Verkehrsunfall im Ausland – was tun?
Ein Verkehrsunfall im Ausland kann erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Neben Sprachbarrieren stellt sich häufig die Frage nach dem Versicherungsschutz. Wer ist der richtige Ansprechpartner? Welches Recht gilt? Wichtig ist es, einen europäischen Unfallbericht bei sich zu haben sowie Namen und Adressen zu notieren.
I. Bevor Sie ins Ausland fahren
1.1. Checken Sie Ihren Versicherungsschutz
Ein Unfall im Ausland zieht nicht nur Unannehmlichkeiten, sondern oft auch hohe Kosten nach sich: die Miete für einen Mietwagen, Reparaturkosten und gegebenenfalls die Kosten für einen Rechtsanwalt. Dazu kommen noch die Kosten, welche Sie der Gegenseite unter Umständen erstatten müssen (z.B. Schadensersatz, Schmerzensgeld).
Sind Sie richtig versichert, bleibt Ihnen der Ärger zwar nicht (ganz) erspart, aber immerhin haben Sie im Falle eines Unfalls im Ausland kein unkalkulierbares finanzielles Risiko zu tragen. Daher sollten Sie von Zeit zu Zeit überlegen, ob Sie für einen Unfall im Ausland ausreichend abgesichert sind.
1.2. Die Versicherungen im Einzelnen
Kaskoversicherung
Inwieweit Ihre Kaskoversicherung auch im Ausland gilt, müssen Sie bei Ihrer Versicherung erfragen oder in Ihrem Vertrag nachlesen. Die meisten Kaskoversicherungen gewähren Versicherungsschutz innerhalb der geografischen Grenzen Europas (in der Türkei also nur im europäischen Teil bis Istanbul) sowie den außereuropäischen Gebieten, die zur Europäischen Union gehören (wie z.B. Französisch-Guayana, Réunion, die Azoren und die Kanarischen Inseln).
Eine Vollkaskoversicherung hilft auch bei Personenschäden oder hohen Sachschäden, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung nur eine geringe Haftungssumme beinhaltet oder wenn zu erwarten ist, dass zum Beispiel wegen der schwierigen Schuldfrage die Regulierung sehr lange dauern wird. Beides kommt bei einem Unfall im Ausland häufig vor.
Mallorca-Police
Vorsicht ist geboten, wenn Sie im Ausland einen Wagen mieten. Oft sind im Ausland geringere Haftungssummen als in Deutschland vereinbart, haften müssen Sie aber in vollem Umfang. Um den fehlenden Betrag auszugleichen, gibt es die sogenannte
Mallorca-Police
(häufig auch Mallorca-Klausel
genannt). Mit dieser Leistung werden dann die Kosten übernommen, die
von der Haftpflichtversicherung des Mietwagens nicht gedeckt sind. Diesen Versicherungsschutz erhalten Sie bei Ihrem Haftpflichtversicherer. Kümmern Sie sich vor Reiseantritt darum!
Weitere Versicherungen
Weitere Versicherungen, an die Sie denken sollten, sind kurzfristige Vollkaskoversicherung, Kfz-Schutzbrief und Verkehrsrechtsschutz. Wenn Sie beispielsweise für Ihr Auto im Inland keine Vollkaskoversicherung mehr haben, können Sie für Ihre Urlaubsreise eine solche abschließen. Ersetzt werden nicht nur Unfallschäden am eigenen Fahrzeug (auch selbst verschuldete). Versichert sind auch mutwillige Beschädigungen und Diebstahl. Außerdem gleicht sie fehlende Beträge aus, wenn der Unfallgegner nicht so hoch haftpflichtversichert ist, wie es in Deutschland üblich ist.
Ein Kfz-Schutzbrief eines Automobilklubs (z.B. ADAC, ACE, AvD, BAVC, VCD) bietet viele Leistungen von Abschlepphilfe über Fahrzeugrückholung bis zu Krankenrücktransport. Außerdem gibt es eine Service-Hotline, die rund um die Uhr für Sie erreichbar ist. Auch in einigen Kfz-Policen ist ein solcher Schutzbrief bereits enthalten. Beachten Sie: Der Leistungsumfang ist von Versicherung zu Versicherung sehr unterschiedlich. Es lohnt sich, die Bedingungen genau zu lesen!
Inwieweit der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung hilfreich sein kann, sollten Sie im Einzelfall mit Ihrer Krankenkasse absprechen. Bei privaten Krankenversicherungen sind bestimmte Leistungen auch im Ausland häufig schon im Standardvertrag mit eingeschlossen. Bei gesetzlich Versicherten hingegen ist eine Auslandskrankenversicherung zusätzlich zum Auslandskrankenschein empfehlenswert.
1.3. Besorgen Sie sich schon vor Reiseantritt den europäischen Unfallbericht
Dieses Formular enthält einheitlich alle Punkte, die die Versicherungen zur Schadensregulierung fordern. Das Formular bekommen Sie beim
Servicecenter der Autoversicherer Glockengießerwall 1 |
bei Ihrem eigenen Versicherer oder beim ADAC. Dort können Sie auch jeweils die Broschüre dazubekommen, die eine Ausfüllhilfe in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Spanisch, Tschechisch oder Türkisch bereithält.
1.4. Nehmen Sie die Grüne Karte mit
Sie ist ein Versicherungsnachweis für den internationalen Kraftverkehr und enthält wichtige Daten über Fahrzeug, Halter und dessen Versicherung. Sie ist kostenlos bei Ihrem Kfz-Versicherer erhältlich – eine Maßnahme, die durchaus sinnvoll sein kann, wenn sie auch in den Ländern der Europäischen Union nicht mehr vorgeschrieben ist.
In folgenden Ländern ist die Grüne Karte
als Nachweis, dass Ihr Auto oder Motorrad im Heimatland versichert ist, vorgeschrieben:
Albanien (AL), Bosnien-Herzegowina (BIH), Mazedonien (MK), Moldawien (MD), Russland (RUS, zusätzlich die asiatischen Teile des Landes), Ukraine (UA), Republik Serbien und Montenegro (SCG), Weißrussland (BY), Israel (IL), Iran (IR), Marokko (MA), Tunesien (TU), Türkei (TR, einschließlich des asiatischen Teiles östlich vom Bosporus)
II. Was tun nach einem Unfall?
2.1. Ergreifen Sie Sicherungsmaßnahmen noch am Unfallort
Am Unfallort selbst gelten zunächst ähnliche Verhaltensregeln wie bei Unfällen im Inland. Die notwendigen Sofort-Maßnahmen am Unfallort gleichen im Wesentlichen denen, die auch bei Unfällen im Inland ergriffen werden müssen.
Die folgende Checkliste beinhaltet die zehn wichtigsten Maßnahmen, die Sie nach einem Unfall beachten sollten.
Rufen Sie die Polizei
Bei einem Unfall mit Verletzten und hohem Sachschaden an Ihrem Fahrzeug sollten Sie den Unfall unbedingt von der Polizei aufnehmen lassen. Wenn es irgendwie geht, sollten Sie das auch tun, wenn es nur zu einem Sachschaden gekommen ist.
In einigen Ländern müssen auch Bagatellschäden polizeilich aufgenommen werden (z.B. in Dänemark, Österreich und in osteuropäischen Ländern), da es nur dann bei der späteren Schadensregulierung etwas gibt. In vielen Fällen brauchen Sie auch die Nummer des Unfallberichtes. Diese also unbedingt notieren!
Beachten Sie: In einigen Ländern ist die Polizei allerdings nicht verpflichtet, bei sogenannten Bagatellschäden zu kommen.
Erkundigen Sie sich vor der Abreise, insbesondere wenn es in östliche Länder geht wie zum Beispiel Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn, welche Regelungen hier jeweils gelten.
Achten Sie auf eine vollständige Datendokumentation
Generell ist es unerlässlich, den Unfallhergang und alle wichtigen Daten zu dokumentieren. Dazu gehören Adresse, Kennzeichen und Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.
Suchen Sie nach Zeugen
Autoinsassen oder Familienangehörige gelten in manchen Ländern nicht als unabhängig, sodass auch ihre Aussagen wertlos sind. Versuchen Sie deshalb, unbeteiligte Zeugen zu finden.
Fotografieren Sie die Kennzeichen von anderen unbeteiligten Kraftfahrern, die weiterfahren wollen. Dann können Sie diese auch später noch als Zeugen ansprechen. Notieren Sie sich auch auf jeden Fall Daten und Anschriften der Zeugen.
Machen Sie eine Skizze und Fotos von der Unfallstelle
Machen Sie eine möglichst genaue Skizze vom Ort des Geschehens und tragen Sie die ungefähren Maße ein.
Fotografieren Sie die Unfallstelle und scheuen Sie sich nicht, so viele Aufnahmen wie möglich zu machen, um aus allen unterschiedlichen Perspektiven das Geschehen zu rekonstruieren. Übersichtaufnahmen von der Unfallstelle aus den vier Himmelsrichtungen sind genauso wichtig wie Detailaufnahmen von Bremsspuren, Schäden an Kotflügeln, Türen und Scheinwerfern. Auf den Fotos sollte auch der Verlauf der Straße erkennbar sein.
Bestehen Sie auf lesbaren Angaben
Da in der Regel die Beteiligten ihre Angaben zu Name und Adresse selbst aufschreiben, sollten Sie sich nicht scheuen, darauf zu bestehen, dass das Ganze lesbar ist – gegebenenfalls in Druckbuchstaben. Nehmen Sie alle Angaben über die bestehende Versicherung ganz genau auf. Denn Sie sparen sich dadurch viel Zeit und Ärger. Nicht überall kann man nämlich über das Kraftfahrzeugkennzeichen ohne Weiteres diese Angaben vervollständigen.
Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen
Unterschreiben Sie nie ein Protokoll, das Sie nicht verstehen. Versuchen Sie, möglichst eine Übersetzung zu bekommen oder unterschreiben Sie bei einem fremdsprachigen Text zur Not unter Vorbehalt.
Bei Verletzungen immer ein Attest ausstellen lassen
Verletzte sollten sich immer von einem Arzt im Reiseland ein Attest ausstellen lassen. Bei Schmerzensgeldforderungen kann es sonst Probleme mit der ausländischen Versicherung geben.
Lassen Sie Ihr Fahrzeug begutachten
Hat das Fahrzeug einen Totalschaden erlitten, sollte ein Sachverständiger das Fahrzeug vor der Verschrottung begutachten.
Führen Sie immer die Grüne Karte mit
Die Grüne Karte
hat noch nicht ganz ausgedient – zum Beispiel ist sie in vielen Ländern Osteuropas immer noch Pflicht, aber auch in Italien fragt die Polizei oft danach.
Vergessen Sie nicht, den Unfall dem eigenen Versicherer zu melden
Selbst wenn Sie den Unfall nicht verschuldet haben, müssen Sie sich umgehend mit Ihrer eigenen Kfz-Versicherung in Verbindung setzen und den Auslandsschaden melden. Das zählt zu Ihren Obliegenheiten als Versicherungsnehmer. Haben Sie den Unfall möglicherweise oder bestimmt mitverursacht, ist dies ohnehin unerlässlich.
Verletzen Sie diese Meldepflicht, machen Sie sich gegenüber Ihrer eigenen Versicherung gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Und zwar dann, wenn Ihre Versicherung Ansprüche der Gegenseite abwehren will und ihr dies nicht oder nur teilweise möglich ist, weil Sie den Unfall gar nicht oder verspätet gemeldet haben.
Legen Sie sich diese Liste am besten in Kopie in Ihr Handschuhfach oder nehmen Sie sie im Handgepäck mit für den Fall, dass Sie ein Fahrzeug vor Ort anmieten wollen.
2.2. Die ersten Ansprechpartner nach dem Unfall
Zunächst müssen Sie sofort Ihre eigene Kfz-Versicherung von dem Unfall in Kenntnis setzen. Bei hohen Schäden oder verletzten Personen empfiehlt sich das Einschalten eines Rechtsanwaltes vor Ort. Hier zahlt sich der Verkehrsrechtsschutz aus, denn diese vermitteln dann einen deutschsprachigen Rechtsanwalt im Land des Unfalls und übertragen diesem das Mandat zur Regulierung mit dem ausländischen Haftpflichtversicherer.
Auch wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann sich einen Anwalt vor Ort durch den Deutschen Anwaltverein vermitteln lassen. Beachten Sie: Nicht in allen Ländern werden die Anwaltskosten von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt.
Notfon D
(0800–6683663) ist eine gebührenfreie Handy-Notruf-Nummer der deutschen Autoversicherer. Es ist eine mobile Notrufnummer, unter der rund um die Uhr 365 Tage im Jahr verschiedene Hilfeleistungen abrufbar sind, wie zum Beispiel Abschleppwagen oder Ersatzfahrzeuge. Speichern Sie sich die Nummer in Ihr Handy ein!
2.3. So sichern Sie Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche
Ist es infolge des Unfalls zu Verletzungen gekommen, sollten Sie so schnell wie möglich einen Arzt aufsuchen, der die Verletzungen nicht nur behandelt, sondern auch attestiert. Dies ist deshalb wichtig, weil Versicherungen im Ausland oft deutsche Atteste nicht anerkennen. Die Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen wird daher erschwert, wenn kein Attest eines Arztes im Reiseland vorliegt.
Wenn das Fahrzeug nicht mehr fahrtauglich ist, muss abgewogen werden, ob ein Rücktransport infrage kommt oder eine Reparatur vor Ort. Im schlimmsten Fall muss das Fahrzeug vor Ort verschrottet werden. Dann muss auf jeden Fall ein Sachverständiger das Fahrzeug begutachten.
Hilfestellung bietet hier der eigene Versicherer. Der sollte ohnehin in jedem Fall sofort benachrichtigt werden, da es notwendig werden kann, dass dieser unberechtigte Ansprüche gegen Sie abwehren muss, selbst wenn Sie an dem Unfall keine Schuld trifft.
III. Welches Recht findet Anwendung?
Entscheidend für die Regulierung ist das Recht des Unfallortes. Unerheblich ist, aus welchem Land der Unfallgegner stammt oder in welchem Land seine Versicherung ihren Sitz hat.
Rechtsgrundsätze, die das ausländische Recht nicht kennt, finden bei Auslandsunfällen in der Regel keine Anwendung.
Die sogenannte
merkantile Wertminderung,Nutzungsausfalloder die in Deutschland praktizierte sogenannte130 %-Regel, nach der Geschädigte trotz eines rechnerisch vorliegenden wirtschaftlichen Totalschadens reparieren lassen können, wenn die voraussichtlichen Brutto-Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigen, gelten im Ausland meist nicht.
Ausnahmsweise wird deutsches Recht auch bei Unfällen im Ausland angewandt. Und zwar dann, wenn sowohl der Geschädigte als auch der Schädiger ihren ständigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben und beide Fahrzeuge in Deutschland zugelassen und versichert sind. Diese Voraussetzungen müssen für alle am Unfall Beteiligten vorliegen – falls mehr als zwei Fahrzeuge daran beteiligt sein sollten.
Beachten Sie: Auch Mietwagenkosten werden in manchen Ländern nicht erstattet – oder nur dann, wenn das Fahrzeug unbedingt zur Berufsausübung notwendig ist.
IV. So funktioniert die außergerichtliche Schadensregulierung
4.1. Wenden Sie sich an den Schadensregulierungsbeauftragten
Nach einem Unfall in einem EU-Land können Sie Ihre Ansprüche nicht nur vor Ort, sondern auch in Deutschland beim sogenannten Schadensregulierungsbeauftragten (Repräsentanten) der ausländischen Versicherung geltend machen. Den Schadensregulierungsbeauftragten erfahren Sie bei der sogenannten Auskunftsstelle, die jeder EU-Staat einrichten muss. Zum Beispiel übernimmt in Deutschland die Aufgaben der Auskunftsstelle der
Zentralruf der Autoversicherer Kostenfreie Rufnummer: 0800 25 026 00 |
Folgende Informationen erhalten Sie von der Auskunftsstelle:
-
Name und Anschrift der ausländischen Versicherung
-
Nummer der Versicherungspolice und gegebenenfalls das Ablaufdatum des Versicherungsschutzes
-
Name und Anschrift des Regulierungsbeauftragten
-
Name und Anschrift des Fahrzeughalters und – falls solche Daten gespeichert sind – bei Bedarf Angaben darüber, wer das Fahrzeug üblicherweise fährt.
Verpflichtet zu dieser Auskunft ist die Auskunftsstelle des Wohnsitzlandes des Geschädigten sowie die Auskunftsstelle des Unfalllandes. Bei der Anfrage müssen Herkunftsland und Autokennzeichen des Unfallgegners angegeben werden und, wenn möglich, Angaben zur Versicherung. Im nächsten Schritt wird dann der Schadensregulierungsbeauftragte eingeschaltet.
4.2. Welche Aufgaben hat der Schadensregulierungsbeauftragte?
Der Schadensregulierungsbeauftragte bearbeitet die Schadensersatzansprüche – und zwar nach dem Recht des Unfalllandes. Dabei handelt er im Auftrag des haftenden ausländischen Versicherers, dessen Weisungen er auch unterliegt. Er ist befugt, die geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang zu erfüllen. Dabei muss er die Korrespondenz in deutscher Sprache führen.
In der Praxis benennen große Versicherungskonzerne häufig ihre Tochtergesellschaften oder Niederlassungen zum Schadensregulierungsbeauftragten. In anderen Fällen nehmen Anwaltskanzleien diese Aufgabe wahr.
Der Schadensregulierungsbeauftragte ist verpflichtet, unverzüglich und spätestens innerhalb von drei Monaten seit der Anmeldung der Ansprüche durch den Geschädigten eine Haftungsentscheidung zu treffen (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 14.8.2010, 19 W 47/09, NJW-RR 2010 S. 98). Er muss innerhalb der Regulierungsfrist entweder ein konkretes Regulierungsangebot vorlegen oder die Haftung mit einer Begründung ablehnen.
Die konkrete Regulierungsfrist richtet sich dabei nach dem Einzelfall. Die Versicherung muss den Schadensfall ohne schuldhaftes Zögern bearbeiten. Nach Ablauf von drei Monaten sollen nach dem Willen der Richtlinie zusätzliche Sanktionen greifen.
Ein niederländischer Lkw verursachte in Deutschland durch eine Vorfahrtsverletzung einen Unfall, an dem er allein die Schuld trug. Da die niederländische Versicherung keine konkreten Beeinträchtigungen oder Gründe für eine Verzögerung benannt hat, ging das Landgericht Aachen davon aus, dass der Schaden trotz Auslandsbeteiligung innerhalb eines Monats hätte reguliert werden können und müssen (LG Aachen, Urteil vom 29.9.2011, 1 O 208/11 ). Daher muss die Versicherung nach Ablauf des Monats auch für Verzugszinsen aufkommen.
In dem Antrag auf Entschädigung sollte daher stehen, dass die Entscheidung unter Berufung auf die oben stehenden Entscheidungen unverzüglich
erwartet wird.
Den Entschädigungsantrag können Sie selbst, Ihre Versicherung oder Ihr Anwalt beim Schadensregulierungsbeauftragten stellen.
Der Schadensregulierungsbeauftragte muss eine konkrete Entscheidung treffen. Tut er dies nicht innerhalb von drei Monaten, können Sie sich an die Entschädigungsstelle wenden (siehe nächster Punkt). Der Schadensregulierungsbeauftragte erfüllt seine Pflicht nicht, indem er lediglich mitteilt, er warte noch die Entscheidung des Versicherungsunternehmens ab, oder die polizeiliche Ermittlungsakte liege noch nicht vor. Tut er dies, muss er im Detail darlegen, warum beispielsweise die polizeiliche Akte für seine Entscheidung notwendig ist.
4.3. Welche Aufgaben hat die Entschädigungsstelle?
Liegt nach drei Monaten immer noch kein konkretes Regulierungsangebot vor oder konnte kein Regulierungsbeauftragter ermittelt werden, können Sie sich als Geschädigter an die Entschädigungsstelle in Ihrem Wohnsitzland wenden. Die deutsche Entschädigungsstelle finden Sie in Berlin:
Verkehrsopferhilfe e.V. Wilhelmstr. 43/43 G |
Sie können sich an diesen Verein wenden, wenn:
-
die Versicherung des Unfallgegners in Deutschland keinen Regulierungsbeauftragten bestellt hat;
-
innerhalb von drei Monaten keine angemessene Reaktion auf den Entschädigungsantrag erfolgt ist (d.h. ein konkretes Angebot oder eine Begründung, warum diese noch nicht vorliegt);
-
das gegnerische Unfallfahrzeug oder der Versicherer innerhalb von zwei Monaten nach dem Unfall nicht ermittelt werden konnte.
Die Entschädigungsstelle überprüft weder die Entscheidung des Regulierungsbeauftragten noch die der Versicherung auf seine Richtigkeit. Wollen Sie deren Entscheidung nicht akzeptieren, müssen Sie vor Gericht gehen.
Bei der Entschädigungsstelle, in Deutschland also bei der Verkehrsopferhilfe, beginnt dann eine erneute Frist von zwei Monaten zu laufen. Innerhalb dieser Frist versucht die Entschädigungsstelle noch einmal, vom Schadensregulierungsbeauftragten oder der Versicherung ein Regulierungsangebot zu bekommen. Parallel dazu prüft sie, ob sie gegebenenfalls selbst reguliert, falls alle anderen Versuche scheitern.
Beachten Sie: Haben Sie bereits Klage eingereicht, können Sie sich nicht mehr an die Entschädigungsstelle wenden.
4.4. Wenn Sie außerhalb der EU einen Unfall haben
Hier müssen Sie Ihre Ansprüche in der Regel direkt bei der ausländischen Haftpflichtversicherung des Unfallgegners anmelden. Dazu bedarf es guter Fremdsprachenkenntnisse und in der Regel auch eines ausländischen Anwalts.
V. Wenn es vor Gericht geht
Scheitert der Versuch, den Schaden außergerichtlich zu regulieren, können Sie die gegnerische Versicherung an Ihrem (eigenen) Wohnsitz verklagen, wenn
-
sich der Unfall im EU-Ausland ereignet hat,
-
der Geschädigte seinen Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat und
-
der Versicherer im Hoheitsgebiet des EU-Mitgliedsstaates ansässig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13.12.2007, C-463/06, NJW 2008 S. 819).
Sie haben einen Unfall in Portugal. Der Unfallgegner ist Spanier. Dann können Sie in Deutschland Klage gegen das spanische Versicherungsunternehmen erheben.
Beachten Sie: Dies gilt nur für die Klage gegen den Versicherer des Schädigers, nicht aber für eine Klage gegen den Schädiger selbst.
Auch der oben beschriebene Schadensregulierungsbeauftragte kann in Deutschland nicht verklagt werden. Relevant wird dies in den Fällen, in denen die Deckungssumme der in Anspruch genommenen Versicherung nicht ausreicht.
Das gilt auch bei Versicherungen aus den EFTA-Staaten, also die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation: Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island, für die das sogenannte Lugano-Abkommen
gilt.
Bevor Sie wegen einer Verzögerung bei der Regulierung Klage in Deutschland erheben, sollten Sie erst das oben geschilderte Verfahren über die Entschädigungsstelle wählen. Das ist oft schneller und aussichtsreicher. Erst wenn dieser Weg ausgeschöpft ist, ist es ratsam, Klage zu erheben. Lassen Sie sich anwaltlich vertreten.
VI. Was tun, wenn das Fahrzeug nicht ermittelbar oder nicht versichert ist?
Wenn das ausländische Fahrzeug nicht zu ermitteln ist, kann die deutsche Verkehrsopferhilfe den Schaden nach den im Unfallland geltenden Regeln des Verkehrsopferhilferechts regulieren. Hierfür wenden Sie sich an die
Verkehrsopferhilfe e.V. Wilhelmstr. 43/43 G |
Da hier wieder ausländisches Recht gilt, muss der Erstattungsanspruch gegen den ausländischen Garantiefonds geltend gemacht werden.
Ob das nur im Falle eines nicht ermittelbaren Pkws gilt, oder auch dann, wenn der gegnerische Wagen nicht (mehr) versichert ist, hängt von der Rechtslage des jeweiligen Unfalllandes ab.
Die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem ausländischen Garantiefonds unterliegt in vielen Ländern sehr kurzen Fristen, die unbedingt eingehalten werden müssen. So tritt in Belgien der Garantiefonds, im Falle dass das belgische Fahrzeug gestohlen oder nicht versichert ist, nur dann ein, wenn der Unfall binnen 30 Tagen bei der Polizei gemeldet wird. Dieser Garantiefonds zahlt allerdings auch dann, wenn der belgische Verursacher nachweist, dass der Unfall für ihn unabwendbar war.
Ob die Anmeldung der Ansprüche bei der deutschen Opferhilfe zur Fristeinhaltung ausreicht, ist noch nicht abschließend geklärt! Die nach dem Recht des Unfalllandes geltende Frist sollte daher gleich bei der Kontaktaufnahme mit dem Regulierungsbeauftragten geklärt werden. Sonst kann es passieren, dass die Frist abläuft, bevor festgestellt wird, dass das Fahrzeug nicht ermittelt werden kann.
Informationen zu den Leistungen der ausländischen Fonds erhalten Sie beim Grüne-Karte-Büro:
Deutsches Büro Grüne Karte e.V. Wilhelmstr. 43/43 G |
VII. Besonderheiten bei Personenschäden
Kenntnisse des geltenden ausländischen Rechts sind besonders notwendig, wenn es um Personenschäden und Schmerzensgeld geht. So ist in manchen Staaten der Anspruch auf Schmerzensgeld unbekannt, in anderen Staaten gibt es Entschädigungshöchstgrenzen durch Gesetz oder Rechtsprechung.
Kein Schmerzensgeld für Angehörige eines bei einem Unfall Verstorbenen gibt es zum Beispiel in Malta, Dänemark, Niederlande, Norwegen und Schweden.
In anderen Ländern wird der berechtigte Personenkreis ausdrücklich benannt. Auch die sogenannten
Haushaltsführungsschäden
, die dadurch entstehen, dass Sie aufgrund des Verkehrsunfalls Ihren Haushalt nur noch teilweise oder gar nicht mehr führen können, sind oft unbekannt (z.B. in Bulgarien, Litauen, Slowenien und in Tschechien).
Unterschiede gibt es auch hinsichtlich der Zahlungsart. Üblicherweise werden in den meisten Ländern Ansprüche in einem Kapitalbetrag gezahlt. Rentenzahlungen sind in vielen Ländern unbekannt.
Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, sich bereits im Vorfeld der Geltendmachung von Ansprüchen über die jeweils geltende Regulierungspraxis genau zu informieren. Im Einzelfall geht es hier schnell um erhebliche Geldbeträge, und oft muss sich der Geschädigte damit abfinden, dass seine Vorstellungen von der geltenden Realität erheblich abweichen.
VIII. Verbindungsdaten wichtiger Ansprechpartner
Verkehrsopferhilfe e.V. Wilhelmstr. 43/43 G |
Zentralruf der Autoversicherer Kostenfreie Rufnummer: 0800 25 026 00 |
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Europaweite Notrufnummer 112 Unter der europaweit einheitlichen Nummer 112 können wichtige Notrufdienste wie Feuerwehr, Polizei und auch Krankenwagen von den Fest- und Mobilfunknetzen aller 27 EU-Mitgliedstaaten gebührenfrei angerufen werden. |
Bürgerservice Auswärtiges Amt Auskünfte und Unterstützung im Umgang |