Bei Verstoß gegen Schutzpflichten gegenüber behinderten Heimbewohnern haftet der Betreiber
Eine geistig behinderte Frau hatte sich im April 2013 schwerste Verbrühungen an Füßen und Unterschenkeln zugezogen, nachdem sie sich mit zu heißem Wasser ein Bad eingelassen hatte. Sie hatte zuvor zwar eine Pflegerin gefragt, ob sie ein Bad nehmen dürfe. Eine Überwachung der Frau durch das Pflegepersonal fand aber nicht statt. Bei der nachfolgenden Heilbehandlung kam es zu mehreren Hauttransplantationen und erheblichen Komplikationen, die schließlich auch zu einer Verschlechterung des psychischen Zustandes der Frau führten. Die Sache ging vor Gericht bis zum Bundesgerichtshof.
Nach Ansicht der Karlsruher Richter wären hier technische Vorrichtungen oder eine persönliche Überwachung erforderlich gewesen. Das Wohnheim hätte entweder die Armaturen im Badezimmer mit einer Temperaturbegrenzung ausstatten müssen. Das gelte nach der einschlägigen DIN-Norm ganz besonders für Einrichtungen wie Seniorenheime, Krankenhäuser und Schulen, in denen die Wassertemperatur besonders zu beachten sei. Alternativ hätte das Pflegepersonal den Badevorgang und die Wassertemperatur überwachen können.
Ein Heimbetreiber habe die Pflicht, "unter Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der ihm anvertrauten Bewohner diese vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen". Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn jedenfalls vor einer in einer DIN-Norm beschriebenen Gefahr schützt, wenn er selbst aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen die Gefahr nicht eigenverantwortlich erkennen und angemessen auf sie reagieren kann.
Da nützte es dem Heimbetreiber nichts, dass die Frau in einer Hilfsbedarfsgruppe eingestuft war, die über einen relativ hohen Grad an Selbständigkeit verfügt. Auch das Argument, dass sie in der Vergangenheit mehrfach und problemlos gebadet hatte, zog hier nicht.
BGH, Urteil vom 22.8.2019, III ZR 113/18