Lebend-Organspende nur bei persönlicher Verbundenheit
Ein mittlerweile 57-Jähriger aus Deutschland leidet seit vielen Jahren an einer Niereninsuffizienz. Seit Ende 2013 funktionierten seine Nieren nur noch so eingeschränkt, dass ohne eine Dialyse (»Blutwäsche«) sein Körper vergiften würde. Er ist als Empfänger bei der Organvermittlungsstelle vermerkt, bisher hat er jedoch noch keine Organspende erhalten. Seine Ehefrau kommt aus gesundheitlichen Gründen als Spenderin nicht in Frage, seine Schwester hat ihre anfängliche Zusage wieder zurückgenommen.
Ein in Sierra Leone lebender Mann ist dagegen bereit, ihm eine Niere zu spenden. Der Patient hatte den potentiellen Spender über seinen Bruder kennengelernt, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Der Bruder des Spenders, der sich mit dem Patienten gemeinsam in einem Verein für Projekte in Sierra Leone engagiert, kommt selbst aus medizinischen Gründen nicht als Spender in Betracht. Er schilderte daher seiner Familie in Sierra Leone den Fall mir der Frage, ob vielleicht eines seiner Geschwister eine Niere spenden wolle. In der Folge fanden mehrere große Familientreffen statt, bei denen das Thema besprochen wurde und sich schließlich einer der Geschwister zur Spende bereit erklärte.
Der Patient wandte sich nacheinander an zwei deutsche Krankenhäuser. Beide lehnten die Durchführung der Nierentransplantation ab. Die internen Transplantationskonferenzen beider Krankenhäuser kamen nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kläger und dem Spender einstimmig zu dem Ergebnis, dass die für eine Lebendspende erforderliche »besondere persönlich Verbundenheit« zwischen ihnen nicht gegeben sei. Kurz darauf teilte der Patient seiner Krankenkasse mit, dass er mit einem niederländischen Krankenhaus im Gespräch über die Nierentransplantation sei und bat um die Bestätigung der Kostenübernahme. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab.
Das Sozialgericht Berlin gab der Krankenkasse Recht. Es entschied, die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, ihre Zustimmung zur Kostenübernahme zu erteilen. Die in Frage stehende Lebendspende ist in Deutschland nicht zulässig.
Denn Spender und Empfänger der Niere stehen sich nicht »in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe«. Vor allem habe nicht der Patient den Kontakt zum potentiellen Spender aufgenommen, sondern die Initiative hierzu ist vom Bruder des Spenders ausgegangen. Dieser hat seinen Bruder noch nicht einmal direkt auf die Spende angesprochen, sondern eine allgemeine Frage an die Familie gerichtet, ob »einer seiner Geschwister« zur Spende bereit wäre. Außerdem kannte der Spender den Patienten noch nicht einmal persönlich, als er seine Bereitschaft zur Spende erklärte. Beide haben sich erst kurz vor der geplanten Transplantation kennengelernt, als der Spender im Zuge der Vorbereitung der Transplantation zum ersten Mal nach Deutschland gekommen ist. Die Jahre davor bestand der Kontakt nur über Internet und Telefon.
Da die Voraussetzungen für eine Nierentransplantation aufgrund einer Lebendspende in diesem Fall nicht gegeben sind, darf sie auch nicht im Ausland zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden. Ein Versicherter darf sich nur die Leistungen, die er in Deutschland von der Krankenversicherung erstattet bekäme, im EU-Ausland beschaffen.
SG Berlin, Urteil vom 12.3.2019, S 76 KR 1425/17