Reitunfall nach Reitfehler - Kein Schmerzensgeld vom Tierhalter
Eine unerfahrene Reiterin ritt das Pferd „Ronald“ erstmals. Das Pferd war an diesem Tag nervös. Kurz vor dem Unfall war die Reiterin bereits einmal mit dem Fuß aus dem Steigbügel gerutscht und musste deswegen absteigen. Als sie wieder aufgestiegen war, wechselte das Pferd vom Trab in den Galopp. Die Reiterin stützte vom Pferd und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Sie erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Sie verlangte Schmerzensgeld vom Tierhalter.
Die Geschädigte machte geltend, „Ronald“ sei auf einmal durchgegangen. Der Pferdehalter hafte für die sogenannte „Tiergefahr“ (§ 833 Satz 1 BGB).
Dieser entgegnete, die Reiterin habe dem Tier durch Anpressen der Beine den Befehl zum Galopp gegeben. Das Tier habe nur gehorcht. Der Unfall beruhe daher nicht auf der Tiergefahr, sondern auf einem Reitfehler. Ohne Anerkenntnis einer Rechtsverpflichtung zahlte der Tierhalter-Haftpflichtversicherer des Reitstallbesitzers schließlich freiwillig ein Schmerzensgeld von € 2.000,-. Das war der verunfallten Reiterin nicht genug.
Das Oberlandesgericht Oldenburg stellte fest: Wer ein Tier hält, unterliegt der sogenannten „Tierhalterhaftung“. Hierbei handelt es sich um eine Gefährdungshaftung, bei welcher der Tierhalter ohne sein Verschulden haftet, etwa wenn das Tier unberechenbar reagiert (z.B. hört ein Pferd ein lautes Geräusch und geht durch).
In diesem Fall lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei feststellen, dass sich eine Tiergefahr verwirklichte. Das Gericht folgte hier der Argumentation des Halters und stützte sich dabei auf eine Zeugenaussage. Danach hat die Reiterin unsicher gewirkt. Die Chemie zwischen ihr und „Ronald“ habe nicht gestimmt. Das Pferd sei normal und sanft in den Galopp übergegangen.
Somit ist es auch möglich, dass ein Reitfehler zum Unfall führte (z.B. hat die Reiterin hier aus Unsicherheit die Beine angepresst und damit dem Pferd den Befehl zum Galopp gegeben habe, ohne dies eigentlich zu wollen). Folge: Kann die Reiterin eines fremden Pferdes nicht beweisen, dass ein Sturz nicht auf einen Reitfehler zurückzuführen ist, hat sie keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Tierhalter.
OLG Oldenburg, Urteil vom 19.10.2021, 2 U 106/21