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Was gilt für die Tierhalterhaftung in einem Gefälligkeitsverhältnis?

Haustier 30. Juli 2021
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Kzenon / stock.adobe.com

Ein Hundehalter haftet auch für Schäden, die eine Person erleidet, die sein Tier gefälligkeitshalber Gassi führt. Allerdings muss sich diese unter Umständen ein Mitverschulden anrechnen lassen, was den Schmerzensgeldanspruch mindert.

Eine Frau hatte über viele Jahre hinweg regelmäßig den Hund ihres Nachbarn Gassi geführt. Sie tat das aus Gefälligkeit und Freude. Sie entlastete damit den Hundehalter, der im Schichtdienst tätig war. Der Hund war lieb und ruhig.

Eines Abends sah der Hund in der Dämmerung eine Katze und wollte ihr nachjagen. Die Frau war so überrascht, dass sie die Leine nicht rechtzeitig losließ. So kam sie zu Fall und stürzte mit der Schulter auf den Bürgersteig. Sie verletzte sich so schwer, dass sie operiert werden musste und trotz Therapien dauerhaft in ihrer Erwerbstätigkeit gemindert ist. Sie verlangte von ihrem Nachbarn daher Schadensersatz – in Form von Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden, weil sie nach der Operation ihren Haushalt nicht mehr wie gewohnt selbst führen konnte.

Das Landgericht Coburg gab ihr Recht: Hundehalter haften grundsätzlich für Schäden, die durch ihr Tier verursacht werden. Der Hund galt in diesem Fall zwar als ruhig und gutmütig, doch sein Jagdinstinkt setzte ein, als er die Katze entdeckt und unerwartet losrannte. Damit hat sich eine aus der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens resultierende Gefahr verwirklicht.

Die Frau verliert mit Blick auf das Gefälligkeitsverhältnis zum Hundehalter den Anspruch nicht. Durch das freiwillige und unentgeltliche Ausführen des Hundes hat sie nicht auf den Haftungsanspruch verzichtet – auch nicht stillschweigend.

Sie muss sich allerdings ein Mitverschulden an dem Vorfall anrechnen lassen. Denn das Verhalten eines Tieres ist nie völlig vorhersehbar. Sie musste bei einem Abendspaziergang damit rechnen, dass der Hund seinem Jagdtrieb folgend einfach losrennt. Sie hätte daher entweder die Leine im sicheren Stand fester halten oder rechtzeitig loslassen müssen, um einen Sturz zu vermeiden. Den Mitverschuldensanteil bewertete das Gericht im vorliegenden Fall mit 50 %.

LG Coburg, Urteil vom 8.9.2020, 22 O 718/19