»Fiktive« Mängelbeseitigungskosten können beim Immobilienerwerb weiterhin verlangt werden
Der Käufer einer gebrauchten Eigentumswohnung verlangte vom Verkäufer Schadensersatz wegen Mängeln der Immobilie. Im notariellen Kaufvertrag war die Sachmängelhaftung ausgeschlossen. Zugleich hatte sich der Verkäufer aber verpflichtet, bestimmte Feuchtigkeitsschäden zu beheben, falls diese nochmals auftreten sollten.
Nachdem erneut Feuchtigkeit aufgetreten war, verlangte der Käufer vom Verkäufer vergeblich, die Schäden zu beheben. So stellte er ihm im zweiten Schritt einen Betrag von knapp € 8.000,- (ohne Umsatzsteuer) in Rechnung – als Ersatz für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten. Er verlangte außerdem die Feststellung, dass der Verkäufer weitere Schäden ersetzen muss.
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Verfahren im Kern damit eine Grundsatzfrage zu entscheiden: Darf ein Käufer seinen Schadensersatz auf Basis der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten beziffern (sogenannter »fiktiver Schadensersatz«)? Oder muss er zunächst mit der Schadensbehebung in Vorleistung treten, um anschließend Ersatz verlangen zu können?
Die Richter bejahten die Möglichkeit, dass Immobilienkäufer den Schadensersatz für eine mangelhafte Immobilie fiktiv berechnen dürfen. Sie können die voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird.
Begründung: Einem Käufer steht, anders als einem Besteller im Werkvertragsrecht, kein Vorschussanspruch zu. Es ist ihm deshalb nicht zumutbar, die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorzufinanzieren.
Ausnahme: Die Umsatzsteuer muss dem Käufer nur ersetzt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (z.B. wurde der Mangel von einem Handwerksbetrieb behoben und Sie erhalten eine Rechnung inkl. Mehrwertsteuer). Diese Rechtslage entspricht den zivilrechtlichen Grundsätzen im Delikts- und Werkvertragsrecht.
BGH, Urteil vom 12.3.2021, V ZR 33/19
Anmerkung der Redaktion:
Im Ergebnis unterscheidet sich somit die Rechtslage beim Kaufvertrag und beim Werkvertrag. Im Kaufrecht besteht weiterhin die Möglichkeit, den Schaden auch ohne dessen Behebung anhand der voraussichtlichen Kosten zu beziffern.
Dieser Grundsatz wurde nach einer Rechtsprechungsänderung des BGH für das Werkvertragsrecht aufgegeben (z.B. im Baurecht; BGH, Urteil vom 22.2.2018, VII ZR 46/17). Damit wollte der BHG einer Überkompensation im Werkvertragsrecht entgegenwirken. Denn der Schadensersatz soll nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Das ist aber im Ergebnis häufig der Fall, wenn ein Besteller die Sache nicht reparieren lässt und – mit nur geringen Einbußen bei der Benutzbarkeit – weiter nutzt. Im Ergebnis gilt Folgendes:
- Der Besteller, der die Sache behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, erhält nur noch Schadensersatz in Höhe des Minderwerts (d.h. in Höhe der Differenz des Wertes der Sache ohne Mangel im Vergleich zum Wert der Sache mit Mangel).
- Der Besteller, der die Mängel nicht beseitigen lässt und die Sache veräußert, kann Schadensersatz verlangen in Höhe des konkreten Mindererlöses (d.h. in Höhe des Geldbetrags, den der Besteller beim Verkauf aufgrund des Mangels nicht realisieren konnte).