Kriminelle Karriere des Kindes reicht nicht immer für Entziehung des Pflichtteils
Ein Ehepaar hatte im Jahr 1988 einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem es sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt hatte. Im Jahr 1996 ergänzten die Eheleute den Vertrag mit einem Nachtrag, mit dem sie drei ihrer vier Kinder als Schlusserben nach dem zuletzt versterbenden Elternteil einsetzten. Das vierte Kind, ein Sohn, wurde ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen. Zudem entzogen sie ihm seinen Pflichtteil. Er war in Ungnade gefallen, weil er 1996 von einem Jugendschöffengericht wegen fünffachen gemeinschaftlich begangenen Computerbetruges und dreifachen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls zu einer Gesamtjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden war.
Des Weiteren wurde er 1997 wegen Drogendelikten verurteilt. Auch nachfolgend trat der Sohn der späteren Erblasser wiederholt strafrechtlich in Erscheinung und wurde immer wieder inhaftiert. Trotz seiner kriminellen Karriere hatte der Sohn während der gesamten Zeit Kontakt zu seinen Eltern.
Nach dem Tod der Eltern fverklagte der enterbte Sohn seine Geschwister auf seinen Pflichtteil. Den von seinen Eltern in dem Erbvertrag verfügten Entzug des Pflichtteils hielt er für unwirksam. Das Landgericht Bonn gab ihm recht.
Begründung des Urteils: Der von den Eltern in ihrem Erbvertrag genannte Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" war zum 2010 vom Gesetzgeber abgeschafft worden.
Zwar gebe es noch den Entziehungsgrund einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe. Aber auch diesen Entziehungsgrund wollte das Gericht hier nicht bejahen, da der Sohn nicht wegen nur einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden war.
Hinzu kam hier, dass die Eltern ihrem Sohn seine Straftaten in der Zwischenzeit verziehen hatten. Dadurch wird die Entziehung des Pflichtteils unwirksam.
LG Bonn, Urteil vom 18.12.2019, 2 O 66/19