Familiengericht kann strenge Vorgaben für Umgang eines Sexualstraftäters mit Kind der Lebensgefährtin machen
Eine allein sorgeberechtigte Mutter zog Mitte 2015 mit ihrer damals siebenjährigen Tochter bei ihrem Lebensgefährten ein. Dieser war in den Jahren 2000 und 2004 wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in einem davon in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Die Strafe hatte er im Dezember 2009 vollständig verbüßt. Im Rahmen der anschließenden bis Februar 2016 dauernden Führungsaufsicht war ihm im April 2015 verboten worden, zu Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts Kontakt aufzunehmen, außer in Begleitung und unter Aufsicht eines Sorgeberechtigten. 2012 wurde er zudem wegen Besitzes von kinder- und jugendpornographischen Schriften und im Jahr 2013 wegen Nachstellung rechtskräftig verurteilt.
Auf Anregung des Jugendamts hat das Amtsgericht im Juli 2015 der Mutter das Sorgerecht teilweise entzogen und insoweit das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestellt. Das Jugendamt veranlasste daraufhin, dass das Kind zunächst bei einer befreundeten Familie und anschließend in einem Kinderhaus untergebracht wurde. Dagegen wehrte sich die Kindsmutter und ging vor das Familiengericht. Hier erteilte man der Mutter sowie dem Lebensgefährten Weisungen zum Umgang mit dem Kind. Danach durfte die Mutter das Kind nicht ohne ihre gleichzeitige Anwesenheit mit dem Lebensgefährten verkehren lassen und zwischen 22 Uhr und 8 Uhr den Aufenthalt des Kindes in derselben Wohnung wie der Lebensgefährte zulassen. Gegen den Lebensgefährten wurden entsprechende Verbote ausgesprochen. Ferner wurde der Mutter aufgegeben, jederzeit unangekündigte Besuche des Jugendamts zu akzeptieren. Das Mädchen ist daraufhin in den Haushalt der Mutter zurückgekehrt.
Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof. Auch hier hatte die Mutter keinen Erfolg. Denn grundsätzlich darf ein Familiengericht zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls die erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn die sorgeberechtigten Personen selbst nicht fähig ist, die Kindeswohlgefährdung abzuwehren. Eine solche liegt vor, wenn wie hier eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr besteht, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender der drohende Schaden ist. Davon war hier auszugehen. Das eingeholte Sachverständigengutachten hatte eine durchaus erhebliche Gefahr festgestellt, dass der Lebensgefährte gegenüber dem Kind in ähnlicher Weise übergriffig werden könnte wie in den Fällen, die zu seiner Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern geführt hatten.
Die einzelnen angeordneten Maßnahmen hielt der Familiensenat des BGH für geeignet und zumutbar. Angesichts der schweren möglichen Folgen eines nur einmaligen Missbrauchs hielt das Gericht die angeordneten Maßnahmen im Vergleich zu der Beeinträchtigung der Lebensführung der Mutter, des Kindes und des Lebensgefährten und unter Berücksichtigung des festgestellten Grades der Rückfallgefahr zumutbar.
(BGH, Beschluss vom 23.11.2016, Az. XII ZB 149/16)
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