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Pflegereform: Was sich 2017 ändert

Familie & Vorsorge 16. Dezember 2016
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© Sandor Kacso / fotolia.com

Zum 1. Januar 2017 tritt die neue Pflegereform in Kraft und bringt einige Änderungen mit sich. Hier erfahren Sie, worauf sich Pflegebedürftige zum Jahreswechsel einstellen müssen.

Seit 2006 beschäftigt sich ein Beirat mit der schon damals überfälligen Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Dieser stellte bisher ausschließlich auf körperliche (somatische) Defizite ab. Nach dem Ausmaß der körperlichen Gebrechen und der Zahl der für die Pflege aufzuwendenden Minuten und Stunden wurden Pflegebedürftige in Pflegestufen eingeordnet. Ergebnis: die »Satt-und-sauber-Pflege«. Dabei benötigt ein geistig verwirrter Mensch oftmals in stärkerem Maße Betreuung als ein Mensch, der – etwa nach einem Schlaganfall – nur noch begrenzt bewegungsfähig ist. Nun ist es so weit: Ab 2017 gelten der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein entsprechend angepasstes neues Begutachtungsverfahren. Jetzt kommt es auf den Grad der Selbstständigkeit der Betroffenen an. Doch was bedeutet die Rechtsumstellung für die fast drei Millionen Menschen, die heute bereits Leistungen der Pflegeversicherung erhalten?

Wer bislang bereits als pflegebedürftig anerkannt ist, muss sich nicht um eine neue Begutachtung bemühen. Die Überleitung von den alten Pflegestufen in die neuen Pflegegrade geschieht automatisch – ohne neue Begutachtung. Für die Umstellung gibt es dabei klare gesetzliche Regeln. Durch die Umstellung zum Jahreswechsel 2016/2017 werden Leistungsempfänger vielfach bessergestellt. Verschlechterungen für aktuelle Leistungsbezieher gibt es nicht. Es gibt vor allem zwei Personengruppen, die von der Umstellung profitieren werden:

  • Pflegebedürftige, die in ihrem häuslichen Umfeld betreut werden, also (noch) nicht in einem Pflegeheim leben,
  • Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (EA). Zu den Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz gehören beispielsweise Personen mit beginnender Alzheimer-Krankheit.

Festgestellt wird der Betreuungsbedarf vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Soweit die Betroffenen noch keine klassische körperliche Pflege benötigen, sondern »nur« geistige Einschränkungen haben, sprach man bislang von Pflegestufe »Null«.

Gesetzliche Pflegeversicherung: Die neuen Regeln ab 2017

Ab 2017 gibt es einen reformierten Pflegebedürftigkeitsbegriff. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff berücksichtigt alle für das Leben und die Alltagsbewältigung eines Pflegebedürftigen relevanten Beeinträchtigungen. Körperliche, kognitive und psychische Beeinträchtigungen werden bei der Einstufung gleichermaßen berücksichtigt. Mit dem neuen System kann auch besser geplant werden, welche Art von Unterstützung ein pflegebedürftiger Mensch tatsächlich braucht.

»Pflegebedürftig sind demnach Personen, die gesundheitlich bedingte Einschränkungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und die daher der Hilfe durch andere bedürfen«. Die Einschränkung der Selbstständigkeit darf allerdings nicht allzu gering sein. Pflegebedürftig sind somit Personen, denen einer der Pflegegrade zwischen 1 und 5 zuerkannt wird. Damit ist zugleich klargestellt, dass auch Menschen mit einer »geringen Einschränkung ihrer Selbstständigkeit oder Fähigkeiten« (Pflegegrad 1) pflegebedürftig sind und Anspruch auf viele – aber nicht alle – Leistungen der Pflegeversicherung haben.

Eine kompetente Beratung ist im Pflegefall so wichtig, dass sie ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Zur Sicherstellung einer frühzeitigen Beratung müssen die Pflegekassen denjenigen, die erstmalig Leistungen beantragen, einen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen unter Nennung eines Ansprechpartners anbieten – auf Wunsch auch zu Hause. Können Kassen diese Leistung nicht selbst zeitgerecht erbringen, dann müssen sie einen Beratungsgutschein für die Inanspruchnahme der erforderlichen Beratung durch einen anderen qualifizierten Dienstleister aushändigen.

Wenn Sie Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten wollen, müssen Sie bei Ihrer Pflegekasse einen Antrag stellen. Pflegebedürftige bzw. ihre Angehörigen sollten dies so früh wie möglich tun, und zwar sobald sie selbst bzw. ihr Angehöriger voraussichtlich für längere Zeit Pflege benötigt. Nach der Antragstellung beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Begutachtung des zu Pflegenden. Dieser vereinbart dann einen Besuchstermin in der Wohnung des Patienten (bzw. bei Heimbewohnern in der Einrichtung). Bei stationärem Aufenthalt gegebenenfalls auch im Krankenhaus. Die Unternehmen der privaten Pflegepflichtversicherung beauftragen als Gutachter die eigens dafür gegründete Medicproof GmbH, für die die gleichen Maßstäbe wie für den MDK gelten.

Pflegenden Angehörigen ist dringend anzuraten, sich vor dem Besuch des MDK bzw. des Gutachters von Medicproof mit dem neuen Begutachtungsverfahren zu beschäftigen. Ausführliche Infos gibt es in Kürze in den Smartlaw Rechtstipps. Zudem sollten Sie die notwendigen Hilfeleistungen zwei Wochen lang in einem Pflegetagebuch dokumentieren. Zeichnen Sie hierzu alle täglichen Verrichtungen, bei denen Unterstützung gebraucht wird, detailliert auf. Pflegetagebücher gibt es kostenlos bei der zuständigen Pflegekasse. Das ausgefüllte Tagebuch legen Sie dem Gutachter des MDK zusammen mit den Unterlagen der behandelnden Ärzte vor. Hier ist es ganz wichtig, dass der Betroffene beim Gutachterbesuch nicht den Helden spielt und zeigen will, wie fit er eigentlich noch ist. Pflegende Angehörige tun gut daran, bei der Untersuchung anwesend zu sein und bei Bedarf einzugreifen. Sind Sie mit der anschließenden Einstufung nicht einverstanden, können Sie Widerspruch dagegen einlegen. Lassen Sie sich hierbei von einem unabhängigen Pflegeberater unterstützen. Diese Fachleute sind in der Lage Untersuchungsversäumnisse festzustellen und den Grund für eine Neuuntersuchung sicher zu formulieren.

Pflegeversicherung: Die neuen Pflegegrade & Leistungen

Ab 2017 gibt es statt der bisherigen drei Pflegestufen fünf Pflegegrade. Eine Neu-Begutachtung findet nicht statt. Besonders vorteilhaft ist die Neuerung für verwirrte bzw. demenzkranke Menschen. Das Gesetz spricht hier von »Einschränkung der Alltagskompetenz« (EA). Aus der Pflegestufe 0 wurde der Pflegegrad 2. Aus Pflegestufe I wurde bei gleichzeitiger EA der Pflegegrad 3. Bei Pflegebedürftigen ohne EA gilt nur der Sprung um eine Stufe: So wurde etwa aus Pflegestufe II der Pflegegrad 3.

Das volle Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten zu Hause lebende Pflegebedürftige, die ausschließlich von Angehörigen oder Freunden betreut werden. Das Pflegegeld steigt 2017 für die meisten heute bereits als pflegebedürftig Anerkannten stark an. So erhalten Personen mit Pflegestufe I und eingeschränkter Alltagskompetenz künftig € 545,– statt bisher € 316,–. Lediglich bei den relativ wenigen zu Hause lebenden Pflegebedürftigen, die derzeit in Stufe III eingeordnet sind, gibt es unverändert € 728,– monatlich.

Wichtig für pflegende Angehörige: Sie haben künftig Anspruch auf eine Familienpflegezeit und auf eine Pflegezeit sowie auf eine Arbeitsbefreiung für maximal zehn Arbeitstage zur Organisation der Pflege. Dies gilt allerdings nur für Arbeitnehmer, die in Unternehmen mit mehr als 15 (bei der Pflegezeit) bzw. mehr als 25 (bei der Familienpflegezeit) Beschäftigten tätig sind. Außerdem sollten pflegende Angehörige die Möglichkeiten der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege optimal nutzen. Denn diese lassen sich miteinander gut kombinieren.

Statt Pflegegeld können zu Hause lebende Betroffene auch Leistungen von ambulanten Pflegediensten in Anspruch nehmen, sogenannte »Pflegesachleistungen«. Das Geld hierfür wird allerdings nicht an die Pflegebedürftigen ausgezahlt, sondern steht als Budget für Dienstleistungen von Pflegefachkräften zur Verfügung – etwa für Hilfen beim Aufstehen, bei der Körperpflege, dem Essen und Trinken, dem Gang zur Toilette oder der hauswirtschaftlichen Versorgung. Das Budget, das die Betroffenen monatlich zur Verfügung haben, erhöht sich künftig teils drastisch. Wer bislang in Pflegestufe Null eingruppiert ist, »rutscht« 2017 automatisch in den neuen Pflegegrad 2 und erhält künftig beispielsweise einen Etat in Höhe von monatlich € 689,– statt bislang € 231,–.

Wer bereits 2016 in einem Pflegeheim lebt, hat auch 2017 weiterhin Anspruch auf mindestens den Zuschuss zu den Pflegekosten, der derzeit gewährt wird. Für Heimbewohner sind dabei die Bestandsschutzregeln besonders wichtig. Denn nach den »regulären « neuen Regeln für die geltenden Leistungssätze würden sich die Leistungen für die Betroffenen häufig verschlechtern. Insbesondere gilt dies für Pflegebedürftige, die derzeit in Pflegestufe I eingruppiert sind und künftig automatisch in Pflegegrad 2 »rutschen«. In diesem Fall würde es für einen Pflegeheimbewohner künftig »eigentlich« nur einen Zuschuss in Höhe von € 770,– geben (statt bislang € 1064,–). Aufgrund des geltenden Bestandsschutzes bleibt es aber auch künftig bei € 1064,–.

Darüber hinaus stehen allen Pflegebedürftigen zusätzliche finanzielle Leistungen zur Verfügung. Dazu zählen der sogenannte Entlastungsbetrag, ein Zuschuss zu Pflegehilfsmitteln und weiteres Geld für Maßnahmen zur Wohnungsanpassung.