Flug verpasst: Bei Endlosschlange am Check-In-Schalter ist auch Eigeninitiative erforderlich
Eine 4-köpfige Familie hatte eine All-inclusive-Reise in die Türkei gebucht. Die Reisenden reihten sich rechtzeitig zwei Stunden vor Abflug in eine sehr lange Schlange wartender Fluggäste am Check-In-Schalter der Fluggesellschaft Condor ein.
Problem: Es wurden dort mehrere Flieger gleichzeitig abgefertigt, was den Reisenden nicht klar war. Sie stellten sich brav hinten an – und verpassten den Flug, weil sie erst 25 Minuten vor dem planmäßigen Abflug am Schalter an der Reihe waren. Und damit zu spät.
Die Familie musste Ersatzflüge buchen und kam verspätet am Urlaubsziel an. Sie verlangte eine Reisepreisminderung, Schadensersatz für den Ersatzflug sowie Ersatz für vertanen Urlaub. Die Airline sei schuld am verpassten Flug. Auf dem Bildschirm vor dem Check-In habe nur der Name der Fluglinie gestanden. Einen Hinweis, Reisende nach Antalya mögen bitte an der Schlange vorbeigehen, habe man nicht erhalten.
Die Fluggesellschaft weigerte sich, zu zahlen. Begründung: Die Passagiere hätten zum schnelleren Einchecken auch unaufgefordert an der Warteschlange vorbeigehen können. Zudem seien die Fluggäste für den Flug nach Antalya von einem Mitarbeiter ausgerufen worden. Das aber hatte von der Familie keiner mitbekommen.
Das Amtsgericht München sprach der Familie eine Reisepreisminderung in Höhe eines Tagesreisepreises und zusätzlich rund € 200,- als Ersatz für nutzlos aufgewendeten Urlaub zu.
Das Gericht hielt es nicht für ausreichend, die Reisenden lediglich auszurufen. An Check-In-Schaltern ist es regelmäßig sehr laut, sodass solche Aufrufe in der Geräuschkulisse leicht überhört werden können. Die Fluggesellschaft muss deshalb entweder Lautsprecherdurchsagen machen oder die Reisenden individuell ansprechen, sollen bestimmte Passagiere bevorzugt abgefertigt werden.
Unzumutbar ist der Vorschlag der Airline, die Passagiere hätten mit ihrem Gepäck an der Schlange vorbeigehen und schneller einchecken können. Drängeln ist ein »sozial zumeist unerwünschtes Verhalten« und kann von den Fluggästen nicht verlangt werden.
Das Gericht minderte jedoch den geforderten Schadensersatzanspruch um 50 %, weil die Reisenden ein erhebliches Mitverschulden daran tragen, zu spät am Check-In-Schalter abgefertigt worden zu sein.
Die Reisenden waren zu lange untätig und haben keine Eigeninitiative ergriffen. Nach fast eineinhalbstündiger Wartezeit hätten sie sich zumindest bei einem Mitarbeiter erkundigen sollen, was sie machen sollen.
AG München, Urteil vom 5.10.2018, 154 C 2638/18