Schwerbehinderte hat Anspruch auf »Reha-Karre«
Um an Fahrradausflügen mit ihrer Familie, ihren Assistenten und Freunden teilnehmen zu können, hatte eine 36-jährige Schwerbehinderte gegen den Landschaftsverband Rheinland auf Bewilligung einer »Reha-Karre«, Fahrradanhänger, geklagt. Die Frau leidet an spastischer Tetraparese und Tetraplegie. Sie ist gehbehindert und kann nicht selbst Fahrrad fahren.
Da ihre Familie und der Freundeskreis immer mehr Fahrten mit dem Fahrrad unternehmen würden – für Erledigungen in der Innenstadt, aber auch Ausflüge in die Umgebung –, sei sie ohne Reha-Karre vollständig ausgeschlossen. Auch ihre Assistenzkräfte, die teilweise keinen Führerschein besäßen, seien in ihren Möglichkeiten der Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt. Die Klage hatte Erfolg.
Das zuständige Sozialgericht Aachen stellte fest, die Bewilligung sei erforderlich, um wegen der Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Frau dürfe nicht auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, des behindertengerecht umgebauten Fahrzeugs oder ihres Aktiv-Rollstuhls verwiesen werden. Das grundrechtlich verbürgte Benachteiligungsverbot untersage es, behinderte Menschen von Betätigungen auszuschließen, die Nichtbehinderten offenstünden.
Das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin beinhalte, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Freizeit verbringen wolle. Es bestünden keine Zweifel, dass ein Fahren mit der Reha-Karre, die von einem Fahrrad gezogen werde, zu den Zielen der Freizeitgestaltung der Klägerin gehöre. Von dieser Freizeitgestaltung mit ihrer Familie sowie mit ihren Assistenzkräften sei sie jedoch bislang aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen. Ein Ausgleich dieser Benachteiligung könne nur durch die Bewilligung der Reha-Karre erfolgen.
SG Aachen, Urteil vom 14.6.2024, S 19 SO 112/23