Verzicht auf Abstandsregelung gilt nur für Grenzgarage!
Ein Grundstückseigentümer erhielt 2017 die Genehmigung zur Sanierung einer bereits auf seinem Grundstück vorhandenen Garage. Er ließ daraufhin die alte Garage abreißen und begann mit dem Neubau. In diesem Gebäude wurde eine Terrasse aus fest mit dem Boden verbundenen Holzdielen nebst Belichtungs- und Beleuchtungselementen errichtet. In die Decke wurde eine Lichtkuppel eingelassen. Die gesamte Front wurde mit einer Glasfalttür versehen. Grenzabstände zum Nachbargrundstück wurden dabei nicht eingehalten.
Der Nachtbar klagte gegen den Neubau. Er verlangte die Beseitigung des Gebäudes, hilfsweise dessen Rückbau. Die bauliche Ausgestaltung des Neubaus spreche dafür, dass es als Aufenthaltsraum für Menschen dient, nicht aber zum Unterstellen von Kfz. Der Verzicht auf den einzuhaltenden Grenzabstand gelte aber nur für privilegierte Vorhaben (z.B. eine Grenzgarage). Das errichtete Gebäude muss hingegen den Grenzabstand von 3 m zur Grundstücksgrenze einhalten.
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main folgte dieser Einschätzung: Bei dem neu errichteten Gebäude handelt es sich nicht um eine nach der Hessischen Bauordnung privilegierte Garage. Es liegt vielmehr ein Gebäude mit Terrasse, Lichtkuppeln und Glasfalttür vor. Dies spricht dafür, dass ein Aufenthaltsraum für Menschen geschaffen wurde. Aufenthaltsräume und ihnen gleichzustellende Terrassen stellen aber keine Bauteile dar, die zum Unterstellen von Kraftfahrzeugen im Sinne einer Garage erforderlich sind.
Der Bauherr verletzt mit diesem Bauwerk die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über den einzuhaltenden Grenzabstand. Folge: Der Nachbar muss das Bauwerk beseitigen.
Begründung: Es zählt zu den durch das Eigentumsrecht geschützten Interessen des Nachbarn, nicht durch bauliche Anlagen beeinträchtigt zu werden, die in rechtswidriger Weise die Belichtung und Belüftung seines Grundstücks beeinträchtigen, Brandgefahren bilden oder schlicht durch ihre Nähe das gedeihliche Miteinander stören.
OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 23.11.2021, 6 U 117/20