Fehlende Unterrichtung der Arbeitnehmer über Urlaubsansprüche hindert die Verjährung
Eine Steuerfachangestellte in Deutschland konnte ihren Urlaub der Vorjahre aufgrund des großen Arbeitsvolumens nicht vollständig nehmen. Der Arbeitgeber kam den bereits bestehenden Hinweisverpflichtungen nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht nach. Er hatte die Mitarbeiterin nicht informiert, dass der Urlaub verfallen kann, wenn sie den Urlaub nicht im laufenden Urlaubsjahr beantragt und nimmt.
Als die ehemalige Mitarbeiterin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich der Arbeitgeber auf die Verjährung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte in diesem Fall dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs gemäß §§ 194 Abs. 1, 195 BGB trotz Verletzung der Hinweispflichten gestattet.
Der EuGH entschied, Urlaub sticht Verjährung. Ein Arbeitgeber ist dann nicht schützenswert, wenn er seine Mitarbeiter zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Durch die fehlende Aufklärung hat der Arbeitgeber selbst erst die Situation geschaffen, dass der Arbeitnehmer erst nach Jahren den ihm zustehenden Urlaub fordert.
Die geltenden Verjährungsregelungen im deutschen Arbeitsrecht stehen daher den Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie entgegen.
Folge: Der Arbeitgeber muss die positive Kenntnis des Arbeitnehmers über den ausstehenden Urlaubsanspruch und die Verjährung nachweisen, damit die Verjährung zu laufen beginnt.
EuGH, Urteil vom 22.9.2022, C-120/21