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Immobilienverkauf: BGH verschärft Aufklärungspflichten von Verkäufern

Wohnungseigentum & Grundbesitz 22. Dezember 2023
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Nuttapong punna / stock.adobe.com

Wer eine Immobilie verkauft, darf sich nicht darauf verlassen, dass sich ein Kaufinteressent vorab selbst zu relevanten Fakten schlau macht. Als Verkäufer müssen Sie umfassend aufklären, auch über anstehende Sanierungskosten.

Eine Firma hatte mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex in Hannover gekauft. Kaufpreis: 1,5 Mio. Euro. Im Kaufvertrag versicherte der Immobilienverkäufer, es lägen keine Beschlüsse vor, aus denen sich eine künftige Sonderumlage ergebe. Ferner stünden keine außergewöhnlichen Sanierungen bevor, deren Kosten durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckt seien. Und weiter hieß es: Der Verkäufer habe der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre übergeben, und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen. Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen erhielt die Käuferin Zugriff auf einen vom Verkäufer eingerichteten virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt.

Drei Tage vor Vertragsschluss im März 2019 stellte der Verkäufer dort das Protokoll einer wichtigen Eigentümerversammlung aus dem Jahr 2016 ein. Daraus ergab sich, dass auf die Käuferin Kosten von bis zu 50 Mio. Euro für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zukommen könnten.

Es kam zum Rechtsstreit. Schwerpunktmäßig ging es dabei um die Haftung des Verkäufers wegen Verschuldens bei Vertragsschluss. Die Erwerberin erklärte die Anfechtung des Immobilienkaufvertrages. Sie fühlte sich arglistig getäuscht, weil über die Sanierungskosten zu spät informiert wurde. Der Verkäufer habe bei Vertragsschluss nicht ausreichend aufgeklärt. Aus Sicht der Erwerberin wurden wichtige Unterlagen im digitalen Datenraum »klammheimlich« hochgeladen und ihr somit »untergeschoben«. Weil es ein Freitag war, war es zudem der letzte Arbeitstag vor der geplanten Unterzeichnung. Sie argumentierte, ein Verkäufer müsse in einem Datenraum von vornherein ein umfassendes Bild vermitteln. Werden Informationen nachgeschoben, sei darauf ausdrücklich hinzuweisen.

Die Verkäuferin verwies auf den Vertragstext. Die Käuferin habe die Fakten gekannt und keine Nachfragen gestellt. Das sei ein »Verschulden gegen sich selbst«.

Das Oberlandesgericht Celle sah vor allen Dingen den Käufer in der Pflicht, sich alle nötigen Informationen vor Vertragsabschluss zu besorgen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil im Wesentlichen auf und verwies es zur neuen Verhandlung zurück.

Tenor: Der Verkäufer verletzte hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen seine vorvertragliche Aufklärungspflicht. Er hätte ungefragt über den Kostenumfang aufklären müssen, der bei 50 Mio. Euro »zweifelsohne von erheblicher Bedeutung« ist.

Begründung: Nur weil der Verkäufer dem Käufer Zugriff auf offenbarungspflichtige Daten ermöglicht, heißt das nicht, dass dieser die Daten auch zur Kenntnis nehme. Der Verkäufer kann davon nur ausnahmsweise ausgehen (z.B. bei einer Due Diligence durch den Käufer).

Wichtige Unterlagen drei Tage vor Vertragsschluss hochzuladen, ist jedenfalls zu knapp. Der Verkäufer durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Käufer die Dokumente noch zur Kenntnis nimmt. Er hätte ihn deshalb darauf hinweisen müssen.

Folge: Der BGH verschärft die Aufklärungspflichten von Immobilienverkäufern. Es genügt künftig nicht mehr, dass der Verkäufer alle relevanten Tatsachen jenseits von Sach- und Rechtsmängeln Käufern »quasi ungefiltert vor die Füße kippt«. Der Verkäufer muss den Käufer »mit der Nase auf solche Umstände stoßen«. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls (z.B. springen bei einer Besichtigung dem Käufer Mängel ins Auge oder wird im Zusammenhang mit Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht).

Das gilt entsprechend, wenn ein Datenraum genutzt wird, in dem Unterlagen digital hinterlegt werden. Hier ist entscheidend, wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind.

BGH, Urteil vom 15.9.2023, V ZR 77/22