Schluss mit Generation Praktikum? Was ändert sich für Studenten?
Doch was bedeutet das „Mindestlohn für Praktikanten"?
Grundsätzlich fallen alle Praktika unter das Mindestlohngesetz, es greifen jedoch verschiedene Ausnahmeregelungen. Wichtig wird es jetzt zu wissen, welche Art von Praktikant man ist, ob man unter eine der Ausnahmeregelungen fällt.
Pflicht, Orientierung oder freiwillig?
Pflichtpraktika im Sinne des Mindestlohngesetzes sind alle Praktika, die im Rahmen einer Ausbildungs- oder Studienordnung absolviert werden müssen. Sie können auch mehr als drei Monate dauern, ohne unter die Mindestlohnregelung zu fallen.
Orientierungspraktika dienen der beruflichen Orientierung und werden vor dem Studium oder der Ausbildung absolviert. Sind sie bei einem Arbeitgeber auf drei Monate beschränkt, wird für den Praktikanten kein Mindestlohn fällig.
Freiwillige Praktika unterfallen nicht dem Mindestlohn, wenn sie während eines Studiums oder einer Berufsausbildung für maximal drei Monate bei einem Arbeitgeber absolviert werden. Dies gilt allerdings nur, wenn nicht bereits zuvor ein solches Praktikum in demselben Unternehmen absolviert wurde.
Wir haben über die Folgen des Mindestlohns für Studenten und das Praktikumsangebot mit Daniel Furth von ABSOLVENTA Jobnet (www.jobnet.de) gesprochen.
Der Mindestlohn für Praktikanten kommt. Welche Auswirkungen hat das konkret auf die Studenten, die sich für Praktika bewerben? Wird es jetzt schwieriger Praktikumsplätze zu finden?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Für Studierende hat das zwei Auswirkungen: Kleinere Unternehmen und soziale Verbände werden das Angebot an Praktikumsstellen wohl verknappen. Der Bundesverband Deutsche Startups drohte gar kürzlich, junge Unternehmen könnten aufgrund des Gesetzes nach Polen oder Portugal abwandern. Bei großen Unternehmen und Konzernen hingegen liegt das Problem anders. Wegen des finanziellen Hintergrunds werden viele zwar keine Stellen streichen und den Mindestlohn anstandslos zahlen. Jedoch werden sie sehr genau prüfen, wen sie zu diesem Preis einstellen. Durchschnittliche Studierende von weniger renommierten Universitäten könnten es demnach bald schwerer haben, bei namhaften Unternehmen einen Praktikumsplatz zu ergattern.
Ich rate Studierenden, über Fachschaften und Universitätsparlamente Druck auf ihre Hochschulen auszuüben. Halbjährige Pflichtpraktika sollten in Zukunft zum Curriculum eines jeden deutschen Studiengangs gehören. So könnten auch finanzschwächere Unternehmen weiterhin Praktikanten einsetzen – und zwar beiderseits gewinnbringend. Ein dreimonatiges Praktikum hilft oft weder dem Unternehmen, noch den Praktikanten, da dieser Zeitraum alleine schon zum Anlernen komplizierterer Tätigkeiten benötigt wird. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass kostengünstige Pflichtpraktikanten, die nur drei Monate im Unternehmen sind, wieder zum Klischeebild des kopierenden Kaffeekochers verkommen.
Beobachten Sie bei ABSOLVENTA konkrete Auswirkungen auf den Praktikumsmarkt? Werden eventuell Praktikumsangebote offline genommen?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Bisher sehen wir noch keine Auswirkungen auf die bei uns geschalteten Praktikumsanzeigen. Unsere Wahrnehmung ist allerdings auch, dass viele Unternehmen noch nicht wirklich ein neues Personalkonzept für Praktikanten entwickelt haben. Die lassen das eher auf sich zukommen, weshalb wohl erst 2015 richtig Bewegung in den Markt kommt.
Gibt es stattdessen mehr Angebote für Werkstudenten oder Traineeangebote?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Der klassische Werkstudent wird ja oft aus dem Praktikantenpool rekrutiert, mit dem Zweck, vielversprechende Kandidaten bis zu deren Abschluss ans Unternehmen zu binden und dann zu übernehmen. Ich erwarte demnach keine großen Auswirkungen auf diese Beschäftigungsform. Die meisten Werkstudenten verdienen übrigens schon seit langem deutlich mehr als den Mindestlohn.
In einigen Branchen (z. B. PR- und Medienagenturen), die stark auf günstiges Praktikantenpersonal setzen, sehen wir heute schon sogenannte Trainee-Programme, die eher einem klassischen Praktikum gleichen – vor allem was die Bezahlung angeht. Hier könnte sich der Trend zu einer verschleiernden Deklaration fortsetzen und verstärken. Wir lehnen die Nutzung des Begriffs Trainee für praktikumsähnliche Beschäftigungsverhältnisse ab. Mit der „Initiative für faire und karrierefördernde Trainee-Programme“ haben wir Regeln für gute Trainee-Programme geschaffen.
Theoretisch sind ja die „echten“ Praktika – 3 Monate Orientierung vor dem Studium oder Pflichtpraktika während des Studiums – nicht vom Mindestlohn betroffen. Sind diese Angebote aus Unsicherheit der Praktikumsgeber auch von Streichungen betroffen?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Ich behaupte, es gibt genügend gute Informationsangebote, dass hier keine Unsicherheit aufkommen muss. Demnach sollte es hierbei keine Einschnitte geben. Unternehmen, die sinnvolle Praktika auch in einem dreimonatigen Rahmen anbieten können, bieten in Zukunft vielleicht sogar mehr solcher Stellen an.
Wenden sich Anbieter von Praktikumsplätzen mit konkreten Fragen an Sie?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Es herrscht immer noch große Verunsicherung aufseiten vieler Unternehmen. Dies zeigt auch die große Nachfrage nach unserer Fachkonferenz zum Thema Tag der Praktikanten.
Gibt es von Ihnen Empfehlungen an Studenten, was sie beachten sollen, wenn sie ihr Studium beginnen und ein Praktikum einplanen?
Daniel Furth, ABSOLVENTA Jobnet: Bisher haben sie in diesem Fall noch nicht allzu viel Gestaltungsraum. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, wählt einen Studiengang, der mindestens sechs Monate Pflichtpraktikum vorsieht. So sollte sich die Auswahl an möglichen Praktikumsarbeitgebern langfristig deutlich erhöhen – unabhängig davon, wie sich der Markt 2015 verändert.
Vielen Dank für diesen Einblick!
Daniel Furth ist PR Manager bei ABSOLVENTA Jobnet. Das Jobbörsen-Netzwerk bietet Studenten und Absolventen auf seinen drei Portalen www.absolventa.de, www.praktikum.info und www.trainee-gefluester.de dank tausender Stellenanzeigen und Unternehmensprofile sowie einem ausführlichen Karriereguide maßgeschneiderte Hilfe beim Jobeinstieg.