Passive Sterbehilfe in Extremfällen erlaubt
Die verstorbene Ehefrau eines Witwers litt seit einem Unfall im Jahr 2002 unter einer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Häufige Krampfanfälle verursachten starke Schmerzen. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie den Wunsch zu sterben. Ihren Sterbewunsch hatte sie mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal und einem Geistlichen besprochen. Im November 2004 beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels.
Der Antrag wurde abgelehnt. Eine Erlaubnis mit dem Ziel der Selbsttötung sei nicht vom Zweck des Betäubungsmittelgesetzes gedeckt. Im Februar 2005 nahm sich die Frau in der Schweiz mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben. Dennoch wollte der Witwer es nicht dabei belassen. Er klagte auf Feststellung, dass der Versagungsbescheid rechtswidrig war.
Nach einem langen Weg durch die Instanzen sowie einer Verfassungsbeschwerde und der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte musste nun das Bundesverwaltungsgericht erneut über die Sache entscheiden. Hier gab man dem Witwer grundsätzlich recht.
Das Gericht stellte fest, dass der Versagungsbescheid des BfArM rechtswidrig war. Nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist es zwar unzulässig, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. In Extremfällen ist aber eine Ausnahme für schwer und unheilbar kranke Patienten zu machen, wenn sie sich wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben zu beenden. Allerdings darf es in diesen Fällen keine zumutbare Alternative geben - etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch.
Im Ergebnis darf dann betroffenen Personen der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaubt, nicht verwehrt werden. Deshalb hätte die Behörde prüfen müssen, ob hier ein solcher Ausnahmefall vorlag.
Diese Prüfung lässt sich nach dem Tod der Ehefrau des Klägers jedoch nicht mehr nachholen. Deshalb gibt es im konkreten Fall keine Zurückverweisung an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.
(BVerwG, Urteil vom 2.3.2017, Az. 3 C 19/15)
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