Wie funktioniert die Freistellung eines Arbeitnehmers vom Arbeitsverhältnis?
Im Arbeitsverhältnis gibt es Situationen, in denen der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht entbunden und damit freigestellt ist. Welche Freistellungsmöglichkeiten und Freistellungsansprüche es gibt und was Sie als Arbeitgeber dabei beachten müssen, erfahren Sie hier.
Die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses bestehen in der Arbeitspflicht auf Arbeitnehmerseite sowie in der Zahlungspflicht auf Arbeitgeberseite. Sowohl im bestehenden als auch im gekündigten Arbeitsverhältnis gibt es unterschiedliche Situationen, in denen der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitspflicht entbunden und damit freigestellt ist.
In manchen Fällen entfällt auch die Vergütungsverpflichtung des Arbeitgebers, in manchen aber auch nicht. Die beiderseitige Suspendierung der Hauptpflichten hat das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Unabhängig davon bleiben die beiderseitigen vertraglichen Nebenpflichten bestehen. Das sind etwa Verschwiegenheitspflichten, Wettbewerbsverbote oder Fürsorgepflichten.
I. Welche Ansprüche auf Freistellung hat ein Arbeitnehmer?
Der Anspruch Ihres Mitarbeiters auf Freistellung von der Arbeitspflicht kann sich aus unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften ergeben. Das sind zum Beispiel § 616 BGB oder § 3 PflegeZG (Gesetz über die Pflegezeit), § 2 FPfZG (Gesetz über die Familienpflegezeit). Außerdem gibt es tarifliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen, die eine Freistellung vorsehen. Sie und Ihr Mitarbeiter können auch jederzeit eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag treffen.
1.1. Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung?
Ihre Mitarbeiter sind vor allem dann von der Arbeitspflicht freigestellt und erhalten dennoch ihre Bezahlung, wenn sie Erholungsurlaub oder Bildungsurlaub nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder in Anspruch nehmen.
Ist der Arbeitnehmer unverschuldet gehindert daran, die Arbeitsleistung zu erbringen (§ 616 BGB), kann es auch zu einer bezahlten Freistellung kommen. Außerdem sind die Arbeitnehmer zur Stellensuche und Meldung bei der Agentur für Arbeit freizustellen.
1.2. Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf unbezahlte Freistellung?
Einen allgemeinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung unbezahlter Freistellung gibt es nicht. Grundlage für eine Freistellung können nur eine Vereinbarung oder gesetzliche Regelungen sein. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach § 3 PflegeZG und § 2 FPfZG. Es kann für die Pflege naher Angehöriger ein vollständiger oder teilweiser Freistellungsanspruch geltend gemacht werden.
Ein Sonderfall der unbezahlten Freistellung ist die Beteiligung des Arbeitnehmers an einem gewerkschaftlich organisierten Streik. Der Streik führt ebenso wie die Aussperrung dazu, dass die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten suspendiert sind. Die Vergütung erhält der streikende Mitarbeiter als Streikgeld von der Gewerkschaft.
II. Welche Freistellungsmöglichkeiten hat ein Arbeitgeber?
Auch auf Arbeitgeberseite gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf unbezahlte Freistellung. Eine Freistellung kann sich auch hier nur aus einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung ergeben.
Beispiele für gesetzliche Regelungen sind:
§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG für werdende Mütter,
§§ 15 ff. BEEG für die Elternzeit,
§ 45 SGB V für die Betreuung eines kranken Kindes,
§ 9 EFZG bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation,
Kurzarbeit
Altersteilzeit nach dem AltTZG.
Ohne gesetzliche, kollektivrechtliche oder vertragliche Regelung können Sie als Arbeitgeber auch aus wirtschaftlichen Gründen den Arbeitnehmer nicht von der Arbeit freistellen und die Vergütungszahlungen einstellen.
Sie als Arbeitgeber tragen das Betriebsrisiko. Wenn Sie Ihre Personalkosten reduzieren müssen, steht Ihnen neben einer vertraglichen Vereinbarung mit den Mitarbeitern nur das Mittel der betriebsbedingten Kündigung oder der Änderungskündigung zur Verfügung.
Wenn Sie als Arbeitgeber eine Freistellung erteilen, weil der Arbeitnehmer eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen hat, die bei Ihnen einen Schaden verursacht hat (etwa Betrug oder Unterschlagung), dann können Sie während des Freistellungszeitraums Ihre Schadensersatzansprüche gegen die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers aufrechnen.
Für Sie als Arbeitgeber ist wichtig zu wissen, dass eine Freistellung nur dann rechtmäßig sein kann, wenn eine umfassende Interessenabwägung erfolgt ist. Sie müssen prüfen, ob ausnahmsweise Ihre Interessen besonders schutzwürdig sind. Und ob diese gegenüber dem grundsätzlichen Anspruch auf Beschäftigung des Arbeitnehmers deutlich überwiegen.
III. Was gilt für die Freistellung eines Arbeitnehmers in der Kündigungsfrist?
Typisches Beispiel für eine Freistellung ist die Freistellung nach Ausspruch einer fristgerechten verhaltensbedingten Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist.
Beruht die Kündigung auf einer Straftat des Mitarbeiters oder besteht jedenfalls ein dringender Tatverdacht, so werden in aller Regel Ihre Interessen an der Freistellung überwiegen. Dasselbe gilt für den Fall, dass Sie einem Mitarbeiter aufgrund eines Verhaltens kündigen mussten und Sie aufgrund dieses Verhaltens vermuten, dass eine Weiterbeschäftigung während der Kündigungsfrist zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens führen würde.
Bei betriebsbedingten Kündigungen bilden Freistellungen die Ausnahme. Hier kann nur mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden.
Nach der Rechtsprechung ist eine Freistellung nach Zugang der Kündigung regelmäßig zulässig. Etwas anderes gilt nur
bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung oder
Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann sich auch dann durchsetzen, wenn ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung besteht. Etwa weil er seinen Wissens- oder Kenntnisstand in einer sich schnell entwickelnden Branche erhalten will.
Wenn Sie eine Freistellung als Arbeitgeber anordnen, kann sich der Mitarbeiter gegen die Freistellung im Wege der einstweiligen Verfügung zur Wehr setzen.
Hinweis
Es ist zulässig, bereits bei Vertragsschluss im Arbeitsvertrag eine Freistellung für den Kündigungsfall zu vereinbaren.
Die Freistellung ist nicht ohne Weiteres mit der Anrechnung von Resturlaubsansprüchen verknüpft. Dazu bedarf es einer vorherigen vertraglichen Regelung oder einer eindeutigen Erklärung des Arbeitgebers. Allerdings überwiegt insoweit das betriebliche Interesse an der urlaubsbedingten Freistellung. Sodass eventuelle Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zurücktreten.
Hinweis
Der Betriebsrat hat bei Freistellungen keine Mitbestimmungsrechte. Freistellungen sind keine Versetzung i. S. v. § 99 BetrVG. Es werden nur Aufgaben entzogen, aber keine neuen zugewiesen.
IV. Was sind die arbeitsrechtlichen Folgen einer Freistellung?
Beruht die Freistellung auf einer Vereinbarung der Parteien, so ist diese auch Grundlage für den Vergütungsanspruch des Mitarbeiters. Die Anrechnung von anderweitigem Verdienst muss dann auch ausdrücklich vereinbart werden.
Die Anrechnung von Urlaub während der Freistellung setzt eine unwiderrufliche Freistellung voraus. Der genaue Urlaubszeitraum muss nicht festgelegt werden. Es reicht aus, wenn eine Urlaubsgewährung im Freistellungszeitraum angeordnet wird.
Stellen Sie als Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig frei, kann der Mitarbeiter davon ausgehen, dass er nunmehr in der Verwertung seiner Arbeitskraft frei ist und das allgemeine gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB nicht mehr gilt.
Wenn Ihr Mitarbeiter während einer unbezahlten Freistellung erkrankt, Sind Sie nicht zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet. Grund für den Fortfall des Vergütungsanspruchs ist die unbezahlte Freistellung und nicht die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie mit Ihrem Mitarbeiter eine unbezahlte Freistellung zu Erholungszwecken vereinbart haben. Bei der bezahlten Freistellung hingegen gilt die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht uneingeschränkt.