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Darf schweres Übergewicht allein den Job kosten?

Arbeitnehmer & Auszubildende 5. Mai 2017
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Darf schweres Übergewicht allein den Job kosten?

© Viacheslav Iakobchuk / fotolia.com

Ein Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn er einen befristeten Arbeitsvertrag eines übergewichtigen Mitarbeiters wegen einer negativen Gesundheitsprognose nicht verlängert.

Ein schwer übergewichtiger Mann war im März 2015 für zwei Jahre befristet als Kraftfahrer eingestellt worden. Die Einstellungsuntersuchung hatte ergeben, dass er trotz seines erheblichen Übergewichts unter keinen größeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen litt.

Im Herbst 2015 folgte eine zweite Untersuchung. Diese bestätigte den ersten Befund. Zugleich wurden dem Arbeitnehmer von seinem Vorgesetzten gute Leistungen bescheinigt. Deshalb bat er seinen Arbeitgeber, ihn weiterzubeschäftigen.

Im Rahmen eines Personalgespräches wurde ihm jedoch mitgeteilt, sein befristeter Vertrag werde nicht verlängert. Die untersuchende Vertrauensärztin habe auf Anfrage bestätigt, es sei bei diesem starken Übergewicht mittelfristig mit einer Gesundheitsgefährdung zu rechnen.

Damit war der Mitarbeiter nicht einverstanden. Er werde aufgrund seines schweren Übergewichts (sogenannte „Adipositas“), also wegen einer Behinderung, benachteiligt. Er berief sich auf die Unwirksamkeit der Befristung.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen folgte ihm nicht in seiner Rechtsauffassung. Ein Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn er einen befristeten Arbeitsvertrag eines übergewichtigen Mitarbeiters wegen einer negativen gesundheitlichen Prognose nicht verlängert.

Eine Adipositas ist keine Behinderung im Sinne des AGG. Dem Arbeitgeber kann somit kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorgeworfen werden. Denn eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG setzt eine Einschränkung voraus, die auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit anderen Arbeitnehmern, behindern kann. Das ist bei einer Adipositas aber nicht in jedem Fall gegeben. Diese Erkrankung bringt nur unter bestimmten Umständen eine solche Einschränkung mit sich bringt und nur dann, wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist.

Dies ist hier nicht gegeben. Der Arbeitnehmer hat selbst vorgetragen, dass bei ihm – von der Adipositas abgesehen – gesundheitliche Einschränkungen nicht vorliegen. Nicht ausreichend ist die Feststellung, dass schweres Übergewicht an sich immer mit Einschränkungen bei der Verrichtung des täglichen Lebens verbunden ist.

Der Arbeitgeber hat die Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mit Minderleistungen oder Fehlzeiten begründet, sondern auf die vertrauensärztliche Negativprognose abgestellt. Danach ist zu befürchten, dass das Übergewicht in Zukunft zu gesundheitlichen Einschränkungen führen kann.

LAG Niedersachsen, Urteil vom 29. 11. 2016, 10 Sa 216/16

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