Eigenbedarfskündigung: Auch die Nutzung als Ferienwohnung ist erlaubt
Der Vermieter eines älteren, aus vier Wohnungen in vier Etagen bestehenden Hauses in sehr bevorzugter Lage Wiesbadens, ist Nießbraucher der Immobilie. Eigentümer des Hauses sind seine drei Kinder, die jeweils verheiratet sind und ihrerseits insgesamt sechs Kinder haben. Ebenso wie der Vermieter haben seine Kinder und deren Familien ihren Lebensmittepunkt in Finnland. Der Vermieter und seine Kinder nutzen zwei der vier Wohnungen des Hauses für gelegentliche Aufenthalte in Wiesbaden – und zwar für etwa zweimal pro Jahr für ein bis zwei Wochen, insbesondere für Familientreffen.Das Anwesen stammt aus Familienbesitz, dem Wiesbadener Zweig der Familie des Vermieters, dessen Großmutter väterlicherseits aus Wiesbaden stammte und dessen Vater mehrere Jahre lang in Wiesbaden lebte. Es gelangte schließlich im Wege der Erbfolge an die Kinder des Vermieters. Diese haben von Kindheit an eine starke Verbundenheit mit Wiesbaden und sprechen gut Deutsch.
Einer der Mieter bewohnt seit 1993 die im zweiten Obergeschoss des Hauses gelegene Fünfzimmerwohnung. Er verfügt selbst über Wohnimmobilien sowohl in unmittelbarer Nähe des Hauses als auch im nahe gelegen Wiesbaden-B.
Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Begründung: Er benötige eine weitere Wohnung in dem Anwesen für die Familien seiner Kinder, um deren Aufenthalte in Wiesbaden ermöglichen. Die bisher hierzu von seinen Kindern und deren Familien genutzte Dachgeschosswohnung sei für sechs Erwachsene und vier Kinder zu klein; zudem würden nach der Familienplanung für die nächsten Jahre weitere vier (Enkel-)Kinder erwartet. Aufgrund der mehrere Generationen übergreifenden Beziehung der Familie zu Wiesbaden und der über Generationen wiederkehrenden Aufenthalte der Familie dort liege ein begründeter Eigenbedarf vor.
Es kam zur Räumungsklage. Und der finnische Vermieter bekam vor dem BGH auch recht. Die Karlsruher Richter gestanden dem Mann das grundsätzlich zu, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch den - eng gezogenen - Kreis privilegierter Dritter nutzen zu lassen. Aber der Eigennutzungswunsch des Vermieters müsse dahingehend überprüft werden, ob er ernsthaft verfolgt werde bzw. vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen sei. Zudem müsse überprüft werden, ob der Eigennutzungswunsch missbräuchlich sei, etwa weil der behauptete Wohnbedarf weit überhöht sei, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen könne oder der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden könne. Auch nur eine zeitweise Nutzung der Wohnung erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen des "Benötigens" der Räume "als Wohnung" und damit die Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung. Es sei nicht erforderlich, dass der Vermieter in der gekündigten Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründen will.
BGH, Beschluss vom 21.8.2018, VIII ZR 75/18