Widerruf eines Online-Matratzen-Kaufes auch ohne Schutzfolie zulässig
Ein Kunde bestellte online eine Matratze. Nach der Lieferung entfernte er die Schutzfolie, um die Matratze zu testen. Ein paar Tage später wandte er sich an den Online-Händler. Er widerrief die Bestellung, die Matratze stehe zur Abholung bereit. Dem kam der Händler nicht nach. Daraufhin organisierte der Kunde den Rücktransport zunächst auf eigene Kosten. Er verlangte vom Verkäufer €1.094,52 erstattet – d.h. den Kaufpreis und die Rücksendekosten.
Der Onlinehändler bezahlte nicht, dem Kunden stehe kein Widerrufsrecht zu. Die Verbraucherschutzrichtlinie schließe das Widerrufsrecht »für versiegelte Waren aus, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.«
Der Bundesgerichtshof legte im Rahmen des Prozesses dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Entscheidung vor, ob eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, unter den gesetzlich geregelten Ausschlusstatbestand fällt.
Der EuGH entschied: Nein, ein Verbraucher darf das gesetzliche Widerrufsrecht selbst dann ausüben, wenn er die Schutzfolie einer im Internet gekauften Matratze zu Prüfzwecken entfernt hat. Das Widerrufsrecht wird dadurch nicht ausgeschlossen
Das 14-tägige Widerrufsrecht stärkt den Verbraucherschutz. Online-Kunden haben somit angemessen Zeit, Bestellware zu prüfen und auszuprobieren, soweit dies erforderlich sei, um ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise festzustellen. Dazu kann es im Einzelfall erforderlich sein, die zum Gesundheits- und Hygieneschutz angebrachte Schutzfolie der Ware zu öffnen bzw. zu entfernen.
Mit dem Entsiegeln entfällt zwar die Garantie des Gesundheits- oder Hygieneschutzes gegenüber Dritten, sodass der Weiterverkauf der Ware beeinträchtigt wird. Aber das Entfernen der Schutzfolie nach Warenlieferung steht dem Widerrufsrecht nicht entgegen.
Schließlich sind auch benutzte Matratzen wiederverwendbar. Das zeigt das Beispiel von Hotelbetten. Zudem kann auch eine gebrauchte Matratze nach der Rücksendung erneut in den Verkehr gebracht werden (z.B. auf dem Second-Hand-Markt). Denn Matratzen können gründlich gereinigt und desinfiziert werden.
Insofern sind Matratzen mit Blick auf das Widerrufsrecht rechtlich mit Kleidung gleichzusetzen. Das ist eine Warenkategorie, für die das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit der Rücksendung nach Anprobe – also auch mit direktem Kontakt mit dem menschlichen Körper – vorsieht.
Beachten Sie: Allerdings haftet der Verbraucher für den Wertverlust der Ware, der durch unsachgemäße Behandlung der Ware (z.B. überschreitet der Käufer die Befugnis zur Warenprüfung auf ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise).
EuGH, Urteil vom 27.3.2019, C-681/17