Enterbung total – fast nicht möglich: Wer hat Anrecht auf den Pflichtteil und in welcher Höhe?
Ein gewisser Kreis naher Angehöriger hat im Erbfall einen Pflichtteilsanspruch. Die Höhe beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Haben schon zu Lebzeiten Schenkungen stattgefunden, kann das den Pflichtteilsanspruch allerdings schmälern. Nur in absoluten Ausnahmefällen kann der Pflichtteilsanspruch entzogen werden.
I. Wer darf den Pflichtteil fordern?
Ein Erblasser darf im Grundsatz mit seinem Hab und Gut machen, was er will. Ausnahme: Ein bestimmter Kreis naher Angehöriger behält einen Mindestanspruch an dem Nachlass (Pflichtteil
), gleichgültig wen der Erblasser zu seinem Erben einsetzt. Pflichtteilsberechtigt sind:
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die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel etc. einschließlich nicht ehelicher Kinder, soweit die verwandtschaftliche Beziehung durch Vaterschaftsanerkennung oder Feststellungsklage sicher ist, und Adoptivkinder bzw. deren Abkömmlinge),
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der Ehegatte des Erblassers, soweit die Ehe zum Todeszeitpunkt noch bestanden hat, und
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die Eltern des Erblassers, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.
Geschwister sind nicht pflichtteilsberechtigt. Enkel bekommen nur etwas, wenn deren Mutter oder Vater, also Tochter oder Sohn des Erblassers,
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vorverstorben ist,
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die Erbschaft ausgeschlagen hat (§ 1953 BGB),
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für erbunwürdig erklärt wurde,
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den Pflichtteil wirksam entzogen bekommen hat oder
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einen Erb- und Pflichtteilsverzicht für sich, nicht aber für weitere Abkömmlinge wie zum Beispiel für die Enkel erklärt hat.
Bezieht die pflichtteilsberechtigte Person Sozialhilfe, darf der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch aus übergeleitetem Recht geltend machen, auch wenn der Hilfeempfänger es selbst nicht machen würde (BGH, Urteil vom 19.10.2005, IV ZR 235/03 ). Dies spielt insbesondere bei Behinderten eine Rolle, die in guter Absicht enterbt worden sind und Sozialhilfe bezogen haben oder noch beziehen.
II. Was muss ein Pflichtteilsberechtigter wissen?
2.1. Wenn eine Enterbung im Raum steht
Jeder Erblasser darf ohne Angabe von Gründen seine gesetzlichen Erben durch Testament oder Erbvertrag enterben (§ 1938 BGB). Persönliche Motive brauchen nicht nachvollziehbar zu sein. Gleichgültig ist, ob die Enterbung in einem notariell beurkundeten oder in einem privatschriftlichen Testament enthalten ist (§ 2231 BGB). Die Enterbung muss auch nicht ausdrücklich erfolgen. Häufig besteht sie schlicht darin, dass eine bestimmte Person einseitig bevorzugt wird.
Eltern machen ein
Berliner Testament, wonach sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden gemeinsamen Kinder je hälftig zu Erben des Überlebenden einsetzen. In einem solchen Testament werden zwei Erbfälle geregelt. Beim Tod des erstversterbenden Elternteils werden die eigentlich als gesetzliche Miterben vorgesehenen Kinder enterbt (sogenanntekonkludente Enterbung). Gesetzliche Erben wären in diesem Fall der überlebende Elternteil und die beiden Kinder. Jedes Kind könnte nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils gegen den überlebenden Elternteil Pflichtteilsansprüche geltend machen.Erblasser E ist verwitwet. Er hinterlässt zwei eheliche Kinder und ein (nach dem 1.7.1949 geborenes) nicht eheliches Kind. In einem gültigen Testament hat er die beiden ehelichen Kinder je hälftig zu seinen Erben eingesetzt. Damit ist das nicht eheliche Kind enterbt. Nach den Regeln des gesetzlichen Erbrechts wären alle drei Kinder zu je einem Drittel gesetzliche Erben (§ 1924 BGB). Anstelle des gesetzlichen Erbrechts bekommt das nicht eheliche Kind einen Pflichtteilsanspruch gegen die beiden ehelichen Kinder.
Der unverheiratete und kinderlose Erblasser E, dessen Eltern noch leben, setzt seine Lebensgefährtin zur testamentarischen Alleinerbin ein. Nach dem Gesetz wären beide Eltern gesetzliche Erben (§ 1925 BGB). Sie haben somit Pflichtteilsansprüche gegen die Lebensgefährtin (§ 2303 BGB).
2.2. Wenn Sie die Erbschaft ausschlagen
weil die Erbschaft beschränkt ist
Wer als Pflichtteilsberechtigter an sich Erbe geworden ist, die Erbschaft aber ausschlägt, hat normalerweise keinen Pflichtteilsanspruch. Anders sieht es aus, wenn die Erbschaft beschränkt oder beschwert war. Typische Fälle sind die Beschwerung eines pflichtteilsberechtigten Erben mit Vermächtnissen oder die Beschränkung mit einer Testamentsvollstreckung oder Auflagen. In einem solchen Fall kann der pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft innerhalb der Ausschlagungsfrist ausschlagen und den Pflichtteil verlangen (§ 2306 BGB).
Erblasser E vererbt seinen beiden Söhnen als sein einziges Vermögen das gemeinsame Elternhaus mit der Auflage, es nicht zu verkaufen. Bruder A bevorzugt Bargeld, schlägt die Erbschaft aus und verlangt von Bruder B nun zu Recht seinen Pflichtteil. Den Pflichtteil hat derjenige zu zahlen, der anstelle des A Erbe wird.
Erblasser E vererbt seinen beiden Kindern sein gesamtes Vermögen, wendet aber seiner Lebensgefährtin ein lebenslanges Wohnungsrecht in seinem Haus zu. Hier kann jedes Kind für sich die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Erben werden hier die sogenannten Ersatzerben, gegenüber denen dann die Pflichtteilsansprüche geltend zu machen sind.
Enterbung
Beachten Sie: Wer trotz des belasteten Erbteils die Erbschaft nicht innerhalb der für ihn geltenden Frist ausschlägt, muss alle Belastungen hinnehmen. Er muss beispielsweise auch alle Vermächtnisse erfüllen, selbst wenn diese alles aufzehren und ihm nicht einmal der Wert seines Pflichtteils bleibt. In dieser Situation muss der pflichtteilsberechtigte Erbe also innerhalb der Ausschlagungsfrist entscheiden, ob er die Belastungen akzeptiert oder stattdessen das Erbe ausschlägt.
Wer sogar laut letztwilliger Verfügung mit einem Erbteil oder Vermächtnis bedacht wurde, das geringer ist als der ihm an sich zustehende Pflichtteil, sollte die Erbschaft bzw. das Vermächtnis annehmen und dann den sogenannten Restpflichtteil von den Haupterben verlangen.
bei Eheleuten in der Zugewinngemeinschaft
Wenn Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, kann der überlebende Ehepartner den Pflichtteil verlangen, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Vorausgesetzt, er ist gesetzlicher und nicht testamentarischer Erbe geworden (§ 1371 Abs. 3 BGB).
III. Wie hoch ist der Pflichtteil
Der Pflichtteilsanspruch ist immer ein reiner Geldanspruch, unabhängig davon, ob zum Beispiel auch ein Hausgrundstück zum Nachlass gehört. Die Höhe des Betrags wird in mehreren Schritten errechnet.
3.1. So ermitteln Sie die Quote
Für Abkömmlinge und Eltern des Erblassers
Zunächst muss der gesetzliche Erbanspruch der pflichtteilsberechtigten Person ermittelt werden. Dabei schließt auch hier der nähere Verwandte die entfernteren Verwandten aus. Steht die gesetzliche Erbquote fest, wird diese durch zwei geteilt und das ergibt die Pflichtteilsquote.
Der verwitwete Erblasser E hinterlässt als einziges Kind eine Tochter, die ihrerseits zwei Kinder hat. In einem Testament hat er die Universität Heidelberg zur Alleinerbin eingesetzt. Weder die Tochter noch die Enkel werden im Testament erwähnt. Ohne Testament wäre die Tochter gesetzliche Alleinerbin: Sie zählt zu den Erben erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB). Ihr Pflichtteil beträgt wertmäßig die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, also 50 % des Nachlasswertes. Verlangt die Tochter den Pflichtteil von der Universität Heidelberg, so verbleiben der Universität – wertmäßig – nur 50 % des Nachlasses.
Im Fall des vorhergehenden Beispiels ist die Tochter des Erblassers E bereits vor E gestorben. In diesem Fall wären die gesetzlichen Erben die beiden Enkelkinder je zur Hälfte, da sie zum Kreis der Erben erster Ordnung gehören und nicht durch einen (mit dem Erblasser) näher verwandten Abkömmling von der Erbschaft ausgeschlossen sind. Der Pflichtteilsanspruch beträgt hier je ¼, nämlich die Hälfte von der Hälfte. Insgesamt für beide Enkelkinder zusammen also die Hälfte des Nachlasswertes, sodass der Alleinerbin, der Universität Heidelberg, wiederum nur 50 % des Nachlasswertes verbleiben.
Wichtig: Auch Abkömmlinge, die im Zeitpunkt des Erbfalls zwar gezeugt, aber noch nicht geboren waren, haben einen Pflichtteilsanspruch (§ 1923 Abs. 2 BGB).
Für den Ehegatten des Erblassers
Entscheidend ist hier der jeweilige Güterstand der Ehegatten. Die Pflichtteilsquote erhalten Sie, indem Sie den gesetzlichen Erbteil halbieren.
Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt allerdings eine Besonderheit: Ab dem Tod des Ehegatten wird der Zugewinn in der Regel pauschal ausgeglichen. Das heißt, der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten wird noch einmal um ein Viertel erhöht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Berechnet man danach den Pflichtteilsanspruch, spricht man vom
großen Pflichtteil
. Berechnet man den Pflichtteilsanspruch ohne das Erhöhungsviertel, spricht man vom
kleinen Pflichtteil
.
Den großen Pflichtteil gibt es, wenn der Erblasser den überlebenden Ehegatten nicht ganz ausgeschlossen hat, das Zugewendete aber wertmäßig unter dem bleibt, was er als Pflichtteil sonst beanspruchen könnte.
Erblasser E hinterlässt Frau und zwei Kinder. Der Nachlasswert beträgt 100.000,00 €. Nach dem Testament des Erblassers sollen seine Witwe 10.000,00 € und seine Kinder den Rest erben. Der gesetzliche Erbteil der überlebenden Ehefrau hätte die Hälfte der Erbschaft betragen (¼ als gesetzlicher Erbteil + ¼ als pauschalierter Zugewinnausgleich). Der Pflichtteil beträgt also ¼ des Erbes. Vom Nachlass in Höhe von 100.000,00 € stünden ihr somit 25.000,00 € zu. Davon muss sie sich allerdings aufgrund des Testamentes 10.000,00 € abziehen lassen. Ihr Pflichtteilsanspruch gegen die Kinder beträgt somit nur 15.000,00 € (§ 2305 BGB).
Wäre die Witwe überhaupt nicht bedacht worden, stünde ihr nur der kleine Pflichtteil zu. Die Witwe hätte dann nur einen Anspruch auf ein Achtel der Erbschaft, also auf 12.500,00 € (§ 1371 Abs. 2 BGB).
Aber: Wenn dem überlebenden Ehegatten nur der kleine Pflichtteil zusteht, kann der konkret errechnete Zugewinnausgleich
ergänzend dazu verlangt werden. Das ist die sogenannte güterrechtliche Lösung.
Der kinderlose Erblasser E lebt seit Jahren getrennt von seiner Ehefrau. Er hat daher einen Radsportverein zum Alleinerben eingesetzt, ohne F irgendetwas zuzuwenden. In diesem Fall erhält F die konkret berechnete Zugewinnausgleichsforderung und den kleinen Pflichtteil (§ 1371 Abs. 2 BGB).
3.2. So ermitteln Sie den Wert des Erbes
Als Pflichtteilsberechtigter dürfen Sie Auskunft verlangen
Um den konkreten Pflichtteilsanspruch beziffern zu können, müssen Sie den genauen Wert des Nachlasses kennen. Deshalb gibt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch gegen den oder die Erben (§ 2314 BGB).
Erteilt wird die Auskunft durch ein Verzeichnis über die Nachlassgegenstände und die Nachlassschulden. Auch Schenkungen des Verstorbenen während der letzten zehn Jahre und alle Schenkungen an den Ehegatten gehören dazu, ebenso alle ausgleichungs- und anrechnungspflichtigen Zuwendungen an andere Pflichtteilsberechtigte.
Der Pflichtteilsberechtigte kann zusätzlich verlangen, an der Aufstellung des Verzeichnisses beteiligt zu werden – unter Umständen unter Hinzuziehung einer Amtsperson wie zum Beispiel eines Notars. Bei Zweifeln an der Richtigkeit kann sogar eine eidesstattliche Versicherung des Erben gefordert werden. Er muss dann versichern, dass das Verzeichnis vollständig ist.
Welche Nachlassgegenstände werden berücksichtigt?
Alle aktiven Vermögensposten und alle Verbindlichkeiten, die den Nachlass betreffen, müssen auf den Stand am Todestag des Erblassers festgestellt werden (Stichtagsprinzip). Hierzu werden alle geldwerten Nachlassgegenstände berücksichtigt.
Abgezogen werden:
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der Voraus des überlebenden Ehegatten,
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Schulden (z.B. Kontoüberziehung, Darlehensschuld oder nicht bezahlte Einkommensteuer),
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die Zugewinnausgleichsforderung, soweit sie geltend gemacht wird,
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Kosten, die mit dem Erbfall zusammenhängen (z.B. Beerdigungskosten).
Nicht abgezogen werden:
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der sogenannte Dreißigste,
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Vermächtnisse und Auflagen, Pflichtteilsansprüche,
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Pflichtteilsansprüche von anderen Pflichtteilsberechtigten und
-
Erbschaftsteuern.
Ebenfalls nicht in den Nachlass fallen Lebensversicherungen und Bausparverträge, für die eine bezugsberechtigte Person benannt ist. Bei kreditsichernden Lebensversicherungen (z.B. zur Hausfinanzierung) dagegen wird der darlehensdeckende Teil Bestandteil des Nachlasses.
Wie wird der Wert der einzelnen Nachlassgegenstände errechnet
Normalerweise werden die einzelnen Nachlassgegenstände mit ihrem Verkehrswert zum Todestag des Erblassers angesetzt (Stichtagsprinzip). Das bedeutet im Einzelnen:
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Bei Immobilien ist der Verkehrswert durch Schätzung (Sachverständigengutachten) zu ermitteln. Wird ein Grundstück zeitnah zum Erbfall veräußert, zählt unter Umständen der Verkaufserlös und nicht der Schätzwert. Das gilt unabhängig davon, ob der Verkaufserlös höher oder niedriger als der Schätzwert ist, und zwar bis zu drei Jahre nach dem Erbfall (BGH, Beschluss vom 25.11.2010, IV ZR 124/09, NJW 2011 S. 1004). Selbst wenn der Erbe Kopien des notariellen Kaufvertrags vorlegt, ist eine Schätzung erforderlich (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 2.5.2011, 1 U 249/10 ).
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Bewegliche Sachen, wie etwa Schmuck oder wertvolle Bilder, werden mit ihrem Marktwert (Verkaufswert) angesetzt. Als Schätzer kommen zum Beispiel öffentlich bestellte Versteigerer in Betracht.
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Bei Wertpapieren ist der mittlere Tageskurs am Todestag maßgeblich.
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Bei Geldforderung gilt der Nominalbetrag zum Todestag.
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Handelsunternehmen, Gesellschaftsbeteiligungen und Praxen von Freiberuflern werden mit ihrem wirklichen Wert unter Anwendung betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden angesetzt (BGH, Urteil vom 9.2.2011, XII ZR 40/09, NJW 2011 S. 999).
3.3. Wenn der Erblasser sein Vermögen verschenkt hat
Schenkungen an den Pflichtteilsberechtigten
Keine automatische Anrechnung
Wendet der Erblasser schon zu Lebzeiten dem Pflichtteilsberechtigten Vermögenswerte zu, kann das dessen Pflichtteilsanspruch schmälern (§ 2315 BGB). Aber: Nicht jede freiwillige Zuwendung ist auf den Pflichtteil anzurechnen. Der Erblasser muss die Anrechnung vielmehr bestimmt haben – und zwar entweder vor der Zuwendung oder bei der Zuwendung. Später geht es nicht mehr – auch nicht per testamentarischer Anordnung! Ausnahme: Wenn der Pflichtteilsberechtigte in einem notariellen Vertrag einer nachträglichen Anrechnung zustimmt.
Da solche Vermögensverschiebungen in der Praxis häufig formlos vollzogen werden, ist man hier als Erbe schnell in Beweisschwierigkeiten.
Diese Schwierigkeiten lassen sich vermeiden. Halten Sie als Erblasser schriftlich fest, wenn die Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Die Anrechnungsbestimmung muss aber unbedingt dem Pflichtteilsberechtigten bekannt gemacht werden. Andernfalls gibt es keine Anrechnung. Eine Gegenzeichnung wäre hier am sichersten.
Handelt es sich um ein Grundstück, das zugewendet werden soll, ist es ohnehin erforderlich, die Anrechnungsbestimmung gleich in den Notarvertrag mit aufzunehmen.
Für Zuwendungen, die ohne Notar sofort vollzogen werden können (z.B. Geld- und Aktienschenkungen, Erlass einer Darlehensschuld), gilt der Verkehrswert der Zuwendung zum Zeitpunkt der Übertragung. Ist der Wert nicht ohne Weiteres feststellbar, sollten Sie ihn in den Zuwendungsvertrag aufnehmen.
Mein Sohn S hat heute 50 X-Aktien mit dem Nennbetrag von je 100,00 €, verwahrt bei der Bank AG, Mannheim, unter Depot-Nummer YZ, von mir geschenkt bekommen.
Die Schenkung ist auf einen etwaigen Pflichtteil des S oder eines an seine Stelle tretenden Pflichtteilsberechtigten an meinem Nachlass mit dem heutigen Verkehrswert von 650,00 € je Aktie, also mit insgesamt 32.500,00 €, anzurechnen (zusätzlich einer Anpassung an die Kaufkraft gemäß der Rechtsprechung).
Wir sind uns über den Rechtsübergang mit sofortiger Wirkung einig und werden bei der verwahrenden Bank die Umschreibung unverzüglich veranlassen.
Der Kaufkraftschwund wird ebenfalls berücksichtigt. Das geht nach folgender Formel:
Wert zum Zeitpunkt |
Index zum |
Index zum |
|
|||||
× |
: |
= |
||||||
Maßgeblich ist der Verbraucherindex für Deutschland. Den jeweiligen Index erfahren Sie beim Statistischen Bundesamt unter der Service-Nummer 0611/75 1 oder unter www.destatis.de für das jeweilige Jahr.
Wie wird die Anrechnung durchgeführt?
Der indexierte Wert der Zuwendung wird zum Nachlass hinzugerechnet. Von dem so erhöhten Nachlasswert wird der Pflichtteil entsprechend der Quote errechnet und der zuvor dem Nachlass hinzuaddierte Betrag vom Pflichtteil wieder abgezogen.
Der Wert des reinen Nachlasses des Erblassers E beträgt im Jahr des Erbfalls 100.000,00 €. Der einzige Sohn S ist enterbt. Er hat 20 Jahre vor dem Erbfall Aktien zum Kurswert von 32.500,00 € geschenkt bekommen mit der Bestimmung, die Schenkung sei auf den Pflichtteil anzurechnen. Hier wird wie folgt gerechnet:1
Nachlass
100.000,00 €
zuzüglich Wert der Schenkung an S
32.500,00 €
insgesamt
132.500,00 €
Pflichtteil des S = ½
66.250,00 €
abzüglich Wert der Schenkung
32.500,00 €
Pflichtteilsanspruch
33.750,00 €
Nach § 2315 Abs. 3 BGB kommt es sogar zur Anrechnung des Vorausempfangs, wenn ein Pflichtteilsberechtigter anstelle eines weggefallenen unmittelbaren Abkömmlings tritt (z.B. der Enkel des Erblassers anstelle seines Vaters).
Schenkungen an Abkömmlinge zulasten des Pflichtteilsberechtigten
Wenn Abkömmlinge zu Lebzeiten vom Erblasser bereits Zuwendungen erhalten haben, die aufgrund einer Vereinbarung auszugleichen sind, müssen sie sich diese bei der Erbauseinandersetzung auf ihr gesetzliches Erbteil anrechnen lassen.
Da solche Vorausempfänge auch die Höhe des Pflichtteilsanspruchs beeinflussen, müssen diese bei der Berechnung ebenfalls berücksichtigt werden. Dabei werden alle ausgleichungspflichtigen Zuwendungen dem Nachlass hinzugerechnet, soweit er unter den Abkömmlingen aufgeteilt wird. Maßgebend ist der Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung (§ 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aber auch hier wird der Kaufkraftschwund berücksichtigt).
Beachten Sie: Die Ausgleichung erfolgt nur unter Abkömmlingen. Der Ehegattenerbteil ist vorher abzuziehen. Die Anteile werden dann entsprechend den gesetzlichen Erbquoten errechnet, der Wert der Zuwendung beim Betreffenden abgezogen und der Rest halbiert.
Erblasser E hinterlässt bei seinem Tod eine Witwe W, einen Sohn S und eine Tochter T. Seine Frau W hat er zur Alleinerbin eingesetzt. Damit sind beide Kinder – konkludent – enterbt. Mit W hat E im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Der reine Nachlasswert beträgt 100.000,00 €. Als ausgleichungspflichtige Schenkungen haben erhalten: S 25 Jahre vor dem Erbfall Aktien im Nominalwert von 32.500,00 €; T 20 Jahre vor dem Erbfall ein Grundstück im Wert von 20.000,00 €. Vor der Pflichtteilsberechnung der Kinder ist der Nachlass um den gesetzlichen Erbteil der Witwe W zu vermindern. So sieht dann die Rechnung aus (aus Gründen der Vereinfachung ohne Kaufkraftanpassung (s.o.)):
Reinnachlass
100.000,00 €
abzüglich gesetzlicher Erbteil W ¼ + ¼ = ½
50.000,00 €
unter den Abkömmlingen bei gesetzlicher Erbfolge
aufzuteilender Nachlass
50.000,00 €
zuzüglich Schenkung an S
32.500,00 €
zuzüglich Schenkung an T
20.000,00 €
rechnerische Teilungsmasse
102.500,00 €
Pflichtteilsberechnung für S:
vom rechnerischen Restnachlass entfällt auf S als
gesetzlicher Erbteil (½)
51.250,00 €
abzüglich Schenkung an S
32.500,00 €
18.750,00 €
Pflichtteil ½ des gesetzlichen Erbteils
9.375,00 €
Pflichtteilsberechnung für T:
gesetzlicher Erbteil ½ wie bei S
51.250,00 €
abzüglich Schenkung an T
20.000,00 €
31.250,00 €
Pflichtteil ½ des gesetzlichen Erbteils
15.625,00 €
Schenkungen an Dritte oder Miterben
Hier hilft der Pflichtteilsergänzungsanspruch
Wenn der Erblasser die Ansprüche einer pflichtteilsberechtigten Person schmälern möchte, bietet es sich an, den Nachlass schon zu Lebzeiten zu verringern – und zwar durch Schenkung an andere Personen.
Der Erblasser ist in zweiter Ehe verheiratet und möchte den Kindern aus erster Ehe so wenig wie möglich zukommen lassen. Deshalb überträgt er zu Lebzeiten schon größere Vermögensteile auf seine zweite Ehefrau.
In diesem Fall sichern die Vorschriften über den Ergänzungspflichtteil den Anspruch der indirekt enterbten Personen (§§ 2325 ff. BGB). Dieser Anspruch steht übrigens auch pflichtteilsberechtigten Erben zu, die nicht enterbt worden sind. Das kann sogar so weit gehen, dass ein Alleinerbe Pflichtteilsergänzung geltend machen kann, wenn sich der Erblasser zuvor arm geschenkt
hat (§ 2326 BGB).
Die pflichtteilsberechtigte Person muss allerdings beweisen, dass die Zuwendung auch wirklich eine Schenkung war, also unentgeltlich erfolgt ist. Dabei kann durchaus ein Angehöriger wie zum Beispiel der begünstigte Ehepartner des Erblassers als Zeuge benannt werden.
Unentgeltlichkeit und somit eine Schenkung liegen auch dann vor, wenn der Erblasser Teile seines Nachlasses besonders günstig
verkauft. Bei einem auffallend groben Missverhältnis spricht man hier von einer gemischten Schenkung. Nur der unentgeltliche Teil wird dann als Schenkung behandelt.
Der Erblasser E
verkauftsein Haus an einegute Freundinzum Preis von 200.000,00 €. Der wirkliche Wert beträgt aber 400.000,00 €. In diesem Falle wird der überschießende Betrag von 200.000,00 € als Schenkung behandelt, aus dem – sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – ein Ergänzungspflichtteil zu zahlen ist.
Kein grobes Missverhältnis liegt vor, wenn zum Beispiel ein Erblasser seiner Ehefrau Immobilien und sonstiges Vermögen als Entlohnung ihrer langjährigen Tätigkeit als Sprechstundenhilfe in seiner Arztpraxis überträgt und dadurch den Nachlass zulasten seines Sohnes aus erster Ehe verringert (OLG Oldenburg, Urteil vom 23.3.1999, 5 U 134/98 ). Dasselbe gilt, wenn Vermögen an Dritte als Gegenleistung für Pflege- und Versorgungsdienste übertragen wird (OLG Bamberg, Urteil vom 1.10.2007, 6 U 44/07, FamRZ 2008 S. 1031).
Pflicht- und Anstandsschenkungen (z.B. maßvolle Hochzeits- und Weihnachtsgeschenke) begründen ebenfalls keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2330 BGB).
Zehnjahresschranke beachten
Schenkungen werden nur angerechnet, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall vorgenommen worden sind (§ 2325 Abs. 3 BGB).
In Erbfällen, die seit dem 1.1.2010 eingetreten sind, wird die Schenkung Jahr für Jahr wertmäßig abgebaut – und zwar pro Jahr um ein Zehntel (sogenannte Abschmelzung
des Schenkungswerts). Dies gilt auch für Schenkungen, die vor Inkrafttreten dieser Pro-Rata-Lösung
erfolgt sind, sofern der Erbfall seit dem 1.1.2010 eingetreten ist.
Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Frist erst mit der Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod (vor dem Erbfall). Auch die 10 %ige Pro-Rata-Lösung
beginnt erst ab der Auflösung der Ehe. Folge: Geschenke an den überlebenden Ehegatten sind nach dem Tod des Erblassers meistens ohne zeitliche Begrenzung und ohne jährliche 10 %ige Abschmelzung bei der Pflichtteilsberechnung zum Nachlass hinzuzuaddieren.
Erblasser E ist geschieden und zum zweiten Mal wieder verheiratet. Aus seiner ersten Ehe ist eine Tochter hervorgegangen. Er schenkt seiner zweiten Ehefrau eine Eigentumswohnung und bestimmt sie im Testament zur Alleinerbin. Die Tochter aus erster Ehe übergeht er. Fünf Jahre nach der Schenkung stirbt er. Er hinterlässt seiner Frau ein Vermögen in Höhe von 400.000,00 €. Hier ist die Schenkung nach wie vor mit dem vollen – indexierten – Wert zum Nachlass hinzuzuaddieren.
Selbst wenn die vermeintliche Schenkung eigentlich gar keine Schenkung ist, sondern eine sogenannte
unbenannte ehebedingte Zuwendung
, wird diese ohne Abschmelzung in die Pflichtteilsberechnung einbezogen. Gemeint sind die Fällen, in denen ein Ehegatte dem anderen einfach so etwas zuwendet, weil man miteinander verheiratet ist und davon ausgeht, dass man weiterhin verheiratet bleibt (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.2.2010, 3 U 39/09, FamRZ 2011 S. 506). Das hat für den überlebenden Ehepartner häufig einschneidende wirtschaftliche Folgen.
Eheleute bauen ein Haus und werden im Grundbuch je zur Hälfte als Eigentümer eingetragen. Die Finanzierung ist ausschließlich über Darlehen erfolgt. Die Ehefrau ist als Hausfrau tätig, sodass nur der Ehemann mit seinem Verdienst die Annuitäten trägt.
Die einzige Tochter verlangt nach dem Tod des Vaters von der alleinerbenden Mutter den Pflichtteil. Da dem Vater nur die Hälfte des Hauses gehörte, wäre normalerweise auch der Pflichtteil nur aus dem halben Wert zu berechnen. Da der Vater auch die Schulden seiner Frau mitbezahlt hat, werden die Zahlungen wie eine Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet. Deshalb berechnet sich der Pflichtteil nicht nur aus dem halben Wert des Hauses, sondern auch aus der Summe der Zahlungen.
Um den Pflichtteilsanspruch gegen den überlebenden Ehegatten nicht unnötig in die Höhe zu treiben, sollten die Partner hier unbedingt schriftlich vereinbaren, dass die Zuwendung als Unterhalt oder zur Alterssicherung erfolgt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.1.2011, 19 W 52/10 ).
Beachten Sie: Die Zehnjahresfrist verstreicht auch nicht, wenn der Erblasser sich den uneingeschränkten lebenslänglichen Nießbrauch trotz Eigentumsumschreibung vorbehalten hat. Die Frist beginnt erst mit der Beendigung des Nießbrauchs, das heißt in der Regel mit dem Tod des Schenkers. In einem solchen Fall gibt es auch keine Abschmelzung
, weil die Zehnjahresfrist gar nicht zu laufen begonnen hat.
Anders sieht es dagegen aus, wenn der Schenker die Sache so übergibt, dass er sie praktisch nicht mehr besitzt. Das ist beim Wohnungsrecht zum Beispiel der Fall, wenn der Schenker nur einen Teil des Hauses bewohnt, aber ansonsten nicht mehr Herr im Haus
ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.1.2008, 12 U 124/07, NJW-RR 2008 S. 601).
Zu einer Pflichtteilsergänzung kommt es auch dann, wenn die pflichtteilsberechtigte Person zum Zeitpunkt der Zuwendung noch nicht pflichtteilsberechtigt war (BGH, Urteil vom 23.5.2012, IV ZR 250/11, NJW 2012 S. 2730).
So wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet
Der Wert des verschenkten Gegenstandes am Tag der Schenkung wird zum Nachlass hinzugezählt (bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt mit Kaufkraftanpassung). Anschließend wird der Pflichtteil quotenmäßig ermittelt und dann ohne den Wert der Schenkung berechnet. Die Differenz zwischen den beiden so ermittelten Pflichtteilsbeträgen ist dann der Pflichtteilsergänzungsbetrag.
Ohne Abschmelzung – Erbfall bis 31.12.2009 oder Erbfall seit 1.1.2010 ohne Berücksichtigung der 10-Jahres-Frist
Erblasser E – gestorben 2009 oder später ohne Anlaufen der 10-Jahres-Frist – hinterlässt die Witwe W, den Sohn S und die Tochter T. In der Ehe bestand Zugewinngemeinschaft. In einem Berliner Testament haben sich beide Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Der Nachlass des E beträgt 200.000,00 €. E hat im Jahr 2009 noch Geldgeschenke in Höhe von 40.000,00 € an Dritte gemacht. Die Pflichtteilsansprüche des Sohnes berechnen sich wie folgt.2
Der gesetzliche Erbteil der W beträgt die Hälfte des Nachlasses. Damit sind die Erbteile von S und T je 1/4. Der Pflichtteil des S beträgt somit 1/8. Das sind, bezogen auf den noch vorhandenen Nachlass, 25.000,00 € (= 1/8 aus 200.000,00 €). Zur Berechnung des Ergänzungspflichtteils ist dem Nachlass nun der Wert der Schenkung hinzuzurechnen.
Noch vorhandener Nachlass
200.000,00 €
zuzüglich Wert der Schenkung
40.000,00 €
240.000,00 €
1/8 = Pflichtteil des S
30.000,00 €
abzüglich ordentlichem Pflichtteil
25.000,00 €
Pflichtteilsergänzungsanspruch des S
5.000,00 €
Mit Abschmelzung – Erbfall seit 1.1.2010
Der verwitwete Erblasser E hinterlässt bei seinem Tode im Januar 2014 als einziges eheliches Kind seinen Sohn S. E hat seine Lebensgefährtin L wirksam zur Alleinerbin eingesetzt. Seinem Freund F hat E im Februar 2009 eine Münzsammlung mit heutigem – indexierten – Wert von 50.000,00 € geschenkt. Der Wert des im Zeitpunkt seines Todes vorhandenen effektiven Nachlasses beträgt netto 30.000,00 €. Der Pflichtteilsanspruch des Sohnes berechnet sich folgendermaßen:
S wäre Alleinerbe des E geworden, also ist sein Pflichtteil 1/2. S hat Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil (§ 2303 BGB) und den Ergänzungspflichtteil aus der Schenkung (§ 2325 BGB). Für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils mindert sich der Wert der Schenkung für jedes Jahr, das seit der Schenkung verstrichen ist, um zehn Prozent. E ist im fünften Jahr nach der Schenkung verstorben. Es sind also vier Jahre vergangen, sodass nur noch 60 % des Schenkungswertes zu berücksichtigen sind.
Wert des effektiven Nachlasses:
30.000,00 €
zuzüglich Abschmelzungswert der Schenkung
30.000,00 €
rechnerischer Nachlass
60.000,00 €
davon 1/2 = Pflichtteil des S
30.000,00 €
ordentlicher Pflichtteil
15.000,00 €
Pflichtteilsergänzungsanspruch des S
15.000,00 €
Für den Gesamtpflichtteil in Höhe von 30.000,00 € haftet die Alleinerbin L. Letztlich verbleibt ihr also nichts vom Nachlass, denn sie hat selbst kein eigenes Pflichtteilsrecht. Der beschenkte Freund F haftet nicht für einen Teil des Pflichtteils. Dies wäre nur der Fall, wenn der Nachlass für die Pflichtteilserfüllung des S nicht ausreichen würde.
Aber auch in Fällen, in denen keine Enterbung vorliegt, kann der Pflichtteilsergänzungsanspruch das Erbe erhöhen. Das heißt, dem durch die Schenkung benachteiligten Erben steht die Differenz zwischen dem zu, was er als Erbe erhalten hat, und dem, was seinen Pflichtteil unter Anrechnung der Schenkung ausmachen würde (§ 2326 BGB).
Ein Erblasser hat seinen Sohn, der gesetzlicher Alleinerbe wäre, nur zu 2/3 als Erben eingesetzt. Der Nachlasswert beträgt 60.000,00 €, sein testamentarischer Erbanteil demnach 40.000,00 €. Der Erblasser hatte innerhalb des letzten Jahres vor seinem Tod 70.000,00 € an einen alten Freund verschenkt. Daraus ergibt sich ein Gesamtpflichtteil in Höhe von 60.000,00 € + 70.000,00 € : 2 = 65.000,00 €. Ihm steht allerdings nur die Differenz zu seinem Erbteil zu, also 25.000,00 €. Der Schenkungswert wird hier nicht abgeschmolzen, weil beim Tod des Erblassers noch kein Jahr verstrichen war.
Wenn die Zuwendung eine Lebensversicherung ist, ist nur der Rückkaufswert einzusetzen, nicht die Versicherungssumme (BGH, Urteil vom 28.4.2010, IV ZR 73/08, NJW 2010 S. 3232).
Ist die beschenkte Person gleichzeitig Erbe oder zählt sie zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten, darf sie die Pflichtteilsergänzung verweigern, soweit ihr eigener Pflichtteilsanspruch dadurch verringert wird. Hier kann sich die pflichtteilsberechtigte Person nur an den Beschenkten wenden.
Dies gilt übrigens auch, wenn der Erbe zum Beispiel zahlungsunfähig oder der Nachlass überschuldet ist (§ 2328, § 2329 BGB).
Der verwitwete Erblasser E ist im Jahr 2014 unter Hinterlassung des Sohnes S und der Tochter T gestorben. Aufgrund seines Testaments wurde die Tochter T seine Alleinerbin; der Sohn S ist enterbt. E hat kurz vor seinem Tod, als es ihm wirtschaftlich noch gut ging, seiner Lebensgefährtin L 42.000,00 € geschenkt.
Infolge seiner Pflegebedürftigkeit musste E im Laufe der folgenden Monate fast sein gesamtes Vermögen aufbrauchen. Der Wert des Nachlasses beträgt im Jahr 2014 12.000,00 €. Der Sohn S macht seine Pflichtteilsansprüche geltend.3
Berechnung des ordentlichen Pflichtteils des S:
Nachlass
gesetzlicher Erbteil des S 1/2
ordentlicher Pflichtteil 1/4
12.000,00 €
6.000,00 €
3.000,00 €
Berechnung des Ergänzungspflichtteils des S:
Nachlass
12.000,00 €
zuzüglich Schenkung an L
42.000,00 €
54.000,00 €
Pflichtteil S 1/4
13.500,00 €
abzüglich ordentlicher Pflichtteil
3.000,00 €
Ergänzungspflichtteil
10.500,00 €
Die Pflichtteilsansprüche von S mit insgesamt 13.500,00 € sind höher als der ganze Nachlass. Da auch die Tochter T eigene Pflichtteilsansprüche von insgesamt 13.500,00 € hat (ihre Anteile sind so groß wie die von S), braucht sie an S nur 3.000,00 € zu zahlen.
S muss sich wegen seines Ergänzungspflichtteils von 10.500,00 € an die beschenkte L halten (§ 2329 BGB). Seinen ordentlichen Pflichtteil von 3.000,00 € kann er von T verlangen.
T verbleiben dann noch 9.000,00 €, obwohl ihre Pflichtteilsansprüche ebenfalls 13.500,00 € betragen. Wegen des Fehlbetrags von 4.500,00 € kann sie sich ebenfalls an F halten.
Hier wird der Wert der Schenkung nicht abgeschmolzen, weil beim Tod noch kein Jahr verstrichen war.
IV. Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren seit Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Tod des Erblassers und der ihn beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung erlangt hat (§ 2332 BGB). Bei Minderjährigen beginnt die Frist erst ab Eintritt der Volljährigkeit zu laufen (§ 204 Abs. 4 Satz 2 BGB).
Weiß der Pflichtteilsberechtigte allerdings nichts von seinem Anspruch, verjährt der Anspruch erst innerhalb von 30 Jahren. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt ebenfalls in drei Jahren nach dem Todesfall bzw. mit der Kenntnis der beeinträchtigenden Schenkung.
V. Wie kann der Pflichtteil entzogen oder beschränkt werden?
5.1. Es muss ein Grund zur Pflichtteilsentziehung bestehen
Nur in absoluten Ausnahmefällen kann der Pflichtteil entzogen werden
Als künftiger Erblasser können Sie in bestimmten Fällen verfügen, dass ein bestehender Pflichtteilsanspruch entzogen werden soll. Die im Gesetz genannten Entziehungsgründe sind abschließend, eine Ausdehnung ist grundsätzlich nicht zulässig (§§ 2333 ff. BGB).
Hierbei wird nach den drei Gruppen von Pflichtteilsberechtigten unterschieden – den Abkömmlingen, den Eltern und den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern. Voraussetzung ist immer Verschulden und Zurechnungsfähigkeit.
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Kindern, Enkeln und anderen Abkömmlingen sowie dem Ehegatten und den Eltern kann der Pflichtteil nach § 2333 BGB (Erbfall ab dem 1.1.2010) entzogen werden, wenn der betreffende Pflichtteilsberechtigte
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dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet,
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sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,
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die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
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wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde.
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Gleiches gilt für eingetragene Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 Satz 2 LPartG).
Beachten Sie: Selbst wenn dem Ehegatten der Pflichtteil entzogen werden kann, bleibt der Anspruch auf Zugewinnausgleich bestehen.
Wie wird der Pflichtteil entzogen?
Die Pflichtteilsentziehung muss der Erblasser förmlich durch Verfügung von Todes wegen anordnen. Der Entziehungsgrund ist dabei in dieser Verfügung ausdrücklich anzugeben (§ 2336 BGB). Andernfalls ist die Entziehung ungültig.
Trotzdem kommt es immer wieder auf den Einzelfall an. Verfehlungen gegen das Eigentum oder Vermögen des Erblassers berechtigen nämlich nur dann zur Entziehung des Pflichtteils, wenn hierin eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses zum Ausdruck kommt.
Ein Sohn hatte Geld seines Vaters in Höhe von 15.000,00 € veruntreut. Daraufhin enterbte der Vater seinen Sohn, indem er ihm testamentarisch sogar den Pflichtteil entzog. Es stellte sich heraus, dass sich der Sohn in einer wirtschaftlich desolaten Situation befand und er die Absicht hatte, das Geld alsbald seinem Vater zurückzuzahlen. Deshalb sah das Oberlandesgericht Hamm hier keinen Grund für eine wirksame Pflichtteilsentziehung (OLG Hamm, Urteil vom 22.2.2007, 10 U 111/06, NJW-RR 2007 S. 1235).
Ist eine Pflichtteilsentziehung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet worden, ist dies nicht schädlich, solange die Gründe dafür eindeutig benannt wurden.
Eine Erblasserin hatte verfügt:
Mein Mann erbt nichts .... Sie hatte allerdings Einzelheiten ihres Ehemartyriums geschildert.
Kann der Erblasser die Pflichtteilsentziehung nicht mehr selbst anordnen, besteht die Möglichkeit, dass die Erben den Pflichtteilsberechtigten durch Klage noch für pflichtteilsunwürdig
erklären lassen (§ 2339 BGB).
Wenn der Erblasser den Fehltritt verzeiht
Eine Pflichtteilsentziehung ist nicht mehr möglich oder eine bereits verfügte wird hinfällig, wenn der Grund dafür verziehen worden ist (§ 2337 BGB). Dies geht auch ohne schriftliche Erklärung. Ein schlüssiges Verhalten reicht aus, muss aber deutlich erkennbar sein:
Ein um ein größeres Vermögen betrogener Vater nimmt nach jahrelangem Kontaktabbruch den Kontakt wieder auf. Der Sohn pflegt ihn fortan regelmäßig.
Der Erblasser nimmt einen Kredit auf, um dem Sohn finanziell
aus der Patschezu helfen.
Allerdings ist die pflichtteilsberechtigte Person gegenüber den Erben beweispflichtig, dass ihm verziehen worden ist. Sicherer ist deshalb eine entsprechende schriftliche Erklärung.
5.2. Wenn die pflichtteilsberechtigte Person überschuldet ist
Ist ein Kind, Enkel oder ein anderer Abkömmling überschuldet, oder neigt er zur Verschwendung, darf ein Erblasser den Pflichtteilsanspruch durch Testament oder Erbvertrag beschränken – vorausgesetzt, sein späterer Erwerb ist dadurch erheblich gefährdet (sogenannte Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht, § 2338 BGB).
So kann der Pflichtteil zum Beispiel durch die Anordnung einer Verwaltungstestamentsvollstreckung beschränkt werden (§ 2209 BGB). Dann haben weder der beschränkte Pflichtteilsberechtigte noch dessen Gläubiger Zugriff auf die Erbschaft
(§ 2214 BGB).
Denkbar ist auch, dass der Pflichtteilsberechtigte nur Vorerbe wird und seine gesetzlichen Erben Nacherben. Auf jeden Fall muss die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht ausdrücklich begründet werden. Sie kann wegfallen, wenn der Grund zur Zeit des Erbfalls nicht mehr besteht.
VI. Wie können Sie sich gegen Pflichtteilsansprüche wehren?
6.1. Solange der Erblasser noch lebt
Nicht immer ist es selbstverständlich, dass Kinder beim Tod eines Elternteils freiwillig auf ihren Pflichtteil verzichten. Wer dem vorbeugen will, dass seine Kinder ihren Pflichtteil verlangen, wenn der überlebende Elternteil zum Alleinerben eingesetzt wurde (z.B. in einem Berliner Testament), sollte im Rahmen einer letztwilligen Verfügung eine sogenannte Pflichtteilsklausel aufnehmen.
Hiermit kann ein Anreiz dafür gegeben werden, den Pflichtteil nicht zu verlangen. Durch die Pflichtteilsklausel wird der Pflichtteilsberechtigte, der beim Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, beim Tod des Zweitversterbenden auf den Pflichtteil gesetzt.
Wir, die Eheleute ..., setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Der Überlebende von uns setzt unsere gemeinsamen Kinder A und B je hälftig zu Erben ein. Sollte eines unserer Kinder beim ersten Todesfall gegen den Willen des Überlebenden den Pflichtteil beanspruchen und ihn auch ganz oder teilweise erhalten, so soll es auch für den zweiten Todesfall auf den Pflichtteil gesetzt sein.
Die Voraussetzungen für die Enterbung auf den Tod des Überlebenden müssen exakt angegeben werden (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 27.11.2013, 20 W 138/13 ). Eine weitere Möglichkeit ist der Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten des Erblassers als notarieller Vertrag zwischen diesem und dem Pflichtteilsberechtigten gegen eine entsprechende Abfindung.
6.2. Wenn der Erblasser bereits verstorben ist
Insbesondere wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einer selbst genutzten Immobilie besteht, können Pflichtteilsansprüche zum Beispiel von Kindern den überlebenden Elternteil zum Verkauf zwingen. Hier hilft die Stundung des Pflichtteilsanspruchs weiter (§ 2331a BGB).
Dieser Anspruch steht seit dem 1.1.2010 aber nicht nur Erben zu, die selbst pflichtteilsberechtigt sind, sondern jedem Erben – vorausgesetzt, die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs stellt eine
unbillige Härte
für ihn dar.
Die Stundung muss beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden. Das Gericht entscheidet dann unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, ob die vom Gesetz geforderte Härte vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Familienwohnung aufgegeben werden müsste.
VII. Was tun, wenn die Erbschaft geringer ist als der Pflichtteil?
Wer als Pflichtteilsberechtigter durch letztwillige Verfügung des Erblassers nur mit einem Erbteil oder Vermächtnis bedacht wurde, das weniger wert
ist, als es der Pflichtteil wäre, kann einen sogenannten Restpflichtteil vom Haupterben verlangen (§ 2305 BGB). Es empfiehlt sich hier, die Erbschaft anzunehmen und den Rest als Ausgleich zu verlangen.
Erblasser E hinterlässt Geldvermögen in Höhe von 500.000,00 € und eine Immobilie im Wert von 300.000,00 €. Das Haus vermacht er seiner einzigen gesetzlichen Erbin, seiner Tochter. Das Geldvermögen hat er seiner langjährigen Lebensgefährtin testamentarisch vererbt. Hier kann die Tochter das Haus behalten und zum Ausgleich weitere 100.000,00 € verlangen, nämlich der fehlende Betrag zu 400.000,00 € (500.000,00 € + 300.000,00 € = 800.000,00 € : 2).
Bei einem Vermächtnis besteht nach § 2307 BGB auch die Möglichkeit, diese Zuwendung auszuschlagen und den vollen Pflichtteil zu verlangen.
Der Erblasser hat seinem Sohn S in einem Testament ein Geldvermächtnis von 30.000,00 € zugewandt. Der Pflichtteil des S würde 50.000,00 € betragen. Hier hat S ein Wahlrecht: Er kann entweder das Vermächtnis annehmen und einen Restpflichtteil von 20.000,00 € von dem/den Erben verlangen oder aber das Vermächtnis ausschlagen und den ganzen Pflichtteil von 50.000,00 € gegenüber dem/den Erben geltend machen.
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aus Gründen der Vereinfachung ohne die vorzunehmende Kaufkraftanpassung des Schenkungswerts (s.o.)
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aus Gründen der Vereinfachung ohne Kaufkraftanpassung (s.o.)
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aus Gründen der Vereinfachung ohne Kaufkraftanpassung (s.o.)