Arbeitszeitdokumentation – neue Pflichten für Arbeitgeber nach Beschluss des Bundesarbeitsgerichts
Das ist der wesentliche Satz aus einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (PM 35/22) zu einer Entscheidung, in der es zwar primär um Mitbestimmungsrechte eines Betriebsrats ging, die nun aber mit diesem Satz für alle Arbeitgeber neue Compliance-Pflichten zur Arbeitszeitdokumentation aus dem Arbeitsschutzgesetz ableitet. Dies ist neu, weil bisher nach dem Arbeitszeitgesetz und der Rechtsprechung nur einzelne Aspekte der Arbeitszeit erfasst werden mussten, vor allem Überstunden. Die neue Entscheidung hat die Auslegung der Gesetze nun mit sofortiger Wirkung geändert (auch ohne Gesetzesänderung).
Weitere Details zu den neuen Pflichten sind noch nicht bekannt, auch mit der Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungsgründe ist erst in einigen Wochen zu rechnen. Vorab zur Orientierung folgende erste Hinweise:
- Wer bereits bisher alle Arbeitszeiten (Anfang, Ende, Pausen) aller Arbeitnehmer dokumentiert hat, muss nichts ändern.
- Wer bisher bei (allen oder ausgewählten) Arbeitnehmern die Arbeitszeiten nicht (vollständig) erfasst hat, somit eine Art „Vertrauensarbeitszeit“ praktiziert hat, ist ab sofort zur Änderung und Einführung eines „Erfassungssystems“ verpflichtet.
- Nach der neuen Rechtsprechung gibt es auch keine Ausnahmen mehr zur Dokumentationspflicht für leitende Angestellte (anders als nach dem Arbeitszeitgesetz).
- Es ist bisher keine Vorgabe des Bundesarbeitsgerichts erkennbar, eine solche Erfassung digital oder gar zentral durch ein automatisches System des Arbeitgebers vorzunehmen. Daher ist es bei Bedarf auch hinreichend und zulässig, den Arbeitnehmer*innen selbst eine manuelle und auch papierhafte Erfassung aufzugeben. Dazu muss aber die Vorgabe erfolgen, diese Dokumentation regelmäßig an den Arbeitgeber zu übermitteln oder zumindest uneingeschränkten Zugriff dazu einzuräumen.
- Es besteht auch unverändert wie bisher bereits die Pflicht des Arbeitgebers, die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen nach den Regeln des Arbeitszeitgesetzes fortlaufend zu gewährleisten und dazu auch die individuellen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer*innen zu prüfen.
- Es ist zunächst nicht erkennbar, dass ein Verstoß gegen die neuen umfassenden Dokumentationspflichten einen Bußgeldtatbestand nach dem Arbeitsschutzgesetz verwirklicht. Aber der Verstoß gegen die bisherigen (reduzierten) Dokumentationspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz war bußgeldbewehrt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass vergleichsweise zeitnah die Bußgeldregelungen an die neue Rechtsprechung angepasst werden.