Rollstuhlfahrer dürfen Flugzeug als Erste verlassen
Ein Rollstuhlfahrer reiste in Begleitung seiner Frau nach Sankt Petersburg. Er buchte Flüge von Frankfurt/Main über Budapest an den Zielort. Die Umsteigezeit war knapp. Den Anschlussflug verpasste das Ehepaar, weil es beim Zwischenstopp erst nach allen anderen Passagieren aussteigen durfte.
Die Reisenden mussten deshalb zunächst neue Tickets kaufen für € 227,– pro Person. Außerdem kamen sie knapp zehn Stunden später als geplant in Sankt Petersburg an. Sie verlangten die Erstattung der Kosten und eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-Verordnung.
Der Bundesgerichtshof entschied, die Fluggesellschaft muss sowohl die Kosten für die neuen Tickets erstatten als auch € 800,– Ausgleichszahlungen für die Verspätung von über drei Stunden leisten.
Begründung: Der Rollstuhlfahrer und seine Ehefrau haben in Budapest den Anschlussflug verpasst, weil sie erst nach allen anderen Passagieren aus dem Flieger aussteigen durften.
Als Person mit eingeschränkter Mobilität hätte der Mann aber nach geltendem Recht Vorrang vor allen anderen haben müssen (Art. 11 Abs. 1 Fluggastrechte-VO). Das bedeutet, dass er – zusammen mit seiner Begleitung – als Erster in das Flugzeug ein- und auch als Erster wieder aussteigen darf. Diese bevorzugte Behandlung hat die Airline hier versäumt.
Sie hat damit dem Fluggast die Möglichkeit genommen, einen direkten Anschlussflug rechtzeitig zu erreichen. Sie haftet deshalb für die große Ankunftsverspätung.
BGH, Urteil vom 20.6.2023, X ZR 84/22