Direkt zum Inhalt

Allgemeine Glätte ist keine Voraussetzung für den Winterdienst

Wohnungseigentum & Grundbesitz 9. März 2023
Image

VRD / stock.adobe.com

Eine winterliche Räum- und Streupflicht kann nicht nur bei allgemeiner Glätte, sondern auch bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr bestehen. Dies gilt auch für einen Dritten, der die Winterdienstpflicht vertraglich übernommen hat.

Im Dezember 2020 kam gegen 11:00 Uhr eine 69-jährige Frau auf einem Berliner Klinikgelände wegen Glatteises zu Fall. Sie erlitt eine Quadrizepssehnen-Ruptur am rechten Bein. Das gesamte Gelände war wegen Glätte rutschig und nicht gestreut gewesen. Die Winterdienstpflicht war auf eine Firma übertragen worden. Die Verletzte verlangte vom Träger der Klinik und der Winterdienstfirma ein Schmerzensgeld in Höhe von € 20.000,–.

Das Kammergericht Berlin bejahte den Anspruch auf Schmerzensgeld dem Grunde nach. Die Winterdienstfirma hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Es kommt mit Blick auf die Räum- und Streupflicht nicht darauf an, ob eine allgemeine Glätte herrschte. Auch bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr kann die Winterdienstpflicht bestehen. Die Beweisaufnahme hatte hier ergeben, dass am Unfalltag seit 9:00 Uhr bis zum Unfallzeitpunkt das Gelände der Klinik vereist und deshalb sehr rutschig war. Der Dienstleister hätte daher spätestens ab 10:00 Uhr streuen müssen.

Zwar kann von einer Winterdienstfirma nicht generell verlangt werden, wenn keine allgemeine Glätte herrscht, sämtliche Flächen in ihrem Winterdienstgebiet vorsorglich auf ernsthafte lokale Glättegefahren zu kontrollieren. Aber: Bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr wie hier im Fall ist darauf nicht abzustellen. Denn die primär Streupflichtige vor Ort hätte spätestens um 10:00 Uhr auf die ernsthafte Glättegefahr reagieren müssen.

Das KG reduzierte den Anspruch auf € 5.000,–. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Frau für mehrere Tage über Weihnachten in ambulanter Behandlung war, sich operieren lassen musste und danach über mehrere Monate einen schwierigen Heilungsverlauf erdulden musste (z.B. wiederholte Arztbesuche und Rehamaßnahmen). Zudem war sie mehrere Wochen auf eine Gehhilfe angewiesen.

KG, Urteil vom 6.12.2022, 21 U 56/22