Wann ist das Überschwenken eines Baukrans auf das Nachbargrundstück rechtens?
Die Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in Baden-Württemberg gerieten über den Abbruch und die Neubebauung in Streit. Nachdem der eine Nachbar eine Baugenehmigung für zwei Doppelhäuser und vier Garagen erhalten hatte, ließ er Ende 2021 ohne weitere Absprachen mit seinem Nachbarn einen 18 m hohen Turmdrehkran mit ca. 28 m langem Ausleger auf der Grundstücksgrenze aufstellen.
Der Ausleger schwenkte ohne Vorankündigung mehrfach und für längere Zeit im Frühjahr 2022 über dem Luftraum des Nachbargrundstücks – mal mit, mal ohne Last. Es kam in einem Fall auch zu einer Störung. Der Kran blieb mit schweren Betonfertigteilen an der Oberleitung hängen, die auch das Grundstück mit Strom versorgte. Dabei wurde das Dachgeschoss des Hauses erschüttert.
Der Nachbar beantragte daher im einstweiligen Rechtsschutz Unterlassung. Der Baukran solle mit sofortiger Wirkung das Schwenken über sein Grundstück einstellen.
In erster Instanz folgte das Gericht dem Antrag jedoch nur zum Teil. Es verbot nur das Überschwenken mit Last. Das ging dem Grundstückseigentümer nicht weit genug, deshalb rief er die nächste Instanz an.
Das Oberlandesgericht Stuttgart gab als Berufungsinstanz dem Antrag in vollem Umfang statt. Es untersagte dem Bauherrn generell das Schwenken des Baukrans über dem Grundstück seines Nachbarn. Das Verbot gilt mit und ohne Last, für gesteuerte Bewegungen ebenso wie für selbstständige Bewegungen des Krans im Wind. Für den Fall einer Zuwiderhandlung drohte das Gericht für jeden Einzelfall ein Ordnungsgeld an.
Begründung: Der Bauherr kann sich hier nicht auf das sogenannte »Hammerschlags- und Leiterrecht« nach dem Baden-Württembergischen Nachbarrechtsgesetz und eine entsprechende Duldungspflicht des Nachbarn berufen. Denn er hat das für das Einschwenken des Baukrans in den nachbarlichen Luftraum vorgesehene Verfahren nicht eingehalten.
Nach den gesetzlichen Vorgaben hätte er seinem Nachbarn das Benutzen des Nachbargrundstücks für das Überschwenken des Kranes – mit oder ohne Lasten – zwei Wochen vor der Benutzung anzeigen müssen. Der Nachbar hätte bei entsprechender Nachfrage seine Zustimmung verweigern können. In diesem Fall hätte der Bauherr ihn auf Duldung verklagen müssen. Diese Anzeige wurde jedoch unterlassen. Der Fehler geht zulasten des Bauherrn.
OLG Stuttgart, Urteil vom 31.8.2022, 4 U 74/22
Anmerkung der Redaktion:
Die Entscheidung des OLG Stuttgart im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig. Allerdings können die Bauherren in einem Hauptsacheverfahren gerichtlich klären lassen, ob ihnen nach § 7d NRG BW ein Duldungsanspruch auf Überschwenken des Kranes gegen den Kläger zusteht.