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Überhöhte Abrechnung durch Schlüsselnotdienst auch strafrechtlich relevant

Dienstleistung, Handel & Privatverkäufe 28. Juni 2021
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RioPatuca Images / stock.adobe.com

Schlüsselnotdienste, die die Notsituation von Verbrauchern ausnutzen, betreiben Wucher (z.B. übersteigt die Abrechnung den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte). Bereits das Ausgesperrtsein bringt Wohnungsnutzer in eine Zwangslage.

Der Betreiber einer Schlüsseldienstfirma hatte in Telefonbüchern Scheinfirmen mit örtlicher Anschrift und dazu passender Telefonnummer eintragen lassen. Wer die Nummern wählte, wurde an ein Callcenter weitergeleitet. Von dort wurden Monteure beauftragt, die vor Ort ihren Notdienste-Einsatz überteuert abrechneten. Sie stellten mehr als das Doppelte des üblichen Marktpreises in Rechnung (z.B. kassieren sie für eine einfache Türöffnung mehrere hundert Euro). Für den Verbraucher wurde dabei stets der Anschein gewahrt, eine ortsansässige Firma sei für den Einsatz beauftragt worden.

In diesem Strafverfahren monierte die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Revision, dass die Angeklagten nicht auch wegen Wuchers verurteilt wurden (§ 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Der Bundesgerichtshof stellte mit seinem Urteil klar: Allein das Ausgesperrtsein selbst stellt eine Zwangslage im Sinne des Wucher-Tatbestands dar.

Bislang wurde von den Gerichten teils vertreten, das Ausgesperrtsein aus der eigenen Wohnung allein reiche nicht aus, die gesetzlich erforderliche Zwangslage zu begründen. Verlangt wurde vielmehr, dass weitere Gründe hinzutreten (z.B. ein Kleinkind in der Wohnung oder ein Topf auf dem eingeschalteten Herd).

Die Betreiber des Schlüsselnotdiensts beuten eine Zwangslage des ausgesperrten Wohnungsnutzers aus. Seine Ausnahmesituation verhindert, dass die sonst mögliche und übliche Auswahl eines Handwerkers sattfindet. Es ist Eile geboten.

Es wird sozusagen der „Nächstbeste“ beauftragt. Der Werklohn kann in diesen Notfällen meist nicht ausgehandelt werden. Vielmehr setzt der Handwerker den Preis einseitig fest. So bringt bereits das Ausgesperrtsein an sich den Wohnungsnutzer in eine Schwächesituation, die der Handwerker ausbeuten kann. Für die Ausbeutung ist es nicht entscheidend, dass die Kunden nicht kopflos gehandelt haben, sondern besonnen auf der Beauftragung eines ortsansässigen Handwerkers bestanden haben (z.B. durch die Suche über das örtliche Telefonbuch).

Folge: Können Abzocker, die überteuerte Schlüsselnotdienste anbieten, nunmehr strafrechtlich wegen Wuchers belangt werden, kann das dazu führen, dass es den kriminellen Strukturen in diesem Metir dauerhaft den Boden entzieht.

BGH, Urteil vom 16.1.2020, 1 StR 113/19

Unser Rechtstipp:

Verbraucher, der in einer Notsituation Wucherpreisen von Schlüsselnotdiensten ausgesetzt ist, sollten die Rechnung nicht zahlen. Erstatten Sie vielmehr Strafanzeige bei der Polizei!