeren Partner zu, wenn er wegen Kinderbetreuung, Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist , so für sich selbst zu sorgen, wie es den ehelichen Lebensverhältnissen entsprochen hat. Dann geht es um die Frage der konkreten Berechnung und das „Wie lange zahlen?“. Hier spielen unter anderem ehebedingte Nachteile oder die Dauer eine Rolle.
I. Wann muss Ehegattenunterhalt gezahlt werden?
1.1. Wenn sich die Ehepartner zunächst nur getrennt haben
Wer Unterhalt vom Ex will, braucht einen triftigen Grund dafür – jedenfalls auf Dauer gesehen. Während der Trennungsphase geht es zunächst auch ohne – jedenfalls im ersten Jahr. Man spricht vom sogenannten Sofajahr.
Das heißt, der besser verdienende Teil muss an den wirtschaftlich schlechter stehenden Ehepartner zahlen – und das ist in der Regel die Ehefrau. Im ersten Jahr kann also noch nicht verlangt werden, dass sich die Unterhalt fordernde Person eine Arbeit sucht – selbst, wenn dies ohne Probleme möglich wäre. Das kann normalerweise erst nach Ablauf des Trennungsjahres verlangt werden.
Ausnahme: Die Eheleute haben kein Jahr zusammengelebt, aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen und der Unterhalt fordernde Teil ist noch relativ jung (ca. 30 Jahre). Darüber hinaus kann der Anspruch verwirkt sein.
Nach Ablauf des Jahres verlangen die Gerichte vom Unterhaltsberechtigten, dass er arbeiten geht, auch wenn es vorläufig nicht zur Scheidung kommt. Dabei wird von ihm bzw. ihr nicht mehr verlangt als beim Scheidungsunterhalt. Das heißt, es gelten hier dieselben Grundsätze wie beim nachehelichen Unterhalt. Lesen Sie deshalb im Folgenden, unter welchen Voraussetzungen Unterhalt zu zahlen ist.
Wer auszieht, ist in der Regel darauf angewiesen, möglichst schnell Geld für sich und eventuell auch für die Kinder zu bekommen. Der Trennungsunterhalt wird aber freiwillig vom Unterhaltsschuldner nicht so schnell gezahlt, wie er gebraucht wird. Hier hilft eine sogenannte einstweilige Anordnung für den Trennungsunterhalt, die beim Familiengericht beantragt werden muss.
Unterhalt ist aber erst fällig, wenn er angemahnt wird oder zumindest an den Zahlungspflichtigen die Aufforderung ergeht, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Erst dann gerät der Unterhaltspflichtige in Verzug. Für die Zeit davor muss nicht gezahlt werden.
Gibt sich der Unterhaltsschuldner dagegen großzügig und zahlt freiwillig einen Betrag, den er für angemessen hält, hat er wiederum keinen Anspruch auf Rückzahlung, wenn das Gericht später weniger Unterhalt festsetzt.
Achtung: Kommt es zwischenzeitlich zu einer Versöhnung, verliert der Unterhaltstitel seine Wirkung. Er muss bei einer erneuten Trennung neu beantragt und berechnet werden. Der Unterhaltsschuldner hat deshalb die Möglichkeit, gegen einen so unwirksam gewordenen Titel die Zahlung bzw. die Zwangsvollstreckung zu verhindern (OLG Hamm, Urteil vom 24.1.2011, 2 WF 277/10 ).
1.2. Wenn es zur Scheidung kommt – der nacheheliche Unterhalt
Wer Unterhalt will, braucht einen besonderen Grund dafür
Nach der Scheidung gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Das heißt, jeder Ehepartner ist jetzt für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich – gleich, warum die Ehe in die Brüche gegangen ist.
Ein Unterhaltsanspruch besteht deshalb nur, wenn einer der folgenden sieben Unterhaltstatbestände gegeben ist:
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Kindesbetreuung,
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Alter,
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Krankheit oder Gebrechen,
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Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung,
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Arbeitslosigkeit,
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Aufstockungsunterhalt bei nicht ausreichenden eigenen Erwerbseinkünften des Anspruchstellers und/oder
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sonstige schwerwiegende Gründe (Billigkeitsunterhalt).
Wenn einer dieser Gründe vorliegt, besteht grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch. Denkbar ist auch, dass mehrere Gründe gleichzeitig vorliegen.
Es kommt oft vor, dass zunächst der Grund Kindesbetreuung
vorliegt und im Anschluss daran der Unterhaltsanspruch wegen Arbeitslosigkeit gegeben
ist. Möglicherweise schließt sich unmittelbar daran noch ein weiterer Unterhaltsgrund an, etwa Krankheit oder Alter. Dann geht es mit der Zahlungspflicht weiter.
Aber: Seit Inkrafttreten der Unterhaltsreform 2008 wird der Unterhaltsanspruch von den Familiengerichtenzeitlich oder der Höhe nach begrenzt.
Die Gründe für die Unterhaltspflicht im Einzelnen
Unterhalt wegen Kindesbetreuung nach § 1570 BGB
Damit ein Kind unter der Scheidung seiner Eltern nicht mehr als nötig zu leiden hat, soll der betreuende Elternteil nicht gezwungen sein, zu arbeiten. Ein Unterhaltsanspruch besteht in dieser Situation allerdings nur, wenn
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ein gemeinschaftliches Kind betreut wird und
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deswegen eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unzumutbar ist.
Das heißt, in den ersten drei Lebensjahren des Kindes erhält der kindesbetreuende Elternteil auf jeden Fall Unterhalt, wenn er sich entschieden hat, nicht arbeiten zu gehen (sog. Basisunterhalt). Danach ist Betreuungsunterhalt nur noch aus zwei Gründen zu zahlen:
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Billigkeitsgründe gemäß § 1570 Abs. 1 Satz 2u. 3 BGB
Zu den allgemeinen Billigkeitsgründen, die sich am Kindesinteresse orientieren, zählen die mangelnden Möglichkeiten der Kindesbetreuung (z.B. in einer Tagesstätte, durch eine Tagesmutter oder durch Verwandte).
Der betreuende Elternteil muss im Streitfall allerdings vortragen und beweisen, warum eine Fremdbetreuung nicht möglich oder zumutbar ist (z.B. wegen Krankheit, Entwicklungsstörungen des Kindes oder weil das Kind unter der Trennung besonders leidet). Allerdings gelten öffentliche Einrichtungen zur Kindesbetreuung grundsätzlich als geeignet.
Bietet der unterhaltspflichtige Elternteil ernsthaft an, das Kind teilweise zu betreuen, muss der unterhaltsberechtigte entsprechend mehr arbeiten. Ausnahme: Das Angebot wird nur gemacht, um den Unterhaltsanspruch der Gegenseite zu reduzieren. Dann hat die verbesserte Betreuungssituation keinen Einfluss auf den Anspruch. Dasselbe gilt, wenn Großeltern die Betreuung übernehmen (BGH, Urteil vom 15.9.2010, XII ZR 20/09, FamRZ 2010 S. 1880).
Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die den Anspruch ebenfalls nicht mindern darf.
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Besondere ehebedingte Gründe gemäß § 1570 Abs. 2 BGB
Auch ehebedingte Gründe sind beim Betreuungsunterhalt zu berücksichtigen. Haben die Eltern zum Beispiel vor der Scheidung vereinbart, dass die Mutter die Kindesbetreuung langfristig übernehmen soll, bleibt es dabei.
Eine Ehefrau hatte ihr Lehramtsstudium nach drei Jahren wegen der Geburt eines Kindes abgebrochen und den Vater geheiratet. Sechs Jahre später absolvierte sie eine Ausbildung im Groß- und Einzelhandel. Das dadurch erzielte Einkommen entsprach allerdings nicht dem einer Lehrerin.
Waren sich die Eltern dagegen schon in der intakten Ehe einig, dass der kindesbetreuende Elternteil möglichst bald wieder in das Berufsleben zurückkehren soll, sieht die Sache schon wieder anders aus.
Erwerbspflicht heißt aber nicht unbedingt, dass die kindesbetreuende Person – in der Regel die Mutter – vollschichtig arbeiten muss. Es gilt, eine Überlastung des betreuenden Elternteils zu vermeiden (BGH, Urteil vom 18.3.2009, XII ZR 74/08, FamRZ 2009 S. 770). Schließlich muss noch Zeit für Einkäufe, häusliche Betreuung und Förderung (z.B. durch Hausaufgabenbetreuung und Freizeitaktivitätenbegleitung) bleiben.
Dasselbe gilt, wenn ein Kind im Kindergarten volltags betreut wird (BGH, Urteil vom 16.7.2008, XII ZR 109/08, NJW 2010 S. 671). Auch hier darf es nicht sein, dass der betreuende Elternteil das Kind nach der Arbeit abholt und erst dann zum Einkaufen oder zu Haushaltsarbeiten kommt!
Unterhalt wegen Alters nach § 1571 BGB
Wer altersbedingt nicht mehr arbeiten kann, braucht es nicht. Aber: Das Unterhaltsrecht kennt keine bestimmten Altersgrenzen. Entscheidend ist normalerweise die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Das gilt auch für Selbstständige. Ein vorgezogenes Altersruhegeld oder ein vorgezogener Ruhestand lösen dagegen noch keine Unterhaltsansprüche aus.
Unterhalt gibt es aber, wenn der Ehegatte, der während der Ehe längere Zeit nicht gearbeitet hat, wegen seines vorgerückten Alters keine Arbeit mehr findet. Das ist erfahrungsgemäß bei Frauen spätestens ab dem 55. Lebensjahr so.
Umgekehrt kann grundsätzlich von einer Frau unter 50 verlangt werden, dass sie einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht – gesetzt den Fall, es liegt kein anderer Unterhaltsgrund wie zum Beispiel Krankheit oder Arbeitslosigkeit vor.
Es spielt keine Rolle, ob die Ehe erst im hohen Alter geschlossen worden ist, solange es keine besonders kurze Ehe war.
Wichtig: Die Voraussetzung für den Altersunterhalt muss nicht sofort mit der Rechtskraft der Scheidung vorliegen. Ihn gibt es auch als sogenannten
Anschlussunterhalt
zum Beispiel nach dem Kindesbetreuungs- oder Krankheitsunterhalt, wenn dafür die Voraussetzungen wegfallen. Wird die Unterhaltskette unterbrochen, entfällt dagegen der Anspruch.
Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB
Krankheitsunterhalt gibt es, wenn der geschiedene Ehegatte bei Rechtskraft der Scheidung oder im Anschluss an die anderen Unterhaltstatbestände aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann. Sollte die Krankheit zu einem anderen Zeitpunkt auftreten, entfällt der Unterhaltsanspruch.
Ein Mann wird mehrere Jahre nach seiner Scheidung durch einen Unfall zum Frührentner. Ein Unterhaltsanspruch gegen seine Ex-Frau kommt hier nicht infrage.
Die Krankheit muss so schwer sein, dass keine reale Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Besonders deutlich wird dies immer, wenn der Betroffene sogar eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht.
Wer sich auf diesen Unterhaltstatbestand beruft, sollte seinen Anspruch durch ärztliche Atteste belegen. Damit hilft er dem Gericht, von Anfang an den richtigen fachärztlichen Sachverständigen für das ohnehin notwendige Gutachten zu finden.
Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Selbst erhebliches Übergewicht mit Krankheitswert oder andere Krankheiten, die mit der eigenen Lebensführung zusammenhängen, schließen den Unterhaltsanspruch nicht aus. Alkoholsucht und Medikamentenabhängigkeit werden ebenfalls als Krankheit anerkannt.
Die Krankheit muss nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehen. Es genügt, wenn im Zeitpunkt der Scheidung wegen der Krankheit keine Erwerbstätigkeit möglich war (BGH, Urteil vom 4.3.2004, fehlt, FamRZ 2004 S. 779). Selbst wenn die Krankheit zunächst nur latent vorhanden war, reicht es für den Unterhaltsanspruch aus, wenn sie kurz nach der Scheidung ausbricht.
Allerdings muss die kranke Person alles tun, um sich therapieren zu lassen. Sonst gilt die Bedürftigkeit als mutwillig.
Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nach § 1575 BGB
Hat der Anspruchsteller wegen der Eheschließung oder während der Ehe eine Ausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen, kann er Unterhalt verlangen, wenn er jetzt weitermacht bzw. anfängt. Vorausgesetzt, es ist mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu rechnen.
Und: Es muss schon vor der Ehe ein fester Plan bestanden haben, einen bestimmten Beruf zu ergreifen. Das heißt, es müssen schon konkrete Maßnahmen seinerzeit in die Wege geleitet worden sein. Bloße Äußerungen, irgendeinen Beruf ergreifen zu wollen, reichen nicht aus.
Typischer Fall ist hier das abgebrochene Studium, das wieder aufgenommen wird. Aber: Ist eine Ausbildung wegen mangelhafter Leistung abgebrochen worden, gibt es keinen Unterhalt. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Ausbildung wegen Krankheit unterbrochen wurde. Das schadet dem Unterhaltsanspruch nicht.
Auch eine Umschulung oder Fortbildung zum Beispiel am Computer, die dazu dient, in einem früher ausgeübten Beruf wieder auf dem Laufenden zu sein, rechtfertigt den Unterhaltsanspruch. Der Anspruch besteht allerdings nur für den Zeitraum, der erforderlich ist, die Ausbildung nachzuholen. Hier wird eine gewisse Zielstrebigkeit erreicht. Fehlt es daran, entfällt der Anspruch.
Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB
Wer nach der Scheidung, nach Ende der Kindesbetreuung, nach Auslaufen des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder nach einer Ausbildung keine angemessene Arbeit findet, ist ebenfalls unterhaltsberechtigt.
Angemessene Arbeit heißt, dass sie objektiv angemessen sein muss. So ist zum Beispiel die Erwerbstätigkeit in einem bereits früher ausgeübten Beruf immer angemessen. Das gilt auch dann, wenn der jetzt Unterhalt begehrende Ehegatte früher eine Tätigkeit ausgeübt hat, die unter seiner beruflichen Qualifikation lag.
Eine gelernte Diplom-Kauffrau arbeitet in der Zahnarztpraxis ihres Mannes als Sprechstundenhilfe mit. In diesem Fall kann sie sich nach der Scheidung nicht darauf beschränken, nur Jobs anzunehmen, die der Ausbildung zum Diplom-Kaufmann entsprechen.
Der Anspruch besteht aber nur, wenn sich der arbeitslose Ex-Partner ernstlich bemüht, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Meldung bei der Arbeitsagentur allein reicht nicht aus. Eine umfangreiche Privatinitiative ist angesagt. Dazu zählen Bewerbungen auf Stellenanzeigen in Zeitungen und Eigeninserate – auch außerhalb des unmittelbaren Wohnbereichs.
Wenn Sie als Anspruchsteller – aus welchen Gründen auch immer – nicht vermittelbar sind, lassen Sie sich am besten eine entsprechende Bestätigung von der Arbeitsagentur geben oder benennen Sie den zuständigen Sachbearbeiter als Zeugen im Unterhaltsverfahren.
Ein Ortswechsel darf nicht immer verlangt werden. Familiäre oder sonstige persönliche Bindungen können dem entgegenstehen.
Eine unterhaltsbedürftige Frau kümmert sich schon seit Jahren um ihre betagten und pflegebedürftigen Eltern.
Wichtig: Als Anspruchsteller sollten Sie auf alle Fälle Ihre Bemühungen ausführlich dokumentieren, indem Sie zum Beispiel die einzelnen Bewerbungsschreiben und die darauf ergangenen Absagen aufbewahren.
Findet sich ein Arbeitsplatz, erlischt oder reduziert sich der Unterhaltsanspruch. Jetzt wird das Einkommen berücksichtigt. Der Unterhaltsanspruch lebt aber auf, wenn das Arbeitsverhältnis nach kurzer Zeit wieder endet – zum Beispiel nach der Probezeit oder wegen zeitlicher Befristung. Hier ist der Lebensunterhalt noch nicht nachhaltig gesichert
, wie die Juristen sagen.
Anders sieht es dagegen aus, wenn die Arbeitslosigkeit erst nach längerer Zeit wieder eintritt. Hier war der Unterhalt zwischendurch nachhaltig gesichert
, sodass der Anspruch nicht mehr auflebt.
Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB, wenn die Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person nicht ausreichen
Selbst wenn beide Ehepartner nach der Scheidung berufstätig sind, steht demjenigen, der trotz Ausschöpfung seiner Arbeitskraft wirtschaftlich schlechter dasteht, der sogenannte Aufstockungsunterhalt zu. Das heißt, im Prinzip kann eine Vollzeittätigkeit verlangt werden, wenn die oben genannten Gründe wie zum Beispiel Kinderbetreuung oder Krankheit dem nicht entgegenstehen.
Der Anspruch besteht entweder direkt nach der Scheidung oder als Anschlussunterhalt wegen Kindesbetreuung, nach Auslaufen des Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder nach einer Ausbildung.
Die geschiedene Ehefrau eines gut verdienenden Rechtsanwalts, die zunächst Unterhalt für eine Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin bekommen hat und nun durch eine Ganztagstätigkeit selbst Geld verdient, bekommt Aufstockungsunterhalt.
Unterhalt aus Billigkeitsgründen nach § 1576 BGB
Wenn alle oben aufgeführten Unterhaltstatbestände ausscheiden, bleibt der sogenannte Billigkeitsunterhalt. Ihn gibt es, wenn
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wegen sonstiger schwerwiegender Gründe eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur teilweise erwartet werden kann
und -
dies für den Anspruchsteller
unbillig
wäre.
Ein Ehegatte kann wegen der Betreuung eines nicht gemeinschaftlichen Kindes, das mit der Zustimmung des Mannes im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Hier bleibt es beim Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen.
II. Wie wird der Unterhalt berechnet?
2.1. Wenn es um den normalen Lebensbedarf geht
Ausgangspunkt sind die ehelichen Lebensverhältnisse
Der unterhaltsberechtigte Ehegatte soll so gestellt werden wie zu Zeiten der intakten
Ehe. Das ist natürlich in der Praxis nicht realistisch. Jede Trennung bzw. Scheidung bringt auf beiden Seiten allein durch die doppelte Haushaltsführung erhöhte Kosten mit sich. Im Ergebnis kann daher das vorhandene Geld nach bestimmten Grundsätzen geteilt werden – in krassen Fällen spricht man von der Aufteilung des Mangels
.
Maßgeblich für den Anspruch ist das jeweilige bereinigte Nettoeinkommen beider Ehegatten in den letzten 12 Monaten vor der Trennung bzw. Scheidung.
Wie dieses Einkommen im Einzelnen ermittelt wird, zeigen Ihnen die jeweiligen unterhaltsrechtlichen Leitlinien des für Sie zuständigen Oberlandesgerichts. Weiterführende Informationen zum Thema Unterhalt-ABC finden Sie auf rechtstipps.de.
Aber: Es wird bei der Unterhaltsberechnung nicht nur das bereinigte Nettoeinkommen zugrunde gelegt. Es muss zusätzlich festgestellt werden, ob die Einkünfte die Lebensverhältnisse geprägt haben. Nur dann sind sie entscheidend für die ehelichen Lebensverhältnisse. Informieren Sie sich am besten anhand der nachfolgenden Übersicht, ob und inwieweit besondere finanzielle Umstände beim unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen eine Rolle spielen.
Wie Einkünfte und Ausgaben die ehelichen Lebensverhältnisse prägen
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Einkünfte aus Vermögen, die schon vor der Trennung bzw. Scheidung bezogen wurden, sowie Einkünfte aus Erbschaft in der Trennungszeit. Sie werden unterhaltsrechtlich berücksichtigt, weil sie nicht trennungsbedingt sind.
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In besonders günstigen Einkommensverhältnissen wird normalerweise nicht das gesamte Einkommen
verlebt
, sondern zum Teil zur Vermögensbildung zurückgelegt. Dieser Teil des Einkommens wird deshalb bei der Unterhaltsberechnung nicht miteinbezogen (BGH, Urteil vom 11.8.2010, XII ZR 102/09, FamRZ 2010 S. 1636). Die Vermögensverteilung erfolgt über den Zugewinnausgleich. -
Schuldentilgung, z.B. die Finanzierung einer Immobilie, für den Kauf eines Pkw oder eines Konsumkredits. Das, was zur Schuldentilgung aufgebraucht wird, vermindert zunächst das Einkommen.
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Eine berufliche Karriere des Unterhaltspflichtigen, die in der Ehe schon angelegt war, wenn zum Beispiel die Ehe kurz vor oder nach dem Examen eines angehenden Akademikers geschieden wird. Erhöhte Einkünfte daraus kommen dem Unterhaltsberechtigten zugute.
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Unerwartete Karrieresprünge nach der Trennung, wenn zum Beispiel ein führender Mitarbeiter Geschäftsführer wird (OLG München, Urteil vom 10.1.1997, fehlt, FamRZ 1997 S. 613) oder ein Oberstudienrat zum Studiendirektor befördert wird (BGH, Urteil vom 28.2.2007, fehlt, FamRZ 2007 S. 793), werden dagegen nicht berücksichtigt.
Aber: Kommen besondere Umstände hinzu, wie zum Beispiel ein weiteres unterhaltspflichtiges Kind aus einer neuen Beziehung, ist das höhere Einkommen durch den Karrieresprung beim nachehelichen Einkommen miteinzubeziehen. Hier geht es um Kompensation (BGH, Urteil vom 6.2.2008, XII ZR 14/06, NJW 2008 S. 1663).
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Finanzielle Unterstützung durch Dritte, wenn zum Beispiel die Eltern eines Ehegatten kostenlos die Ehewohnung überlassen haben.
Die Unterhaltsberechnung erfolgt nach Quoten
Die Familiengerichte teilen nun das zuvor ermittelte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen bzw. die Einkommensdifferenz bei Berufstätigkeit beider Ehegatten nach einem bestimmten Schlüssel auf. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Oberlandesgerichten, die Sie den Leitlinien Ihres OLG-Bezirks entnehmen können.
Die bekannteste Quotelung ist die des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Hier wird im Verhältnis 4/7 zu 3/7 zugunsten des Unterhaltsschuldners gequotelt. Die Süddeutschen Leitlinien gehen dagegen vom Halbteilungsgrundsatz aus, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % berücksichtigt werden. Das heißt, hier beträgt der Erwerbstätigenbonus 1/10 vom bereinigten Nettoeinkommen.
Auf jeden Fall darf der unterhaltspflichtige Ehegatte von seinem Einkommen immer ein bisschen mehr behalten, als der unterhaltsbedürftige Ehepartner. Durch diesen sogenannten Erwerbstätigenbonus soll die Arbeitsfreude erhalten bleiben.
Wenn der Unterhaltsschuldner ein besonders hohes Einkommen hat
In diesem Fall quoteln die Gerichte nicht. Es reicht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen konkreten monatlichen Bedarf darlegt und begründet. Macht der Unterhaltsschuldner hier mit, braucht er nicht einmal Auskunft über seine Einkommenverhältnisse zu erteilen. Dazu zählen auch all die Dinge, die während der Ehe das Leben schön gemacht haben – angefangen von teuren Kosmetika bis hin zu Golfstunden. Ausnahme: Es sind mit dem Scheitern der Ehe repräsentative Aufgaben weggefallen, sodass der tägliche Friseurbesuch nicht mehr dringend erforderlich ist. Eine absolute Sättigungsgrenze gibt es aber nicht.
Berechnungsmethode hängt vom Einkommen des Unterhaltsberechtigten ab
Wenn nur der Verpflichtete Einkommen hat
In diesem Fall bestimmen nur die Einkünfte des unterhaltspflichtigen Ehegatten die ehelichen Lebensverhältnisse und damit auch die Höhe des nachehelichen Unterhalts. Sind auch keine ehegemeinschaftlichen Kinder da, beträgt der Unterhaltsanspruch des einkommenslosen Ehegatten nach den Leitlinien des OLG Düsseldorf genau 3/7 des bereinigten Einkommens des Alleinverdieners.
Bei einem oder mehreren Kindern ist der jeweilige Unterhaltsbetrag für die Kinder – auch für volljährige Kinder – zunächst vom Einkommen abzuziehen (sog. Vorwegabzug). Der konkrete Betrag ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle bzw. den Anmerkungen dazu.
Das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 3.000,00 €. Für seine unterhaltsberechtigten Kinder muss er monatlich insgesamt unter Berücksichtigung des jeweiligen Kindergeldes 643,00 € aufbringen. Das heißt, der Restbetrag in Höhe von 2.357,00 € wird im Verhältnis 4/7 zu 3/7 nach der Methode des OLG Düsseldorf aufgeteilt. Dies ergibt für die Frau einen monatlichen Anspruch in Höhe von 1.011,00 € als Elementarunterhalt. Dem Ehemann verbleibt der Rest von 1.348,00 €.
Auch für nicht eheliche Kinder des Unterhaltsschuldners wird der Unterhalt vorab abgezogen, selbst wenn diese aus einer anderen Beziehung stammen.
Wenn beide Ehegatten Einkommen haben
Fall 1: Beide Ehegatten haben schon während der Ehe gearbeitet
Hier richten sich die ehelichen Lebensverhältnisse normalerweise nach der Summe beider Einkünfte. Häufig sind diese aber verschieden hoch. Deshalb wird in diesen Fällen nach der sogenannten Differenzmethode gerechnet. Das heißt, das für die Berechnung maßgebliche Einkommen des Unterhaltsberechtigten wird von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen. Dabei wird der unterhaltsberechtigten Person ebenfalls 1/7 dieses Betrages als Erwerbstätigenbonus geschenkt. Auch ihre Arbeitsfreude soll schließlich erhalten bleiben.
Aus der Differenz beider Einkommen wird dann mit der jeweils üblichen Quote der Unterhaltsanspruch ermittelt.
Das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Einkommen des Ehemannes beträgt 3.000,00 € monatlich, das der Ehefrau 1.500,00 €. Der Erwerbstätigenbonus zugunsten der Frau ist schon berücksichtigt worden. Verteilt wird die Einkommensdifferenz in Höhe von 1.500,00 € nach der Quotelung 4/7 zu 3/7 auf beide Ehegatten. Dadurch ergibt sich für die Ehefrau ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 643,00 €.
Wichtig: Auch bei der Differenzmethode kommt es zum Vorwegabzug des Kindesunterhalts, soweit unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind. Abgezogen wird dieser normalerweise vom Einkommen desjenigen Elternteils, der das Kind nicht betreut, sondern barunterhaltspflichtig ist.
Arbeitet die Mutter eines Kleinkindes unter drei Jahren, erzielt sie
Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit.
Folge: Die Differenzmethode darf hier nicht angewendet werden (BGH, Urteil vom 21.1.1998, NJW 1998 S. 721). Das heißt, das Einkommen der Mutter bleibt hier außer Betracht.
Aber: Übersteigt das Einkommen aus dieser unzumutbaren Tätigkeit den Unterhaltsanspruch, den die Frau hätte, wenn nur das Einkommen des unterhaltspflichtigen Mannes berücksichtigt würde, rechnen die Gerichte häufig den darüber hinausschießenden Betrag zur Hälfte an.
Die Ehefrau hat, wenn ihr eigenes Einkommen nicht berücksichtigt wird, einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.500,00 € monatlich. Sie verdient aber aufgrund einer ihr unzumutbaren Tätigkeit monatlich 2.000,00 €. Davon muss sie sich 250,00 € auf ihren Unterhaltsanspruch von 1.500,00 € anrechnen lassen. Im Ergebnis erhält sie deshalb von ihrem Exmann nur 1.250,00 €.
Hat das Kind dagegen das dritte Lebensjahr vollendet und arbeitet die Mutter jetzt neben der Betreuung des Kindes, bekommt sie keinen sogenannten Betreuungsbonus. Ihr Einkommen wird voll und ganz berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.8.2009, II-8 WF 73/09, FamRZ 2010 S. 39).
Fall 2: Der unterhaltsberechtigte Ehegatte arbeitet erst seit der Trennung
In diesem Fall wenden die Gerichte seit einiger Zeit ebenfalls die Differenzmethode an (BGH, Urteil vom 13.6.2001, XII ZR 343/99, FamRZ 2001 S. 986). Dahinter steckt die tiefere Erkenntnis, dass auch die bisherige Haushaltstätigkeit einen Geldwert hat, der berücksichtigt werden muss. Der Fall wird rechtlich so betrachtet, als würden die Einkünfte aus der aufgenommenen Tätigkeit an die Stelle der Haushaltstätigkeit treten.
Wenn der Unterhaltsberechtigte keine Einkünfte hat, aber haben müsste
Wie Sie den Ausführungenentnehmen können, muss ein Geschiedener grundsätzlich arbeiten, um sich selbst zu ernähren. Bemüht er sich nicht ausreichend um eine Arbeit, wird ihm deshalb ein fiktives Einkommen angerechnet. Bei der Höhe werden Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand berücksichtigt, ebenso ein Erwerbstätigenbonus.
Das Ganze ist natürlich nur begrenzt möglich. Schließlich kann niemand von fingierten Einkünften leben. Die Alternative, den Anspruchsteller auf Sozialleistungen zu verweisen, wird von den Familiengerichten in der Regel nicht praktiziert.
Wenn der Unterhaltspflichtige wieder heiratet
In diesem Fall darf sein Einkommen nicht einfach gedrittelt werden, um es so gerecht auf die Beteiligten zu verteilen. Der geschiedene Ehepartner hat bei der Berechnung Vorrang vor dem neuen Ehepartner, wenn es um seine Bedarfsermittlung geht (BVerfG, Urteil vom 25.1.2011, 1 BvR 918/10, NJW 2011 S. 836). Das heißt, es bleibt trotz Wiederheirat zunächst bei der Berechnung wie oben dargestellt, also beim Halbteilungsgrundsatz.
Im Einzelfall kommt es aber zwangsläufig zu einer Dreiteilung des Einkommens, wenn der geschiedene und der neue Ehepartner gleichrangig unterhaltsberechtigt sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine altgediente Ehefrau und eine ein Kleinkind betreuende neue Ehefrau Unterhalt beanspruchen.
2.2. Unterhalt für die soziale Absicherung gibt es zusätzlich
Vorsorgeunterhalt für die Alterssicherung (§ 1578 Abs. 2 BGB)
Der Unterhaltsanspruch, der sich aus der Quotelung der Einkünfte ergibt, ist nur der Elementarunterhalt. Er dient der normalen Lebensführung. Aufwendungen zur Altersvorsorge fallen nicht darunter. Dem Unterhaltsberechtigten steht dafür ein zusätzlicher Betrag zu – und zwar ab dem Monat der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Es reicht der allgemeine Antrag auf Unterhalt (BGH, Urteil vom 22.11.2006, XII ZR 24/04, NJW 2007 S. 511).
Vorsorgeunterhalt gibt es auch dann, wenn die unterhaltsberechtigte Person selbst rentenversichert ist. In diesem Fall kommen zusätzliche private Vorsorgemöglichkeiten infrage.
Der Vorsorgeunterhalt wird nicht automatisch zugesprochen. Er muss vielmehr ausdrücklich vom Anwalt beantragt und beziffert werden. Reicht aber schon das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht aus, um den Elementarunterhalt abzudecken, gibt es keinen Altersvorsorgeunterhalt.
Beachten Sie außerdem, dass der Elementarunterhalt durch den Vorsorgeunterhalt verringert wird – wie, erfahren Sie anhand der folgenden Rechnung. Überlegen Sie sich deshalb gut, was Ihnen lieber ist.
Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts
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1. Schritt: Ermittlung des Rentenbeitrags aus dem Elementarunterhalt
Zunächst wird der Elementarunterhalt ermittelt. Dieser wird dann aufgestockt, indem Sie Steuern, Sozialversicherung und Rentenversicherung zu einem fiktiven Bruttoeinkommen hinzuaddieren. Aus Gründen der Vereinfachung arbeiten die Gerichte hierbei nach der Bremer Tabelle , nach der pauschal ein bestimmter Prozentsatz (durchschnittlich 30 %) dem Elementarunterhalt zugeschlagen wird.
Wenn Sie wissen wollen, wie hoch der Betrag in Ihrem Fall ist, können Sie die Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts über unseren Leserservice anfordern (siehe unten).
Aus dem so errechneten Bruttoeinkommen wird jetzt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung (zurzeit 19,9 % des Bruttoeinkommens) ermittelt. Das ist dann der Altersvorsorgeunterhalt.
Achtung: Bei sehr guten Einkommensverhältnissen ist der Altersvorsorgeunterhalt nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze beschränkt. Es kommt auf den Einzelfall an.
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2. Schritt: Neuberechnung des Elementarunterhalts
Der nun errechnete Betrag wird dann vom bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners abgezogen. Im Prinzip wird also jetzt erst der eigentliche Elementarunterhalt festgestellt.
Dies führt zwar zu einer Kürzung des eigentlichen Unterhaltsanspruchs beim Berechtigten, bleibt aber im Ergebnis für ihn günstiger, als wenn er auf den Vorsorgeunterhalt verzichtet hätte.
Ausnahme: Bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen wird der Elementarunterhalt nicht gekürzt. Hier kann der volle Bedarf trotzdem gedeckt werden. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn Teile des Einkommens zur Vermögensbildung zurückgelegt werden (BGH, Urteil vom 25.11.1998, XII ZR 33/97, FamRZ 1999 S. 372).
Der Vorsorgeunterhalt ist zweckgebunden. Verwendet der Unterhaltsberechtigte den zugesprochenen Betrag nicht zur Alterssicherung, muss der Unterhaltspflichtige für den Ex-Partner später nicht aufkommen.
Vorsorgeunterhalt für den Krankheitsfall
Ist eine Ehe noch nicht geschieden, bleibt eine schon vorhandene Mitversicherung erhalten. Diese Versicherung erlischt aber mit Rechtskraft der Scheidung. So muss sich zum Beispiel die bislang in einer örtlichen Krankenkasse versicherte Hausfrau jetzt freiwillig versichern. Dafür hat sie drei Monate nach Rechtskraft der Scheidung Zeit. Der Beitragssatz hängt von der jeweiligen Krankenkasse ab. Berechnungsbasis ist der zuvor ermittelte Elementarunterhalt. Eventuell vorhandene Kinder bleiben beim Vater mitversichert.
Wer bislang privat versichert war, darf grundsätzlich weiter privat versichert bleiben wie gehabt. Ausnahme: Die Versicherung wäre unverhältnismäßig teuer, weil zum Beispiel ein Risikozuschlag erforderlich ist. Dann muss der Basistarif gewählt werden, der der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht.
Bei der Beamtenehe verliert der nicht beamtete unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Anspruch auf Beihilfe. In diesem Fall kann unter Umständen auf eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Kasse zurückgegriffen oder die private Krankenversicherung aufgestockt werden.
Der Krankenvorsorgeunterhalt wird genauso wie der Altersvorsorgeunterhalt beim Elementarunterhalt berücksichtigt. Wie dies im Einzelnen geschieht, können Sie in der Berechnungsübersicht unter dem vorangegangenen Punkt entnehmen. Das heißt, der Betrag für die Krankheitsvorsorge wird ebenfalls vom Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten abgezogen.
Wichtig: Krankenvorsorgeunterhalt gibt es auch, wenn Elementarunterhalt nicht erforderlich ist, weil hierzu das eigene Einkommen reicht.
2.3. Wenn der Unterhaltsberechtigte einen Sonderbedarf hat
Manchmal braucht der Unterhaltsberechtigte einen zusätzlichen Geldbetrag. Unter diesem Sonderbedarf versteht man einen unregelmäßig anfallenden außergewöhnlich hohen Bedarf. Unregelmäßig ist der Bedarf, wenn er nicht vorhersehbar und deshalb nicht beim Unterhalt berücksichtigt werden konnte. Typisches Beispiel sind Krankheitskosten, die nicht von der Krankenkasse oder -versicherung übernommen werden. Ausnahme: Praxisgebühren und die üblichen Zuzahlungen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.2.2008, 2 WF 5/08, NJW-RR 2008 S. 1458).
Liegen die Voraussetzungen vor, muss der Unterhaltspflichtige zahlen – vorausgesetzt, er ist dazu finanziell in der Lage.
2.4. Unterhaltsberechnung, wenn eine gemeinsame Immobilie vorhanden ist
Wenn Eheleute in einem Eigenheim leben, müssen sie keine Miete zahlen, aber in der Regel Zins, Tilgung und allgemeine Grundstückskosten. Das beeinflusst den Unterhaltsanspruch, weil der Elementarunterhalt einen bestimmten Mietanteil vorsieht, der durch den
Vorteil des mietfreien Wohnens
anfällt. Und das setzt wiederum voraus, dass Eigenheimbewohner überhaupt einen finanziellen Vorteil haben, was angesichts der hohen Kosten für die Eigenheimfinanzierung eher selten ist. Wenn nicht, wird auch kein Wohnvorteil berücksichtigt.
Wenn Sie 1.500,00 € monatlich in die Finanzierung Ihres Hauses stecken, das einen ungefähren Mietwert von 1.000,00 € hat, haben Sie keinen berechenbaren Wohnvorteil.
Ein Wohnvorteil ist dann am ehesten gegeben, wenn die unterhaltsberechtigte Person zum Beispiel in einer schuldenfreien Immobilie wohnt, die sie von den Eltern geschenkt bekommen hat.
Es bleibt also bei dem zuvor ermittelten Unterhaltsanspruch. Ein Mietwert wird nicht abgezogen. Aber: Solange die Ehe noch nicht endgültig gescheitert ist – zumindest in den ersten zwei bis drei Jahren –, sind die ehelichen Verhältnisse durch die Annuitäten geprägt worden. Folge: Sie werden bei demjenigen einkommensmindernd berücksichtigt, der für die Kosten aufkommt. Beachten Sie dabei die nachfolgenden Fallkonstellationen.
Berücksichtigung des Wohnvorteils während der Trennungszeit
Wenn der unterhaltsbedürftige Ehepartner in der gemeinsamen Wohnung zurückbleibt
In dieser Konstellation trägt der unterhaltspflichtige Ehepartner normalerweise die Zins- und Tilgungsleistungen. Folge: Die Hausbelastungen vermindern sein Einkommen.
Gleichzeitig vermindert sich der Unterhaltsbedarf des im Haus verbliebenen Ehegatten, weil er mietfrei wohnt. Grund: Der Elementarunterhaltsanspruch beinhaltet einen Mietkostenanteil, der hier entfällt. Der Abschlag vom Unterhaltsanspruch richtet sich, solange die Eheleute getrennt leben, in der Regel danach, was der Unterhaltsberechtigte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste (BGH, Urteil vom 22.4.1998, XII ZR 161/96, FamRZ 1998 S. 899). Das ist zum Beispiel bei einer 100 m2 großen Ehewohnung eine Zweieinhalbzimmerwohnung für ihn allein.
Der volle Wohnwert der Immobilie, also die auf dem Markt erzielbare Miete, die unter Umständen mehr als das Doppelte ausmachen kann, darf nicht zulasten des zurückgebliebenen Ehegatten gehen. Hier bleibt es zunächst bei der sogenannten
angemessenen Wohnvorteilsberechnung
.
Ist dagegen nicht mit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu rechnen, weil sich zum Beispiel einer der beiden schon einem anderen Partner zugewendet hat, kann gleich die marktübliche Miete zugrunde gelegt werden, spätestens aber nach drei Jahren Trennung (BGH, Urteil vom 3.7.2013, XII ZR 78/13, FamRZ 2009 S. 23).
In der Praxis wird aber nicht nach Schema F
gerechnet, sondern ergebnisorientiert. Das heißt, der Wohnvorteil, der schließlich nicht so weit gehen darf, dass der Unterhaltsberechtigte vom Wohnen
leben soll, wird circa mit einem Fünftel oder – wenn es hoch kommt – mit einem Viertel des Unterhaltsanspruchs angesetzt. Er darf jedoch grundsätzlich 1/3 des Gesamtunterhalts nicht übersteigen.
Wenn noch gemeinsame Kinder beim unterhaltsbedürftigen Ehegatten in der ehemaligen gemeinsamen Familienwohnung mitleben, erhöht sich unter Umständen der Wohnwert zu seinen Lasten um circa 15 – 20 % des Kindesunterhaltsanspruchs. Dieser ergibt sich wiederum aus den Unterhaltstabellen.
Wenn der unterhaltspflichtige Ehepartner in der Wohnung bleibt
Vorausgesetzt, dass er auch in diesem Fall die Hauslasten wegen seines höheren Einkommens alleine trägt, wird dies zwar einkommensmindernd berücksichtigt. Gleichzeitig muss er sich aber auch das mietfreie Wohnen anrechnen lassen. Auch hier wird nur der Wert für eine angemessene Wohnung zugrunde gelegt (siehe oben).
Nach der Scheidung
Spätestens nach der Scheidung wird anders gerechnet, wenn einer der Ex-Partner in der ehemaligen Ehewohnung wohnen bleiben will. Denn gerade bei unverhältnismäßig hohen Belastungen muss eine andere Lösung gefunden werden. In den meisten Fällen heißt das: verkaufen.
Für die Zeit nach der Scheidung hat der Bundesgerichtshof folgende Grundsätze aufgestellt: Ist ein Wohnvorteil, der aus dem mietfreien Wohnen im eigenen Haus anfällt, wegen des Verkaufs des Eigenheims nicht mehr vorhanden, so setzt sich dieser Vorteil in dem erzielten oder erzielbaren Ertrag fort. Dieser Ertrag kann sowohl der Nutzungsvorteil einer neuen Wohnung sein, die mit dem Verkaufserlös erworben wurde, als auch der Zins des angelegten oder anzulegenden Verkaufserlöses (BGH, Urteil vom 3.5.2001, FamRZ 2001 S. 314; BGH, Urteil vom 13.6.2001, XII ZR 343/99, FamRZ 2001 S. 986).
Trotzdem kommt es vor, dass einer der Partner im ehemaligen gemeinsamen Haus bzw. der gemeinsamen Wohnung zurückbleibt. Das wirkt sich auf die Unterhaltsberechnung aus:
Zahlt der Unterhaltspflichtige nach wie vor die verbrauchsunabhängigen Kosten, wie Zins, Tilgung und sonstige Hauslasten, werden bei ihm nur noch die Zinsen einkommensmindernd berücksichtigt. Alles andere wäre unzulässige Vermögensbildung zulasten des anderen Ehepartners.
Unabhängig davon sind die Ex-Partner natürlich nicht daran gehindert, hier eine einvernehmliche Lösung zu treffen. Denn häufig sind beide Seiten daran interessiert, dass gemeinsame Kinder wegen der Scheidung der Eltern die gewohnte Umgebung nicht verlassen müssen.
Scheidungswillige Eltern sollten in dieser Situation mithilfe eines auf familienrechtliche Mediation spezialisierten Anwalts die Scheidungsvereinbarungen miteinander am runden Tisch aushandeln, statt um jeden Cent Unterhalt vor Gericht zu streiten.
Hat derjenige, der im Haus zurückgeblieben ist, einen Wohnvorteil, weil er günstiger wohnt, als er vergleichsweise an Miete zahlen müsste, wird ihm dieser Vorteil nun als Einkommen angelastet – und zwar in Höhe des objektiven vollen Mietwertes (BGH, Urteil vom 5.4.2000, XII ZR 96/98, FamRZ 2000 S. 950). Davon darf er dann aber die Miete für eine angemessene Wohnung abziehen.
Einer der geschiedenen Partner bleibt im ehemals gemeinsamen Familienheim wohnen. Für das Haus ließe sich auf dem Wohnungsmarkt eine Miete von 1.000,00 € erzielen. Für eine den Wohnbedarf angemessene Wohnung müsste der Mann aber nur 650,00 € bezahlen. Folge: Sein Einkommen erhöht sich um den Vorteil von 350,00 €.
2.5. Wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht reicht
Solange der Unterhaltspflichtige so viel verdient, dass er allen gerecht wird, die Unterhaltsansprüche an ihn stellen, gibt es keine Schwierigkeiten – jedenfalls keine finanziellen.
Wer aber einen geschiedenen ersten Ehegatten, einen neuen Ehegatten und mehrere Kinder aus erster und zweiter Ehe zu versorgen hat, kann häufig den Geldbedarf aller nicht mehr voll aufbringen. Familienrichter sprechen hier von einem Mangelfall.
Wie hier gerechnet wird, können Sie dem Berechnungsbeispiel aus den Erläuterungen zur Düsseldorfer Tabelle entnehmen.
Auf jeden Fall sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass seit 1.1.2008 die Kinder – egal ob aus der ersten oder zweiten Ehe, ehelich oder nicht ehelich – absoluten Vorrang vor dem unterhaltsberechtigten Ehepartner haben. Auch im Verhältnis der jeweiligen Partner untereinander gibt es jetzt die Besonderheit, dass die kindererziehende Person vorrangig vor dem nicht kindererziehenden Partner zu versorgen ist.
Ausnahme: der Ehepartner, der nach langen Ehejahren besonders schutzwürdig ist. Diese Personen werden mit kinderbetreuenden Unterhaltsberechtigten gleichgesetzt.
III. Wann kann der Unterhalt herabgesetzt, zeitlich begrenzt oder ganz versagt werden?
3.1. Es kommt auf die Billigkeit an
Wenn beim Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile vorliegen
Der Unterhalt kann grundsätzlich der Höhe nach begrenzt oder zeitlich befristet werden, wenn die Zahlungsverpflichtung unbillig wäre. Das ist im Wesentlichen der Fall, wenn der Anspruchsteller durch die Ehe finanziell benachteiligt war. Wann aber liegen ehebedingte Nachteile vor?
Es kommt darauf an, ob der unterhaltsbedürftige Ehegatte während der Ehe in seinen Möglichkeiten beeinträchtigt ist, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Typischer Fall: die Berufsaufgabe wegen Kinderbetreuung in langjähriger Ehe.
Hier wird normalerweise der Unterhaltsanspruch weder herabgesetzt noch gekürzt. Dabei bleibt es selbst dann, wenn der Entschluss, den Beruf aufzugeben, erst gefasst worden ist, als das Kind schon ein gewisses Alter hatte und der unterhaltspflichtige Ehepartner damit nicht einverstanden war (BGH, Urteil vom 16.2.2011, XII ZR 108/09, FamRZ 2011 S. 228).
Ausnahme: Die Kindererziehung hat zum größten Teil in der Vorehezeit stattgefunden. Dann fallen die Nachteile nicht in die Ehezeit (so jedenfalls das OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.8.2008, 5 UF 185/07 ).
Bei kinderlosen Ehen dagegen, in denen die Frau zum Beispiel weitgehend vollschichtig gearbeitet hat, liegen keine ehebedingten Nachteile vor (BGH, Urteil vom 30.7.2008, XII 177/06, FamRZ 2007 S. 1542). Dasselbe gilt, wenn die eingeschränkte Berufstätigkeit nichts mit der Ehe zu tun hat.
Eine Frau arbeitet während der Ehezeit nur halbschichtig, weil sie sich um ihren pflegebedürftigen Vater kümmern muss (BGH, Urteil vom 26.9.2007, XII ZR 15/05, FamRZ 2007 S. 2052).
Ein ehebedingter Nachteil liegt auch dann nicht vor, wenn ein Ehepartner seine ursprüngliche vollschichtige Arbeit während der Ehe im Einverständnis mit dem anderen reduziert hat und dadurch geringere Rentenanwartschaften aufbauen konnte. Dieser Nachteil wird durch den Versorgungsausgleich beseitigt. Hier haben beide Seiten letztlich einen Nachteil hinzunehmen (BGH, Urteil vom 16.4.2008, XII ZR 107/06, FamRZ 2008 S. 1325).
Ausnahme: Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hatte aufgrund der Rollenverteilung keine ausreichende Altersversorgung aufgebaut, der unterhaltspflichtige Mann ebenfalls nicht. Hier kommt keine Befristung infrage (BGH, Urteil vom 4.8.2010, XII ZR 7/09, FamRZ 2010 S. 1633).
Eine Erkrankung, die nichts mit der Ehe zu tun hat, ist auch kein ehebedingter Nachteil, weil es sich normalerweise um eine schicksalhafte Entwicklung handelt (BGH, Urteil vom 7.7.2010, XII ZR 157/08, FamRZ 2011 S. 188).
Aber: Es gibt im Einzelfall die Pflicht zur
nachehelichen Solidarität
. Da jede Unterhaltsentscheidung eine Einzelfallentscheidung ist, können die individuellen Umstände eine Befristung ausschließen, sodass die Unterhaltsverpflichtung auf Dauer bestehen bleibt.
Eine Frau hat im Alter von 16 Jahren geheiratet, als sie von ihrem Ehemann schwanger war. Aus der Ehe sind insgesamt 4 Kinder hervorgegangen. Davon lebt nur noch eine unterhaltsbedürftige Tochter im Haushalt der Mutter. Diese ist inzwischen an Darmkrebs erkrankt und deshalb zu 100 % schwerbehindert. Hier hat der Bundesgerichtshof die zeitliche Begrenzung abgelehnt (BGH, Urteil vom 27.5.2009, XII ZR 111/08, NJW 2009 S. 2450).
Eine Befristung kommt ebenfalls nicht infrage, wenn die Erkrankung gerade auf ein Fehlverhalten des Unterhaltsschuldners zurückzuführen ist. Das ist denkbar, wenn dieser zum Beispiel einen Unfall verursacht hat, durch den der andere berufsunfähig geworden ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.8.2010, 13 UF 17/10, FamRZ 2011 S. 225).
Beim Altersunterhalt gibt es grundsätzlich keine zeitliche Begrenzung (OLG Naumburg, Urteil vom 15.1.2008, 8 UF 151/07, FamRZ 2008 S. 2120).
Wichtig: Die Befristung erfolgt nicht automatisch. Wer sich auf die Unbilligkeit beruft, also den Unterhaltsanspruch zeitlich begrenzen lassen will, muss dies im Streitfall darlegen und beweisen. Hat der Unterhaltspflichtige die Umstände vorgetragen, die für eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs sprechen, muss die unterhaltsberechtigte Person alles vortragen, was dagegen spricht.
Die Dauer der Befristung hängt vom Einzelfall ab, allerdings spielt die Ehedauer eine gewisse Rolle. Die hat das Oberlandesgericht München einer Frau nach sieben Jahren Ehe drei Jahre lang Aufstockungsunterhalt zugesprochen (OLG München, Urteil vom 2.6.2008, 16 UF 624/08, FamRZ 2009 S. 52). In einem Fall, in dem keine ehebedingten Nachteile festgestellt werden konnten, gab es dagegen selbst nach 17 Jahren Ehe nur vier Jahre lang Unterhalt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.2.2009, NJW-RR 2009 S. 1011).
Wann und wie der Anspruch reduziert wird
Steht fest, dass der Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen nicht befristet werden kann, bleibt die Möglichkeit, den Anspruch der Höhe nach zu begrenzen – immer vorausgesetzt, dies entspricht der Billigkeit. In diesem Fall orientieren sich die Gerichte an der eigenen Lebensstellung, die der Anspruchsteller ohne die Eheschließung und die damit verbundenen Erwerbsnachteile erreicht hätte. Die besseren Lebensverhältnisse, die sich zum Beispiel aus einer Ehe mit einem sehr gut verdienenden Arzt ergeben, spielen dann keine Rolle mehr (BGH, Urteil vom 10.11.2010, XII ZR 197/08, FamRZ 2011 S. 192).
Eine unterhaltsberechtigte Ehefrau, die infolge einer 20-jährigen Familienpause nicht mehr in ihrem erlernten Beruf als Bankangestellte arbeitet wird unterhaltsrechtlich behandelt wie eine Bürohilfskraft (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.9.2009, 17 UF 128/09, FamRZ 2010 S. 217).
Das Ganze geht normalerweise stufenweise vonstatten und nicht sofort. Schließlich muss sich die unterhaltsberechtigte Person auf die neuen Verhältnisse einstellen können. Es kann aber auch ganz schnell gehen.
Eine 30-jährige Ehefrau ohne Berufsausbildung bekommt nach 5-jähriger Ehe ab der Scheidung nur noch den angemessenen Unterhalt, wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen.
Das Existenzminimum darf aber auf keinen Fall unterschritten werden. Das heißt, der Unterhaltsbedarf muss immer so bemessen sein, dass dem Anspruchsteller 770,00 € zum Leben zur Verfügung stehen.
3.2. Wenn die Unterhaltszahlung aus wichtigen Gründen unzumutbar ist
Unzumutbarkeit führt zur Verwirkung des Anspruchs
Ein Unterhaltsanspruch ist außerdem zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn der Anspruchsteller (§ 1579 BGB)
-
nur kurz mit dem anderen verheiratet war,
-
in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
-
sich eines schweren Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat,
-
seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
-
sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Unterhaltspflichtigen mutwillig hinweggesetzt hat,
-
vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
-
ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zu verantworten hat, oder
-
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die zuvor genannten Gründe.
Aber: Selbst wenn einer der Unzumutbarkeitsgründe vorliegt, gehen die Belange gemeinschaftlicher Kinder vor. Das heißt, Kinder dürfen nicht unter dem Fehlverhalten des betreuenden Elternteils leiden. Der Unterhalt darf deshalb zum Beipiel für die Mutter eines Kleinkindes nicht auf null reduziert werden. Außerdem gilt es zu verhindern, dass dieser Elternteil vom Unterhalt des Kindes mitlebt und dadurch der Lebensstandard des Kindes absinkt.
Im Einzelfall wird, auch wenn einer der oben genannten Gründe vorliegt, der Unterhaltsanspruch beschränkt – und zwar auf das Existenzminimum in Höhe von derzeit 770,00 € für einen nicht erwerbstätigen Ehegatten bzw. von 950,00 € für einen erwerbstätigen Ehegatten.
Wenn ein Unterhaltspflichtiger dem anderen Ehepartner das Fehlverhalten verziehen hat, sind ihm die Zahlungen zumutbar.
Der Mann hat trotz sehr kurzer Ehe nach der Trennung weiterhin Unterhalt für seine nicht arbeitende Frau bezahlt. Auch eine vorübergehende Wiederaufnahme der ehelichen Beziehung kann unter Umständen als Verzeihung ausgelegt werden.
Die Verwirkungsgründe im Einzelnen
Kurze Ehedauer (§ 1579 Nr. 1 BGB)
Hiervon spricht man normalerweise bei einer Ehedauer von ca. zwei Jahren. Eine Ehe über drei Jahre gilt nicht mehr als kurz (BGH, Urteil vom 27.1.1999, NJW 1999 S. 1630). Gerechnet wird vom Zeitpunkt der Eheschließung an bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens, also bis zur Zustellung des Scheidungsantrages durch das Gericht.
Wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, ist zusätzlich die Zeit zu berücksichtigen, in der der unterhaltsberechtigte Ehegatte Unterhalt wegen Kindesbetreuung verlangen kann. Dabei darf aber nicht die Kindererziehungszeit der Ehe einfach hinzugerechnet werden.
In Ausnahmefällen kann sogar mal eine Ehedauer von bis zu fünf Jahren noch als kurz angesehen werden. Das hängt zum Beispiel davon ab, ob die Ehegatten sich bei der Heirat versorgungsmäßig noch nicht auf eine wechselseitige Abhängigkeit eingestellt hatten (BGH, Urteil vom 3.2.1999, NJW 1999 S. 1547).
Ein Ehepaar, das beiderseits über eine ausreichende eigene Altersversorgung verfügt, lässt sich nach drei Jahren scheiden. Hier kann von einer kurzen Ehedauer gesprochen werden.
Verfestigte Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner (§ 1579 Nr. 2 BGB)
Die verfestigte Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner ist ein Härtegrund gemäß § 1579 BGB. Das heißt, es muss sich um eine dauerhafte feste Beziehung handeln. Dies gilt insbesondere, wenn der geschiedene Ehegatte nun mit dem neuen Partner gemeinsam wirtschaftet, also eine Unterhaltsgemeinschaft vorliegt.
Hierfür genügt ein Zeitraum von circa zwei bis drei Jahren. Das reicht aus, wenn sich der neue Partner überwiegend in der Wohnung des geschiedenen Ehegatten aufhält, dort übernachtet, die Freizeit im Wesentlichen gemeinsam gestaltet und in der Öffentlichkeit den Eindruck einer verfestigten Gemeinschaft erweckt. Es kommt nicht darauf an, ob der neue Partner eine eigene Wohnung hat.
Der neue Partner nimmt am Abiturball der Tochter der Unterhalt fordernden Frau teil (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.9.2010, II-7 UF 69/10, FamRZ 2011 S. 225).
Anders sieht es aus, wenn gemeinsame Kinder zu versorgen sind. Dann kommt es trotz der neuen dauerhaften nicht ehelichen Lebensgemeinschaft der unterhaltsberechtigten Person normalerweise nicht zu einer völligen Verwirkung des Anspruchs – allenfalls zu einer Kürzung.
Straftaten gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen Angehörige (§ 1579 Nr. 3 BGB)
Es muss nicht gleich Mord und Totschlag sein. Typische Anwendungsfälle für diese Vorschrift sind unter anderem Betrug, um Unterhaltsleistung zu erlangen. Darunter fallen zum Beispiel das Verschweigen eines Studienabbruchs oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.
Dasselbe gilt für falsche Auskünfte über eigene Einnahmen. Hier besteht sogar eine Pflicht zur Mitteilung ohne vorhergehende Aufforderung (BGH, Urteil vom 29.1.1997, FamRZ 1997 S. 483). Und: Selbst geringe eigene Einkünfte können bei Verschweigen den Anspruch zunichtemachen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.7.2010, II-8 14/10, FamRZ 2010 S. 225).
Auch wer bewusst verschweigt, dass er mit einem neuen Partner zusammenlebt, verwirkt unter Umständen seinen Anspruch und macht sich möglicherweise sogar schadensersatzpflichtig wegen zu viel gezahlten Unterhalts in der Vergangenheit (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.4.2003, 16 WF 190/02, NJW-RR 2004 S. 145).
Der Unterhaltsberechtigte muss sich darüber hinaus schuldhaft verhalten haben. Es kommt aber nicht darauf an, ob das Verhalten des Unterhaltsberechtigten strafbar ist.
Mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit (§ 1579 Nr. 4 BGB)
Hierunter fallen
-
Vermögensverschwendung,
-
unterlassene Heilbehandlung,
-
Aufgabe der Berufstätigkeit,
-
Verzicht auf Arbeitslosen- und Krankengeld und so weiter.
Problematisch ist hier, dem anderen die Mutwilligkeit nachzuweisen.
Vermögensschädigung (§ 1579 Nr. 5 BGB)
Hier genügt es, wenn der Unterhaltsbedürftige durch sein Verhalten das Einkommen des anderen Ehegatten mindert oder gefährdet.
Der Unterhaltsberechtigte schwärzt seinen Ex-Partner beim Arbeitgeber wegen eines vermeintlichen Diebstahls an, um dessen Kündigung zu erreichen.
Leichtfertige Strafanzeigen, insbesondere wegen Steuerhinterziehung.
Unterhaltspflichtverletzung (§ 1579 Nr. 6 BGB)
Hier geht es um ein Fehlverhalten, das schon vor der Trennung der Ehepartner häufig stattgefunden haben muss. Denkbar sind zum Beispiel die Fälle, in denen der Ehepartner, der später Unterhalt verlangt,
-
den Haushalt oder die Sorge für die Kinder während der Ehe vernachlässigt hat,
-
ohne triftigen Grund keiner Arbeit nachgegangen ist oder
-
kein Haushaltsgeld abgegeben hat.
Das Ganze muss dann auch noch über einen längeren Zeitraum gehen. Deshalb spielt dieser Verwirkungsgrund in der Praxis kaum eine Rolle.
Schwerwiegendes Fehlverhalten (§ 1579 Nr. 7 BGB)
Der Hauptanwendungsfall ist hier das einseitige Ausbrechen aus einer harmonisch verlaufenden Ehe
, indem sich der Anspruchsteller einem neuen Partner zuwendet. Von einer intakten Ehe kann man aber nicht mehr sprechen, wenn zum Beispiel wegen einer Krankheit des Unterhaltspflichtigen jahrelang keine sexuelle Beziehung mehr besteht. In diesem Fall kann die Unterhaltspflicht totz des Ausbruchs nicht verweigert werden.
Es sind aber auch andere außergewöhnliche Fälle denkbar.
Veröffentlicht ein Ehepartner während der Ehe auf einer einschlägigen Internetseite seine persönlichen sexuellen Vorlieben, reicht das, um den Unterhaltsanspruch zu versagen (OLG Oldenburg, Urteil vom 17.11.2009, 3 WF 209/09, FamRZ 2010 S. 904).
Sonstige schwere Gründe (§ 1579 Nr. 8 BGB)
Der Hauptanwendungsfall dieses Ausschlussgrundes war bisher eine neue Partnerschaft des Unterhaltsberechtigten nach der Scheidung. Dieser Fall ist seit dem 1.1.2008 in § 1579 Nr. 2 BGB geregelt. Was also noch darunter fallen könnte, wird die Rechtsprechung im Einzelfall entscheiden müssen.