Die 14 wichtigsten Urteile für Verbraucher 2016
1. Familienrecht: Biologischer Vater hat Umgangsrecht mit seinen Kindern
Erstmals hat der BGH über das Umgangsrecht des leiblichen Vaters mit seinen Kindern seit der gesetzlichen Neuregelung im Jahre 2013 entschieden.
Fortan genügt für die Verweigerung des väterlichen Umgangs nicht mehr die beharrliche Verweigerung der rechtlichen Eltern. Kinder und ihre leiblichen Väter haben grundsätzlich das Recht, sich zu kennen und miteinander Kontakt zu pflegen. Prüfungsmaßstab in der Frage des Umgangsrechts ist fortan das Wohl des Kindes. Nur wenn der Umgang diese gefährde, könne das Umgangsrecht beschränkt werden.
Damit gaben die BGH-Richter einem leiblichen Vater Recht, der mit einer verheirateten Frau in 2005 geborene Zwillinge gezeugt hatte. Noch vor der Geburt kehrte die Mutter zu ihrem Ehemann zurück, der als rechtlicher Vater der Zwillinge gilt. Schon von der Geburt an forderte der biologische Vater das Recht auf Umgang mit den Kindern ein. Jeglicher Umgang wurde diesem aber durch die rechtlichen Eltern verweigert, mit der Begründung, dass die Kinder nicht einmal von der Existenz des leiblichen Vaters wüssten und diese Kenntnis das Leben der Kinder stark beeinträchtigen würde.
Diese Auffassung wurde von mehreren Vorinstanzen bestätigt. Daraufhin zog der biologische Vater vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser stellte im Jahr 2010 fest, dass die Versagung jeglichen Umgangs ohne Prüfung der Frage, ob der Umgang dem Kindeswohl diene, eine Verletzung der Menschenrechtskonvention sei. Daraufhin beantragte der biologische Vater erneut Umgang mit seinen Kindern. Erst vor dem BGH wurde ihm ein Umgangsrecht zugesprochen (Az. XII ZB 280/15).
2. Patientenrecht: Anforderungen an die Patientenverfügung
In welchen Fällen ist eine Patientenverfügung gültig und in welchen nicht?
Der BGH hat im August 2016 entschieden, dass an die Wirksamkeit von Patientenverfügungen bestimmte Anforderung zu stellen sind. Soll bei einer schwerwiegenden Erkrankung lebenserhaltende Maßnahmen ausbleiben, müssen sich dazu in der Patientenverfügung präzise Angaben gemacht werden. Die Karlsruher Richter entschieden beispielsweise, dass die Formulierung „lebensverlängernde Maßnahmen sein nicht erwünscht“, gerade nicht ausreichend sei, um die künstliche Ernährung abzubrechen. Aus der Patientenverfügung müsse sich ergeben, ob die bevollmächtigte Person auch über den Abbruch solcher Maßnahmen entscheiden könne (AZ XII ZB 61/16).
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3. Stärkung der Patientenrechte
Der BGH hat in einer wichtigen Entscheidung die Patientenrechte gestärkt.
Wenn in einem Behandlungsvertrag eine Heilbehandlung durch einen Chefarzt vertraglich vorgesehen ist, so muss diese auch von einem Chefarzt vorgenommen werden. Ohne Einwilligung des Patienten ist die Heilbehandlung durch einen anderen Arzt rechtswidrig. Auch wenn dem behandelnden Arzt keine Fehler vorgeworfen werden können. Diese Ansicht begründet der BGH mit dem hohen Gut des Selbstbestimmungsrechts sowie mit dem enttäuschten Vertrauen des Patienten (Az. VI ZR 75/15).
4. Kita-Kündigungsfrist ist beachtlich
Fühlt sich ein Kind in der Betreuung einer Kita nicht wohl, haben die Eltern kein Recht zur sofortigen Kündigung des Kita-Vertrags. Dies gilt auch dann, wenn das Kind schon nach wenigen Tagen wieder abgemeldet wird. Grund dafür sei die Schutzbedürftigkeit der Kindertagesstätte und das Bedürfnis einer Planungssicherheit. In der Entscheidung kippte der BGH die Klage einer Kita-Einrichtung aber insoweit, dass die Zahlung einer Kaution unzulässig sei und kein Schadensersatz für entgangene Fördermittel verlangt werden dürfe (Az. III ZR 126/15).
5. Kündigung des Fitnessstudio-Vertrages wegen Umzug? Nein!
Der BGH hat aufgrund einer Klage eines Zeitsoldaten entschieden, dass ein berufsbedingter Wohnsitzwechsel kein außerordentliches Kündigungsrecht des Fitnessstudio-Vertrages begründet. Der Kläger kündigte den Vertrag zehn Monate vor Laufzeitende. Nach dem höchstrichterlichen Urteil bleibt er auf diesen Kosten sitzen. Seine Entscheidung begründet der BGH damit, dass derjenige, der langzeitige Verträge abschließt, um Kosten zu sparen, auch das entsprechende Risiko tragen muss. Damit gilt weiterhin, dass solche Langzeitverträge nur im Falle einer Schwangerschaft oder Krankheit vorzeitig gekündigt werden können (Az. XII ZR 62/15).
6. Kein Kita-Platz: Eltern bekommen Schadensersatz wegen Verdienstausfall
Drei Frauen aus Leipzig hatten geklagt, weil sie nach einem Jahr Elternzeit trotz frühzeitiger Anmeldung keinen Kita-Platz für ihren Nachwuchs bekamen. Dadurch konnten alle drei erst mit mehrmonatiger Verspätung wieder arbeiten gehen. Sie verklagten die Stadt für ihren Verdienstausfall und forderten Schadensersatz in Höhe ca. 2.200 Euro, 4.500 Euro bzw. 7.300 Euro.
Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof, wo man den Müttern grundsätzlich Recht gab. Die Stadt hat nach Ansicht der Karlsruher Richter ihre Amtspflicht verletzt. Diese umfasst auch den Schutz der vor Verdienstausfallschäden der Eltern, wenn diese keinen Betreuungsplatz erhalten. Zwar steht der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind zu. Der Schutz der Eltern und ihrer Erwerbstätigkeit durch die Vorschrift ergibt sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck des Kinderförderungsgesetzes.
Schließlich wollte der Gesetzgeber neben der Förderung des Kindeswohls auch die Entlastung der Eltern zugunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit erreichen, indem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Anreize für Kinderwünsche geschaffen werden.
Zahlen muss die Stadt Leipzig am Ende jedoch nur, wenn man ihr ein Verschulden an der Misere vorwerfen kann. Geldmangel ist jedenfalls kein Entschuldigungsgrund, weil die Stadt nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt einstehen muss. Deshalb muss die Vorinstanz, das OLG Dresden, noch weitere Feststellungen zum Verschulden treffen (Az. III ZR 302/15 und III ZR 3030/15).
7. Ein Ende für die eBay-Abbruchjagd
In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH sogenannten „Abbruchjägern“ auf eBay ein Ende gesetzt.
Wer an einer eBay-Auktion nur teilnimmt, um anschließend auf Schadensersatz klagen zu können, verhält sich rechtsmissbräuchlich.
Im konkreten Fall ging es um eine Auktion, in der ein gebrauchtes Motorrad angeboten wurde. Dem Anbieter unterlief beim Einstellen der Anzeige ein Fehler: Er stelle das Motorrad als neu ein. Als ihm der Fehler aufgefallen war, brach er die Auktion ab. Ein Bieter, der durch den Abbruch nicht zum Zuge gekommene war, fordertet Schadensersatz. Weil aber die Beteiligung an einer eBay-Auktion mit geringem Einsatz, ohne wahres Interesse an der Ware rechtsmissbräuchlich ist, wurde dem Bieter der Schadensersatzanspruch nicht zugesprochen (Az. VIII ZR 182/15).
8. Mietrecht: Maklergebühr für Wohnungsbesichtigung unzulässig
Im Juni entschied das LG Stuttgart aufgrund einer gemeinsamen Klage eines Mietervereins und der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, dass Makler für Wohnungsbesichtigungen keine Gebühr verlangen dürfen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Maklerfirma von jedem Interessenten bei der Besichtigung einer Mietwohnung eine Gebühr von 35 bis 50 EUR verlangt. Das Gericht sieht in der Erhebung der Gebühren eine unzulässige Geschäftspraxis und einen Verstoß gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz (Az. 38 O 73/15 und 38 O 10/16).
9. Keine Haftung der WLAN-Anbieter
Im Streit um das offene WLAN-Netzwerk hat der Europäische Gerichtshof eine unerwartete Entscheidung ausgesprochen. Gewerbebetreibende haften danach nicht grundsätzlich für den aus ihrem WLAN-Netzwerk erfolgten Rechtsverstoß. Allerdings kann der Gewerbetreibende dazu verpflichtet werden, sein Netzwerk passwortgeschützt einzurichten und die Identität der Nutzer abzufragen. Grundlage dieser Entscheidung ist ein Rechtsstreit zwischen einem Ladenbesitzer und dem Konzern Sony. Über das öffentlich zugängliche Netzwerk des Ladenbesitzers wurde ein Musikalbum illegal heruntergeladen. Der Musikkonzern mahnte den Ladenbesitzer deswegen ab. Zunächst musste das Langgericht München über diesen Sachverhalt entscheiden. Weil bei diesem aber ein europarechtlicher Kontext besteht, bat das Gericht den EuGH um Hilfe bei der Auslegung. Der EuGH sah alle Bedingungen für eine Haftungsbeschränkung als erfüllt an (Az. I ZR 220/1).
10. Arbeitsrecht: Krank ist Krank
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch das mehrfache Nichterscheinen eines arbeitsunfähig geschriebenen Beschäftigten zu anberaumten Personalgesprächen keinen Grund für eine Abmahnung darstellt. Konkret ging es um einen Beschäftigten, der immer wieder geplante Personalgespräche hinsichtlich seiner Weiterbeschäftigung krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte. Der Arbeitgeber zitierte den Beschäftigten trotz seiner Krankschreibung in den Betrieb und verlangte, dass in einem ärztlichen Attest die gesundheitlichen Gründe dargelegt werden müssten, die Hinweis darauf geben, warum der Beschäftigte nicht zum Personalgespräch kommen könnte. Als der Beschäftigte erneut nicht zu dem Gespräch mit seinem Arbeitgeber erschien, mahnte der Arbeitgeber den Beschäftigten ab. Gegen diese Abmahnung wehrte sich der Angestellte mit einer Klage.
Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Arbeitspflicht grundsätzlich auch die Teilnahme an einem während der Arbeitszeit stattfindenden Personalgesprächs umfasse, jedoch krank geschriebene Beschäftigte während ihrer Arbeitsunfähigkeit ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen müssen. In dieser Zeit bestehe auch keine Plicht des Beschäftigten am Arbeitsplatz zu erscheinen (Az. 10 AZR 596/15).
11. Onlinehandel: Widerruf ohne Begründung möglich
Der BGH hat die Rechte des Verbrauchers im Onlinehandel erneut gestärkt.
Hintergrund der Entscheidung ist die Klage eines Verbrauchers wegen der Wirksamkeit seines Widerrufs. Der Verbraucher hatte im Internet einem Unternehmer zwei Matratzen bestellt. Dabei garantierte der Unternehmer einen „Tiefpreis“. Nach Abschluss des Vertrages entdeckte der Verbraucher bei einem Dritten ein günstigeres Angebot. Erfolglos forderte er den Unternehmer zur Zahlung der Preisdifferenz auf. Daraufhin machte der Käufer von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch. Der Verkäufer hielt diese Ausübung für unzulässig, da das Widerrufsrecht nicht als Instrument der Schnäppchenjagd gedacht sei. Die Karlsruher Richter sahen dies allerdings anders. Sie entschieden, dass ein Widerruf keiner Begründung bedürfe und für die wirksame Ausübung lediglich die Einhaltung der Widerrufsfrist entscheidend sei (Az. VIII ZR 146/15).
12. Mietrecht: Gestank aus der Mietwohnung
Der Vermieter darf zu Kontrollzwecken die vermietete Wohnung besichtigen, wenn ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass ein drohender Schaden eintreten kann.
Hintergrund der Entscheidung ist die Klage einer Vermieterin. Aufgrund von Beschwerden der Hausbewohner informierte die Hausverwaltung die Vermieterin über unangenehme Gerüche aus einer Mietwohnung ihres Mietshauses. Die Vermieterin verlangte die Wohnung zu besichtigen, da sie als Ursache des Gestanks Schimmel, Fäulnis oder Verwesung befürchtete. Der Mieter verweigerte ihr jedoch die Besichtigung. Das Gericht urteilte daraufhin, dass ein Vermieter den Zustand seines Eigentums überprüfen dürfe, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein drohender Schaden eintreten kann. Diese Voraussetzungen sah das Gericht als gegeben an (Az. 461 C 19626/15).
13. Steuerrecht: Kein Steuervorteil für die Arbeitsecke
Steuerzahler können die Kosten für ihr heimisches Arbeitszimmer weiterhin nur dann steuerlich geltend machen, wenn dieser Raum weit überwiegend zu beruflichen Zwecken genutzt wird.
Auch eine Arbeitsecke im sonst nur privat genutzten Wohnraum kann steuerlich nicht geltend gemacht werden. In letzter Instanz scheiterte damit ein Kläger, der sein Arbeitszimmer teilweise auch privat nutzt, nachdem ein Finanzgericht die anteiligen Kosten anerkannt und sich damit gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellte. Zur abschließenden Klärung wurde der Fall dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs vorgelegt (Az. BHF GrS 1714).
14. Bankrecht: Unzulässigkeit der pauschalen Gebühren für geduldete Kontoüberziehung
In seiner aktuellen Rechtsprechung vom 25.10.2016 hat der BGH entschieden, dass Banken und Sparkassen von ihren Kunden keine pauschale Gebühr für geduldete Kontoüberziehung verlangen dürfen. Entsprechende AGB-Klauseln wurden von den Richtern als unangemessene Behandlung der Kunden untersagt. Begründet wurde dies damit, dass der Zinssatz, den die Banken für die Überziehung vom Kontoinhaber einfordern meist weit über dem des Dispositionskredites liegt. Das Entgelt wird von den Banken gefordert, wenn der Zinssatz für die gedudelte Überziehung unter dem geforderten Entgelt liegt. Sprich: Wenn es sich nur um eine geringe Überziehung handelt, rechnet die Bank einen Pauschalbetrag ab, der höher ist, als die Zinsen, die der Kunde für die geduldete Überziehung zahlen müsste.
Damit folgt der BGB der Argumentation von Verbraucherschützern, die gefordert hatten, dass sich die Höhe des Kreditzinses stets nach der Höhe der Kreditsumme und Laufzeit richten müsse (Az. XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15).
Für den Fall, dass Sie in der Vergangenheit Entgelt für eine geduldete Überziehung entrichtet haben, steht Ihnen grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch zu. Um Ihren Anspruch geltend zu machen, können Sie unser Dokument Rückforderung der Kosten für geduldete Überziehung als Anschreiben an Ihre Bank verwenden.