Überholen: Wer haftet bei Kolonnenunfall?
Ein Autofahrer, der später überholen wollte, war mit seinem Fahrzeug auf einer 5 m breiten und kurvigen Landstraße unterwegs. Diese hatte eine Fahrbahn pro Richtung, es gab weder einen Mittelstreifen noch einen Straßenrand neben der eigentlichen Fahrbahn. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h.
Auf dieser Straße hatte sich eine Kolonne aus rund zehn Autos gebildet. Der Autofahrer überholte diese nach und nach. Als er an den letzten drei Autos vorbei wollte, beschleunigte er auf 95 km/h und streifte den Pkw an der Spitze der Kolonne. Es entstand Sachschaden.
Der Fahrer verlangte Schadensersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Er argumentierte: Der andere Fahrer habe den Unfall allein verursacht, da er gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe. Er sei während des Überholvorgangs leicht nach links ausgeschert.
Die Versicherung lehnte die Regulierung ab. Sie wies darauf hin, auf einer sehr kurvigen, unüberschaubaren Streckenführung wie auch auf relativ schmalen Straßen gelte das Rechtsfahrgebot gerade nicht.
Das Landgericht Ellwangen schloss sich dieser Rechtsauffassung an: Die Versicherung muss nicht zahlen. Der Kolonnenspringer haftet allein. Er hat bei unklarer Verkehrslage überholt. Darin liegt ein grob fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Sein Fehlverhalten ist so schwerwiegend, dass die Betriebsgefahr des anderen am Unfall beteiligten Pkw zurücktritt.
Das Gericht führte zum Überholen von Kolonnen aus: Dies ist grundsätzlich zulässig. Aber aufgrund des hier gegebenen kurvigen Streckenverlaufs und der schmalen Straße war es nicht gefahrlos möglich. Es gibt zudem keine Verpflichtung der Verkehrsteilnehmer, besonders weit rechts zu fahren, um ein riskantes Überholmanöver eines Kolonnenspringers zu ermöglichen.
LG Ellwangen, Urteil vom 20.3.2024, 1 S 70/23
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