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Ausbildungsvertrag: Wann ist eine fristlose Kündigung zulässig?

Arbeitnehmer & Auszubildende 30. Juli 2019
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FK-Textograf / stock.adobe.com

Streit zwischen Mitschülern und harsche Äußerungen von Lehrern berechtigen nicht zur fristlosen Kündigung des Ausbildungsvertrages. Durch einzelne Unhöflichkeiten wird die „Wesentlichkeitsschwelle“ nicht überschritten.

Eine Frau hatte im Jahr 2017 eine 1-jährige Ausbildung zur staatlich geprüften Kosmetikerin an einer Kosmetikschule begonnen. Sie hatte einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen und für die Ausbildung € 5.200,- im Voraus bezahlt.

Bereits kurz nach Beginn der Ausbildung kam es zum Streit mit einer Mitschülerin. Diese wischte ihr bei einem Probeschminken ein Kosmetikprodukt ins Auge und sie wurde gebeten, ein schmutziges Stirnband zu tragen. Daraufhin brach die Schülerin in Tränen aus.

Die Dozentin reagierte harsch, sie solle aus einer „Mücke keinen Elefanten“ machen. Dieser Vorfall wurde mit der gesamten Klasse diskutiert. Dabei wurde öffentlich, dass die Schülerin sich wegen Mobbing bereits seit Jahren in psychologischer Behandlung befindet.

Als die Schülerin wegen eines Trauerfalls nach Hause gehen wollte, reagierte eine der Lehrerinnen ebenfalls taktlos. Im Laufe der Ausbildung wurde die Schülerin von den Ausbilderinnen kritisiert, weil sie keinen Lippenstift auftrug und ihr Kittel ungebügelt war.

Die Klägerin fühlte sich dadurch gemobbt und gedemütigt. Sie kündigte den Ausbildungsvertrag außerordentlich und verlangte rund € 3.800,- Schulgebühren anteilig erstattet.

Das Amtsgericht Frankfurt/Main sah in diesen Vorfällen jedoch keinen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung des Vertrages.

Unhöflichkeit allein begründet weder Mobbing noch stellt sie einen erforderlichen wichtigen Grund dar (z.B. die Rüge für den Tränenausbruch, die Reaktion auf den Trauerfall). Die sogenannte »Erheblichkeitsschwelle« wurde dadurch nicht überschritten.

Gleiches gilt für den aufgeführten Streit, der vor der Klasse diskutiert werden, der sich im Rahmen des sozial Üblichen hielt. Die Äußerungen waren weder beleidigend noch stellten sie einen schweren Vertrauensbruch dar.

Die Rüge des ungebügelten Kittels und des fehlenden Lippenstifts war jeweils gerechtfertigt. Als Kosmetikschülerin muss die Frau entsprechend dem Zweck der Ausbildung auf ein gepflegtes Erscheinungsbild achten.

Schließlich berechtigt auch die behandlungsbedürftige seelische Vorbelastung der Schülerin sie nicht zur fristlosen Kündigung. Denn dieser Umstand war bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrags bekannt.

AG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.5.2019, 32 C 2036/18 (24)