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Ehevertrag auf dem Prüfstand: Die Gesamtumstände sind entscheidend

Familie & Vorsorge 16. Mai 2017
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Ehevertrag auf dem Prüfstand: Die Gesamtumstände sind entscheidend

© asawinklabma / fotolia.com

Einseitig benachteiligende Eheverträge sind als Gesamtwerk nichtig, auch wenn die einzelnen Regelungen für sich zulässig sind. Das gilt insbesondere, wenn der begünstigte Ehepartner dem anderen wirtschaftlich und sozial überlegen ist.

Ein Ehepaar hatte 1993 geheiratet. Zwei Jahre später trat der Mann wegen einer Unternehmensumwandlung mit dem Wunsch nach einem Ehevertrag an seine Frau heran. Seine Mutter, Mitinhaberin der Firma, wolle das so. Gesagt getan: Das Ehepaar schloss einen Ehevertrag unter der Überschrift "Ehevertrag und Erbverzicht" ab. Geregelt wurde darin, welche Ansprüche im Fall einer Scheidung ausgeschlossen sein sollten. Verzichtet wurde auf Unterhalt, den Ausgleich der Rentenansprüche und die Aufteilung des ehelichen "Zugewinns". Einzige Ausnahme sollte der Unterhalt für die Betreuung gemeinsamer Kinder sein. 2012 stellte der Ehemann den Scheidungsantrag. Zu diesem Zeitpunkt litt die Frau bereits seit Jahren an Multipler Sklerose.

Der Ehevertrag lag am Ende dem Bundesgerichtshof zur Prüfung vor. Und der erklärte das Vertragswerk für nichtig. Die Krankheit der Frau war hier allerdings nicht entscheidend. Schließlich war sie erst nach Vertragsschluss aufgetreten. Auch die wirtschaftliche Einseitigkeit der Vereinbarung macht laut BGH den Vertrag noch nicht ungültig. Will sagen, alle Einzelregelungen des Vertrages sind an sich zulässig - isoliert betrachtet.

Allerdings kommt es auf die Gesamtschau an. Hier kam hinzu, dass das Ehepaar beim Abschluss des Ehevertrags bereits zwei Jahre verheiratet war.  Der Frau wurden durch den Vertrag alle Rechte genommen, die sie eigentlich bei ihrer Heirat hatte. Eine Kompensation, z. B. in Form einer Kapitallebensversicherung zur Absicherung im Alter, gab es dafür nicht.

Auch die Art und Weise, wie der Vertrag zustande kam, gefiel den Richtern nicht. Sie machten die einseitige Verhandlungsposition des Mannes augenscheinlich. Er hatte als gut verdienender Firmeninhaber seine Frau, damals Teilzeitsekretärin in seinem Familienbetrieb, schlichtweg überrumpelt. Er war es, der sich den Vertragsinhalt allein ausgedacht und der Frau nicht einmal den Entwurf vor dem Beurkundungstermin beim Notar gezeigt hatte.

Im Beurkundungstermin las der Notar den Vertrag zwar vor. Die Frau unterschrieb aber, ohne ihn selbst noch einmal durchgelesen zu haben. Sie wollte den Beurkundungstermin zügig hinter sich bringen. Sie hatte Angst, ihr noch keine vier Wochen altes Baby könnte schreien. Darin sah das Gericht die Ausnutzung der wirtschaftlichen und sozialen Überlegenheit auf Seiten des Mannes.

(BGH, Beschluss vom 15.3.2017, XII ZB109/16)

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