Arbeitszeitbetrug mit Raucherpausen rechtfertigt Kündigung – auch ohne Abmahnung
Anfang Januar 2019 wurden bei einer langjährig beschäftigten Angestellten eines Jobcenters Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeitbuchungen festgestellt. Die Frau war über 30 Jahre dort tätig. Teilweise hatte sie mehrmals täglich Zigarettenpausen nicht gebucht.
Damit verstieß sie gegen eine Dienstvereinbarung. Diese regelte flexible Arbeitszeiten und normierte die Verpflichtung, die Arbeitszeit bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen. Ausdrücklich eingeschlossen waren etwaige Pausen.
Die Mitarbeiterin wurde zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darin bedauerte sie ein mögliches Fehlverhalten und entschuldigte sich für den »nachlässigen Schludrian«, der sich eingeschlichen habe. Als Raucherin benötige sie die entsprechenden Zigarettenpausen und führe nun über jede Raucherpause minutengenau Buch. Sie beteuerte, ein Fehlverhalten werde sich nicht mehr wiederholen.
Gleichwohl wurde der Frau gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht argumentierte sie, dass es ursprünglich nicht üblich gewesen sei, bei Pausen ein- und wieder auszustempeln. Diese Praxis habe sich erst in den letzten zwei Jahren entwickelt. Sie sei davon ausgegangen, die Duldung »wilder Raucherpausen« habe zu einer betrieblichen Übung zugunsten der Arbeitnehmer geführt. Die Kündigung sei zudem unverhältnismäßig, weil sie kein einziges Mal abgemahnt worden sei.
Das Landesarbeitsgericht Thüringen bestätigte, die ordentliche Kündigung ist rechtmäßig. Es liegen beharrliche Verstöße gegen Dokumentationspflichten vor. Daraus resultiert ein Arbeitszeitbetrug.
Dabei handelt es sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, mit der ein schwerer Vertrauensbruch verbunden sei. Zudem habe das betrügerische Verhalten strafrechtliche Relevanz. Somit kann selbst bei langjähriger Beschäftigungsdauer einem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, durch das vorsätzliche Nichterfassen von Pausenzeiten betrogen zu werden.
Eine Abmahnung ist bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen entbehrlich. In Fällen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses bedarf es auch keiner negativen Zukunftsprognose. Somit ist es für die Entscheidung des Arbeitgebers ohne Bedeutung, ob die Mitarbeiterin nach dem Vorfall ihr Verhalten geändert hat und die Zeiterfassung ordnungsgemäß dokumentierte.
LAG Thüringen, Urteil vom 3.5.2022, 1 Sa 18/21; n. rk.