Verschwundenes Ehegattentestament kann durch Kopie ersetzt werden
Ein kinderloses Ehepaar war innerhalb von wenigen Tagen nacheinander verstorben, zuerst die Frau, dann der Mann. Eine Testamentsurkunde existierte nicht, es gab nur eine Fotokopie eines gemeinschaftlichen Testaments vom März 2015, in dem Folgendes geregelt war:
„Wir setzen uns gegenseitig zu unseren alleinigen und beschränkten Erben ein. Schlusserben des Letztversterbenden sind die zwei Töchter des Ehemannes aus erster Ehe zu je ¼ und der Neffe der Ehefrau zur Hälfte. Soweit es gesetzlich vorgeschrieben ist, sollen alle unseren gemeinsamen Verfügungen wechselseitig sein, damit sind sie nach dem Tode des Zuerstversterbenden für den anderen verbindlich.“
Der Neffe der Ehefrau hatte einen Erbschein beantragt, der den nachverstorbenen Ehemann als Alleinerben aufgrund des Testaments aus dem März 2015 ausweisen sollte. Das Nachlassgericht lehnte den Antrag ab. Das in Kopie vorgelegte Testament sei für die Erbfolge nicht maßgeblich, weil es in Widerrufsabsicht vernichtet worden wäre. Es liege somit ein Fall der gesetzlichen Erbfolge vor.
Der Neffe ging vor das zuständige Beschwerdegericht, andernfalls wäre er leer ausgegangen, weil nur die Töchter des Verstorbenen gesetzliche Erben geworden wären. Der Mann bekam recht. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Ehegatten das Testament gemeinschaftlich widerrufen hatten. Der Umstand, dass das Testament nicht im Original, sondern nur als Fotokopie vorgelegt werden konnte, mache es nicht unwirksam. Sei eine Urkunde nicht auffindbar, so das Gericht, könnten die formgerechte Errichtung und der Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Im entschiedenen Fall hatten die Richter keine Zweifel, dass das Testament tatsächlich von den Ehegatten seinerzeit formgerecht errichtet worden war. Dies war auch von den Beteiligten nicht behauptet worden.
Das Gericht hatte gleichzeitig klargestellt, dass derjenige, der aus einem Widerruf Rechte herleiten wolle, den Widerruf beweisen müsse. Dies gelte auch in einem Fall wie hier, in dem die Vernichtung als solche nicht feststehe, die Urkunde aber nicht mehr auffindbar sei. Eine Vermutung dafür, dass ein verschwundenes Originaltestament von den Erblassern vernichtet worden ist, bestehe nämlich gerade nicht.
Bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament besteht zudem die Besonderheit, dass eine einseitige Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen durch einen Ehegatten durch bloße Vernichtung nicht möglich ist. Hier hatte das Nachlassgericht festgestellt, dass andere Unterlagen der Eheleute geordnet vorhanden waren. Zudem hatten die Eheleuten gegenüber Dritten erklärt, an der Schlusserbeneinsetzung zugunsten des Neffen nicht festhalten zu wollen und eine andere Verfügung, deren Entwurf sie bereits beauftragt hatten, errichten zu wollen.
Das reichte aber dem Gericht nicht, mit der nötigen Sicherheit einen Widerruf der Verfügung anzunehmen. Schon deshalb, weil ein Widerruf ohne gleichzeitige Neuerrichtung wenig plausibel sei. Schließlich war im vorliegenden Fall klar, dass andernfalls die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre, war gerade nicht gewollt war. Zumal es am einfachsten gewesen wäre, den Neffen einfach aus dem vorhandenen Testament zu streichen.
Es sei zwar denkbar, dass einer der Ehegatten allein und ohne Kenntnis des anderen das Testament vernichtet hat. Dies würde erklären, dass zwar das Testament unauffindbar war, nicht aber sonstige Unterlagen gefehlt haben. Das sei aber eben kein wirksamer Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments.
OLG München, Beschluss vom 12.11.2019, 31 Wx 183/19