Öffentlichkeit muss im Gerichtssaal Zutritt haben
Am Landesarbeitsgericht Hamburg fand am 31.5.2021 eine mündliche Verhandlung statt. Die Gerichtsverwaltung hatte nach Absprache mit den Gesundheitsbehörden wegen der Corona-Pandemie die zulässige Personenzahl im Gerichtssaal stark reduziert. Neben den drei Richtern waren zusätzlich höchstens sieben weitere Personen im Saal erlaubt.
Die zur Verfügung stehenden Plätze wurden daraufhin vollständig von den Verfahrensbeteiligten in Anspruch genommen. Im Verhandlungsraum war nicht einmal für einen Zuhörer Platz. Die Öffentlichkeit erhielt damit keinen Zugang zur Gerichtsverhandlung. Dagegen richtete sich die Beschwerde.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, wegen der hier vorliegenden Missachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes liegt ein absoluter Revisionsgrund vor, sodass das Verfahren neu verhandelt werden muss.
Denn der Öffentlichkeitsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist auch in Zeiten einer Pandemie unverzichtbar. Der Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme dient der öffentlichen Kontrolle und soll eine »Geheimjustiz« verhindern. Sachfremde Umstände sollen keinen Einfluss auf das Gericht und dessen Urteil gewinnen können. So wird durch die Öffentlichkeit auch Verfahrensfairness gewährleistet.
Zulässig ist es zwar, die Zuhörerzahl in einem Saal zu reduzieren, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung einhalten zu können.
Eine Verhandlung ist aber nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer – sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl – die Möglichkeit des Zutritts haben. Es muss jedermann grundsätzlich der Zutritt zur Verhandlung »nach Maßgabe des tatsächlich verfügbaren Raums« ermöglicht werden. Ein einziger Platz ist dabei zu wenig und führt zu einem faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit. Im vorliegenden Fall hat sogar kein einziger Zuhörer Zutritt erhalten können.
BAG, Urteil vom 2.3.2022, 2 AZN 629/21