Online-Casino: Wann können Spieler Verluste zurückverlangen?
Ein führender Online-Glücksspiel-Anbieter aus Malta, der mehrere Online-Casino-Seiten betreibt und über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta verfügt, hielt ebenfalls eine Glücksspiellizenz in Deutschland. Diese war jedoch regional nicht umfassend. Für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in welchem die Spielerin wohnte, verfügte er im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze jedoch nicht über diese erforderliche Lizenz. Die Internetseiten des Online-Casino-Anbieters nebst den FAQ und den AGB sind vollständig auf Deutsch abgefasst.
In der Zeit vom 27.12.2015 bis zum 2.12.2020 verlor eine Spielerin auf den Online-Casino-Seiten unterm Strich insgesamt € 632.250,–. Sie verlangte vom Casino-Betreiber diese Verluste zurück. Die Verluste berechnen sich dabei aus den Einzahlungen minus der Auszahlungen je Online-Casino. Begründung: Aufgrund des damaligen gesetzlichen Verbots von Online-Glückspielen habe sie einen Rückzahlungsanspruch. Sie habe erst im Jahr 2022 erfahren, dass Online-Glückspiele im bezeichneten Zeitraum nicht erlaubt gewesen seien, deshalb seien mögliche Rückzahlungsansprüche nicht verjährt.
Das Landgericht Koblenz gab ihr recht. Die Spielerin hat einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten und verlorenen Spieleinsätze in voller Höhe. Der Online-Casino-Betreiber hat diesen Betrag ohne Rechtsgrund erlangt. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstößt im genannten Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nichtig.
Glücksspiellizenzen aus Ländern wie Malta oder Gibraltar haben hierzulande keine Gültigkeit. Dementsprechend gab es keine Rechtsgrundlage für das Einzahlen bzw. den Verlust von Geld in Online-Casinos.
Zwar ist der Glückspielstaatsvertrag im Jahr 2021 neu geregelt und es besteht seit 1.7.2021 nunmehr die Möglichkeit, eine Erlaubnis für öffentliche Glückspiele im Internet zu erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes ist hier aber der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (d.h. vom 27.12.2015 bis zum 2.12.2020). Auf die Frage einer etwaigen späteren Legalisierung des Angebots kommt es nicht an.
Nach § 762 BGB begründen Spiel und Wette keine Verbindlichkeit. Der Glücksspielanbieter kann sich jedoch nicht auf diese Vorschrift berufen. Sie greift nur in Fällen, in denen die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird.
Auch kann er sich nicht auf die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB berufen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben konnte nicht nachgewiesen werden (z.B., dass die Spielerin vorsätzlich gegen das Gesetz verstoßen hat oder sich der Gesetzeswidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hatte).
Im Prozess konnte nicht festgestellt werden, dass die Frau wusste, dass Online-Glücksspiele aus dem europäischen Ausland in Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) im fraglichen Zeitraum verboten waren. Sie konnte sich beispielsweise problemlos auf der deutschsprachigen Webseite des Online-Casinos registrieren und Zahlungen vornehmen. Zudem war nicht offensichtlich, dass die in Spielhallen und Casinos erlaubten Glücksspiele einem Totalverbot unterliegen, sofern sie online angeboten und beworben werden. Darüber hinaus verfügte der maltesische Glücksspiel-Anbieter über eine Lizenz in einem EU-Staat und bot die Dienstleistungen in Deutschland frei zugänglich an.
Die Ansprüche sind nicht verjährt. Der Spielerin konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie vor dem Jahr 2022 Kenntnis von den Umständen hatte, die ihren Anspruch begründeten. Rückforderungen von Online-Casinos verjähren nach zehn Jahren.
LG Koblenz, Urteil vom 24.7.2023, 1 O 224/22; n. rk.