Mutterschaftsurlaub für Mütter diskriminiert Väter nicht in jedem Fall
In Frankreich sieht ein Tarifvertrag für bestimmte Branchen vor, dass alleinerziehende Arbeitnehmerinnen zusätzlichen Urlaub erhalten. Mütter können nach Ablauf des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs einen 3-monatigen Urlaub bei halber Bezahlung, einen 1 ½-monatigen Urlaub bei voller Bezahlung oder einen 1-jährigen unbezahlten Urlaub nehmen.
Auch ein Arbeitnehmer – Vater einer kleinen Tochter –, dessen Arbeitsverhältnis unter die Anwendung des Tarifvertrages fiel, wollte diesen Zusatzurlaub für sich in Anspruch nehmen. Dies wurde ihm jedoch nicht genehmigt.
Eine französische Gewerkschaft klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht in Metz. Dieses rief den Europäischen Gerichtshof an, um die Grundsatzfrage zu klären, ob ein zusätzlicher Mutterschaftsurlaub in einem nationalen Tarifvertrag ausschließlich Müttern vorbehalten werden darf.
Der EuGH bejahte diese Frage zwar im Grundsatz, normierte aber strenge Anforderungen an die erforderliche sachliche Begründung der Ungleichbehandlung. Allein an die Elternschaft an sich darf eine solche tarifvertragliche Reglung nicht anknüpfen, denn sie diskriminiert ansonsten alleinerziehende Väter.
Diese Ungleichbehandlung ist nur dann zulässig, wenn der Zusatzurlaub ausschließlich den Gesundheitsschutz der Mutter und der Beziehung zum Kind dient (d.h., Schutz der körperlichen Verfassung der Frau nach Schwangerschaft und Entbindung sowie die besondere Beziehung zu ihrem Kind im Anschluss daran).
Die tarifvertragliche Regelung muss also diesen Schutz konkret gewährleisten. Es genügt nicht, dass der Urlaub unmittelbar auf den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub folgt.
Das französische Arbeitsgericht muss nun konkret prüfen, ob die vom EuGH genannten Voraussetzungen für die Tarifregelung des zusätzlichen Mutterschaftsurlaubs erfüllt sind.
EuGH, Urteil vom 18.11.2020, C-463/19
Anmerkung der Redaktion:
Nach deutschem Recht haben Mütter und Väter gleichermaßen Anspruch auf Elternzeit nach BEEG. Für deutsches Arbeitsrecht stellt das Urteil des EuGHs indes klar, Arbeitnehmer dürfen auch in ihrer Eigenschaft als Mütter und Väter nur ungleich behandelt werden, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Anderenfalls können sie auf Gleichbehandlung klagen (z.B. liegt ein Verstoß gegen das AGG vor).