Sorgerecht: Waldorfschule nicht zwangsläufig die schlechtere Schulwahl
Die nicht verheirateten Eltern eines 6-jährigen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Das Kind soll zu Beginn des Schuljahres nach den Sommerferien 2020 in die erste Klasse einer Grundschule eingeschult werden. Die Eltern sind aber unterschiedlicher Auffassung, was die Schulart anbetrifft. Der Vater möchte das Kind auf einer Regelgrundschule am Ort, wo das Kind wohnt, anmelden. Die Mutter möchte das Kind auf der Waldorfschule einschulen. Der Vater hat dagegen grundsätzliche Bedenken. Die Mutter meint, das Konzept der Waldorfpädagogik sei für das Kind besonders sinnvoll. Zudem sei dort eine gute Nachmittagsbetreuung gewährleistet. Das Kind wolle auch auf diese Schule.
Da man sich nicht einigen konnte, musste das Familiengericht in dieser Angelegenheit die elterliche Sorge auf einen Elternteil allein übertragen. Es wurde zugunsten der Mutter entschieden, weil dies nach Auffassung des Gerichts dem Kindeswohl am ehesten entspricht.
Das Gericht hatte dabei nicht darüber zu entscheiden, welche Schulart für das Kind am besten geeignet ist, sondern welcher Elternteil am ehesten für die Schulwahlentscheidung geeignet ist. Deshalb war hier ausschlaggebend, dass die Mutter als Hauptbezugsperson von der Entscheidung besonders betroffen ist, weil sie die Umsetzung überwiegend organisieren muss. Zudem hatte sie sich Vorfeld tiefergehend mit der Frage beschäftigt als der Vater.
Das soziale Umfeld des Kindes und der Schulweg wurde ebenfalls berücksichtigt. Der Wille des Kindes dagegen weniger. Kinder im Alter von sechs Jahren seien in der Regel nicht in der Lage die Folgen der Wahl eines bestimmten Schultyps abzusehen und eine Entscheidung hiernach auszurichten. Die Waldorfschule sei eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Die Waldorfpädagogik, der dahinterstehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schulorganisation usw. seien zwar diskutabel, aber könnten nicht zwangsläufig als Gefahr für das Wohl des Kindes angesehen werden.
AG Frankenthal, Beschluss vom 25.6.2020, 71 F 79/20