Vorsicht: Erbunwürdig wegen Fristversäumnis
Der Erblasser hatte zusammen mit seiner Ehefrau ein gemeinsames handschriftliches Testament verfasst. In diesem haben sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Damit war die gemeinsame Tochter beim ersten Erbfall, hier also dem Tod des Erblassers enterbt.
Dies wurde ihr vom Nachlassgericht mit Übersendung einer Kopie des Testaments mitgeteilt. Allerdings hatte die Tochter Zweifel daran, ob der Erblasser das Testament selbst unterschrieben hatte. Da sie vermutete, es sei von ihrer Mutter gefälscht und erst nachträglich erstellt, hatte sie eine Anfechtungsklage eingereicht. Mit dieser wollte sie die Erbunwürdigkeit der Mutter gem. § 2339 BGB feststellen lassen. Diese wäre dann von allen Ansprüchen auf den Nachlass ausgeschlossen.
Diese Anfechtungsklage wurde der vermeintlichen Erbin vom Gericht zugstellt. Sie wurde gleichzeitig dazu aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dem Gericht gegenüber zu erklären, ob sie sich gegen die Klage zur Wehr setzen möchte. Hierauf hat sie aber nicht reagiert, so dass nach Ablauf der Frist ein Versäumnisurteil erging, in dem festgestellt wurde, dass die Ehefrau erbunwürdig ist.
Im darauffolgenden Erbscheinsverfahren ist der mit der Erbunwürdigkeitsfeststellung einhergehende Verlust der Erbenstellung als bindend anerkannt worden. Dies haben auch die Richter des Bundesgerichtshofs so gesehen. Nur aufgrund der Fristversäumnis wurde nicht mehr geprüft, ob die Erbunwürdigkeit wirklich gegeben war. Der Einwand der leer ausgegangenen Erbin, sie wäre durch die Trauer um ihren Gatten darin gehindert gewesen, die Post vom Gericht zu öffnen, ließen die Richter nicht als Argument gelten.
Unser Rechtstipp:
Post von Gerichten und Behörden sollte daher niemals ungeöffnet bleiben, denn das kann, wie dieser Fall zeigt, ganz erhebliche Auswirkungen haben.
BGH, Beschluss vom 26.4.2023, IV ZB 11/22