Kein Mindestlohn im Pflichtpraktikum vor dem Studium
Eine Frau wollte sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin bewerben. Zulassungsvoraussetzung dafür ist nach der Studienordnung ein 6-monatiges Praktikum im Krankenpflegedienst.
Die Bewerberin absolvierte das Praktikum in einem Krankenhaus. Die Zahlung einer Vergütung war nicht vereinbart worden. Im Anschluss an das Praktikum klagte die Frau auf eine Vergütung in Höhe von insgesamt € 10.269,85 brutto. Sie berief sich auf das Mindestlohngesetz (MiLoG). Sie habe im Rahmen einer 5-Tage-Woche täglich 7,45 Stunden gearbeitet. Zudem sei das »Vorpraktikum« kein Pflichtpraktikum im Sinne des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Aus diesem Grund greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht.
Das Bundesarbeitsgericht beurteilte dies anders. Das Krankenhaus ist nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet. Das MiLoG findet keine Anwendung.
Die Bewerberin fällt nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des MiLoG. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch sogenannte »Vorpraktika«. Darunter versteht man Praktika, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines Studiums verpflichtend sind. Diese Gleichstellung geht eindeutig aus der Gesetzesbegründung hervor.
Dem Vergütungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde. Denn die Universität ist staatlich anerkannt. Damit ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt.
BAG, Urteil vom 19.1.2022, 5 AZR 217/21