Urlaub verfällt nicht bei Eintritt in die Passivphase der Altersteilzeit
Ein Arbeitnehmer vereinbarte mit seinem Arbeitgeber Ende 2012 das bestehende Arbeitsverhältnis in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis zu ändern. Es wurde das sogenannte »Blockmodell« vereinbart. Dabei war vorgesehen, dass der Mitarbeiter vom 1.2.2013 bis zum 31.5.2016 arbeitet und vom 1.6.2016 bis zum 30.9.2019 freigestellt wird. Der Arbeitnehmer ging zum 1.10.2019 in Rente.
Der Arbeitnehmer nahm bis zum Abschluss seiner Aktivphase vom 4. bis zum 25.5.2016 seinen Resturlaub für das Jahr 2016 – fast unmittelbar vor der Passivphase der Altersteilzeit. Da er während dieses Zeitraums erkrankte, konnte er jedoch einen Teil seiner Urlaubstage nicht nehmen. Er trat arbeitsunfähig in die Passivphase seiner Altersteilzeit ein.
Der Arbeitgeber wollte die noch offenen Urlaubstage aber nicht abgelten. Diese seien nach 15 Monaten, also im Laufe der 3-jährigen Passivphase, verfallen. Der Arbeitgeber argumentiert, der Arbeitgeber habe nicht über den Urlaubsverfall informiert.
In einem langen Rechtsstreit legte das Bundesarbeitsgericht schließlich dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vor, was mit dem nicht erfüllten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers passiert, der im Verlauf des Urlaubsjahres aus der Arbeits- in die Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eintritt.
Der EuGH stellte für das Blockmodell klar: Resturlaubansprüche, die der Arbeitnehmer in der Aktivphase seiner Altersteilzeit nicht mehr nehmen kann (z.B. wegen Krankheit), muss der Arbeitgeber beim Eintritt in die Passivphase abgelten.
Es spielt dabei keine Rolle, warum der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht verbraucht. Was die Urlaubsabgeltung angeht, steht der Wechsel in die Passivphase der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleich.
Die rechtzeitige Information über den Urlaubsverfall ist unerheblich, denn der Urlaub verfällt in dieser Konstellation nicht.
Begründung: Das Grundrecht auf Urlaub umfasst auch die finanzielle Vergütung nicht genommenen Jahresurlaubs. Einschränkungen dieses Grundrechts müssen auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden.
Zwar hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer über lange Abwesenheitszeiten keine zu großen Urlaubsmengen ansammeln. Hier ergab sich die Unmöglichkeit, den Urlaub zu gewähren, aber nicht aus der Krankheit, sondern aus der Freistellung bei Eintritt in die Passivphase. Der Arbeitgeber muss deshalb dieses erkennbare Risiko durch rechtzeitige Urlaubsgewährung minimieren.
EuGH, Urteil vom 27.4.2023, C-192/22