Erschlichenes Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin ist sittenwidrig und nichtig
Im Jahr 2012 verstarb ein 1929 geborener Mann, der weder verheiratet war noch Abkömmlinge hatte. Schon 2004 war er infolge einer Gangunsicherheit und zunehmender Verwirrtheit in ein Pflegeheim aufgenommen worden. Deshalb war für ihn eine Berufsbetreuerin bestellt worden. Die Berufsbetreuerin bestellte im Mai 2005 einen Notar in das Pflegeheim ein und überzeugte den Patienten davon, sie zur Erbin einzusetzen. Den Wert seines Vermögens gab der Mann mit € 350.000,- an. Nach dem Tod des Mannes beantragte die Betreuerin einen Erbschein zu ihren Gunsten.
Den bekam sie nicht. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass das notarielle Testament vom Mai 2005 sittenwidrig und somit nichtig ist. Und das nicht nur hinsichtlich des Inhalts, sondern auch wegen der Umstände des Zustandekommens. Es sollen nicht „aus fremder Bedrängnis in sittenwidriger Weise Vorteile gezogen werden“, etwa wenn ein gewerblicher Dienstleister die erworbene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf einen Erblasser missbraucht. Deshalb sei es gesetzlich der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern eines Heims untersagt, sich von oder zu Gunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld- oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen.
Der Grund dafür sei das besondere Näheverhältnis zwischen Heimbewohner und Pflegepersonal und die damit verbundene Möglichkeit der Ausnutzung dieses Verhältnisses. Die Betreuung begründe ein ähnliches Näheverhältnis.
Zwar fehle es bislang an einer gesetzlichen Regelung, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind. Den Grundsätzen des Betreuungsrechts sei aber zu entnehmen, dass es das Gesetz als sittenwidrig missbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten, wie hier geschehen, missbrauche. Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reiche es dabei aus, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.
OLG Celle, Urteil vom 7.1.2021, 6 U 22/20